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  4. Bruno Spoerri: Jazz-Legende mit 89 noch auf der Bühne
Musiklegende wird dieses Jahr 90 Jahre alt

Bruno Spoerri gönnte sich dank Jay-Z ein Sprudelbad

Er ist ein Pionier der Schweizer Musikszene. Seit 70 Jahren steht der Zürcher Bruno Spoerri als experimentierfreudiger Jazzer und Elektroniker auf der Bühne. Noch heute freut es ihn, dass er den Battle gegen Star-Rapper Jay-Z gewonnen hat.

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Fünf Saxofone gehören zu Bruno Spoerris In­strumentarium. Hier in seiner Stube im Stadtzürcher Quartier Hottingen hat er ein ­Tenor-Sax in den Händen. «Den Nachbarn ­zuliebe spiele ich nur in meinem Kellerstudio.»

Fünf Saxofone gehören zu Bruno Spoerris Instrumentarium. Hier in seiner Stube im Stadtzürcher Quartier Hottingen hat er ein Tenor-Sax in den Händen. «Den Nachbarn zuliebe spiele ich nur in meinem Kellerstudio.»

Geri Born

Zweimal am selben Abend ist Bruno Spoerri (89) mit seinem Saxofon im legendären und ausverkauften Konzertlokal Moods in Zürich aufgetreten, vor ein paar Wochen. Erst mit einer akustisch spielenden Jazzband, dann in einem Trio, das elektronische Musik macht. Als der 89-Jährige gegen 1.30 Uhr wieder in seiner Wohnung in Zürich ist, tigert er noch eine Stunde rum. «Das Adrenalin!», sagt Spoerri. «Saxofon spielen ist für mich noch immer Hochleistungssport.» Tags darauf sei er auf den Felgen gewesen. «Ich erholte mich in unserem Sprudelbad. Jay-Z sei Dank!»

Dem Star-Rapper sei Dank? Bruno Spoerri sitzt auf dem Stubensofa, seine Lebenspartnerin Dorine Abegg (89) macht in der Wohnküche eine Kanne Kafi parat. Ein spitzbübisches Schmunzeln – dann erzählt er die unglaubliche Geschichte.

Lebenspartnerin Dorine Abegg schreibt Kurzgeschichten. Bei ihren öffentlichen Lesungen begleitete er sie dezent mit dem Sax. Früher nähte sie seine Bühnenhemden.

Lebenspartnerin Dorine Abegg schreibt Kurzgeschichten. Bei ihren öffentlichen Lesungen begleitete er sie dezent mit dem Sax. Früher nähte sie seine Bühnenhemden.

Geri Born

2015 berichtete ihm ein befreundeter DJ, dass das Lied «Versus» auf dem Album «Magna Carta Holy Grail» der New Yorker Rap-Ikone Jay-Z (55) wie ein Ausschnitt aus Spoerris Stück «On the Way» klinge. Der Zürcher hatte es 1978 für den Experimentalfilm «Lilith. Aus dem Leben einer Stripteasetänzerin» komponiert.

Bruno Spoerri verklagte Rapper Jay-Z

In einem BBC-Interview behauptete Jay-Z, er und Kollege Timbaland hätten den Song geschrieben. «Fake News! Sie haben einfach mein Stück geklaut, die Melodie einen halben Ton tiefer gelegt und den Beat verstärkt.» Spoerri verklagte den US-Star, es war ein Kampf wie David gegen Goliath – dank einer Verlegerin kam es zu einer aussergerichtlichen Einigung. «30'000 Franken schauten damals für mich raus. Damit leistete ich mir eine neue Dusche und das Sprudelbad.» Was ist mit den Tantiemen? «Ein paar Fränkli im Jahr.»

«Mit meinen alten Knochen wirds zunehmend schwieriger einzusteigen.» Spoerri auf dem Rand seines Sprudelbads – «gesponsert von Jay-Z».

«Mit meinen alten Knochen wirds zunehmend schwieriger einzusteigen.» Spoerri auf dem Rand seines Sprudelbads – «gesponsert von Jay-Z».

Geri Born

2127 Konzerte gespielt

Bruno Spoerri ist ein Unikum. Er gehört zu den Pionieren der Schweizer Musikszene – und das gleich in drei Bereichen: im Jazz, in der Filmmusik und in der elektronischen Musik. Weltweit geniesst der experimentierfreudige Zürcher Musiker und Komponist einen legendären Ruf, in den vergangenen 70 Jahren ist er auf Bühnen rund um den Globus aufgetreten. «2127 Konzerte waren es bis heute. Ich führe Buch.» Er musizierte und improvisierte mit dem Schweizer Metronome Quintett und mit Jazzgrössen wie George Gruntz, Lee Konitz und am Montreux Jazz Festival mit Clark Terry.

«Das Pröbeln mit elektro­nischer Musik hält mich fit im Kopf»

Bruno Spoerri

1954 gewann er als Saxofonist am Jazz Festival Zürich den ersten seiner vielen Preise. «Damals gabs hierzulande ausser Hazy Osterwald erst eine Handvoll professionelle Jazzmusiker.» In seinen Bands Jazz Rock Experience, Bruno Spoerri Sextett, Peaches and Waves und Isolierband fusionierte er Jazz und Elektronik, in seinen Studios produzierte er Musik für Toni Vescoli, Hardy Hepp, das Trio Eugster und viele andere.

Die sich im Takt bewegenden Musiker faszinieren Spoerri jeden Tag. Die In­stallation neben seinem Büro stammt vom Zürcher Grafiker Peter Mandzjuk.

Die sich im Takt bewegenden Musiker faszinieren Spoerri jeden Tag. Die Installation neben seinem Büro stammt vom Zürcher Grafiker Peter Mandzjuk.

Geri Born

Spoerri gab das Standardwerk «Jazz in der Schweiz» heraus, er schrieb Filmmusik für Rolf Lyssys «Teddy Bär» und den Kultkrimi «Der Würger vom Tower», er lehrte an Musikhochschulen über Computermusik, 2017 erhielt er den Swiss Jazz Award für sein Lebenswerk.

Auch als Werber war der ausgebildete Psychologe tätig. In der Agentur Advico kreierte er Musik zu Spots für Sinalco, Migros und Usego, ausgestrahlt wurden diese 1965 im Schweizer Fernsehen – damals zeigte das nationale TV erstmals Werbefilme. Im selben Jahr gewann Spoerris Spot für die Kugelschreibermarke Bic den ersten Preis am Werbefilmfestival Cannes.

Die Jungen machten grosse Augen

Noch immer bestimmt Musik das Leben des Tausendsassas. Vormittags sitzt er daheim in seinem Büro am Computer, organisiert seine nächsten Konzerte, versucht, ein Buch über seine Eltern zu schreiben. Dann kocht er mit seiner Partnerin Dorine Abegg Zmittag, geniesst ein Glas Roten. «Mit Bier habe ich abgeschlossen.» Die frühere Journalistin und er leben seit 1995 zusammen, vorher war er zweimal verheiratet.

Hier übt und experimentiert er: Spoerri in seinem Kellerstudio in der Nähe seiner Wohnung.

Hier übt und experimentiert er: Spoerri in seinem Kellerstudio in der Nähe seiner Wohnung.

Geri Born

Die Nachmittage verbringt der vierfache Vater und fünffache Grossvater in seinem Kellerstudio. Dort tüftelt er an seinen unzähligen elektronischen Geräten an neuen Sounds, mischt alte Stücke neu, übt mit seinen fünf Saxofonen. Pröbelt mit seinem selbst entworfenen Computerprogramm, das ihm dank speziellen Sensoren ermöglicht, mit Arm- und Handbewegungen Töne zu erzeugen. «Musik zu machen, indem man nur an Knöpfen dreht, ist langweilig.» Sax spielen sei sein Körpertraining, «die elektronische Musik hält mich fit im Kopf».

Die Abende verbringen Spoerri und seine Partnerin in der trauten Stube, oft läuft ein Stummfilm von Buster Keaton. Dorine Abegg ist an jedem seiner Konzerte dabei: «Danach diskutieren wir darüber, auch kritisch.» Vor ein paar Jahren schrieb er das Lied «Dorine», eine liebliche und auch feurige Ode an seine Partnerin. «Wenn Bruno das spielt, bin ich hin und weg.»

Am 90. Geburtstag steht Spoerri auf der Bühne

Dieses Jahr werden die beiden 90. An seinem Geburtstag gibt Spoerri in Zürich ein Hauskonzert bei Richard Irniger, einem seiner vielen Bekannten. «Und hoffentlich gibts wieder mal Gelegenheit, mit Elia zu spielen.» Der 18-jährige Enkel von Dorine Abegg tritt mit seiner Dub-Band ab und zu im Klub Tunnel in Glarus auf. Als Special Guest kam letztes Mal Bruno Spoerri auf die Bühne, er heizte der Band mit seinem Sax gehörig ein. Elias Kumpel machten grosse Augen. Einer sagte ihm nach dem Konzert: «Ich bezweifle, dass Jay-Z mit fast 90 noch so viel Energie hat!»

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera vor 13 Stunden