Hinter der Bar rasselt die Kaffeemaschine, ein Buffet mit Gipfeli, Müesli und Käse lädt zum ausgedehnten Zmorge. Sonntagmorgen im Caffè mooi in Liestal BL. Die CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter nimmt nur einen Espresso – die Arbeit ruft! Gleich empfängt sie den Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller zum Gespräch. «Wir kennen uns gut», sagt sie, «also nur beruflich – wir sind beide in der Aussenpolitischen Kommission.» Müller kommt mit ein paar Minuten Verspätung. Drei Küsschen zur Begrüssung, ein paar nette Worte. Und unweigerlich hat man den Eindruck: Da sind zwei auf einer Wellenlänge – tatsächlich?
Elisabeth Schneider-Schneiter: Für mich ist es wichtig, dass die Mitte gestärkt aus den Wahlen hervorgeht. Jemand muss die extremen Forderungen der linken und rechten Parteien austarieren! Aber: Wie verschaffen wir – die CVP und die FDP – uns Gehör?
Damian Müller: Wir müssen mit den Menschen auf der Strasse reden, ihnen unsere Positionen erklären und ihnen vor allem die Angst nehmen.
Das machen Sie mit Ihrem «Müller-Mobil», einem dreirädrigen Kleintransporter.
Genau! Ich fahre damit durch den Kanton Luzern, schenke Kaffee aus und suche das Gespräch mit den Leuten. Zugegeben, am Anfang war es mir brutal peinlich, dass auf dem Auto gross mein Name steht.
Kommt mir bekannt vor. Ich verkaufe mich bis heute nicht gerne. Aber nun verrate ich Ihnen was:
Ihr «Müller-Mobil» ist mein Traumauto! Einen solchen Piaggio wünsche ich mir schon lange von meinem Mann – bisher vergeblich.
Also ich hätte einen (lacht). Im Ernst: Der Piaggio war nebst einem Döschwo immer mein Bubentraum. 2013 kaufte ich das Auto zusammen mit einem Kollegen und baute es zum Werbemobil um – mit Elektroanschluss, Lautsprecheranlage und LED-Licht.
Würden Sie mich damit zu einem FCB-Match ins Joggeli-Stadion begleiten?
Wenn Basel gegen Luzern spielt, dann gerne.
Auch wenn der FCL deutlich hinter dem FCB liegt?
Ich sage immer: Abgerechnet wird am Ende der Saison. Fussball ist mir wichtig. Ich bin ja auch Innenverteidiger beim FC Nationalrat.
Zurück zur Politik. Als CVPlerin kämpfe ich seit Jahren für die Abschaffung der Heiratsstrafe. Mein Mann und ich haben beide immer 100 Prozent gearbeitet. Dennoch bekommen wir dereinst nicht zwei volle AHV-Beiträge, sondern nur eineinhalb Renten. Das ist nicht fair! Warum unterstützt uns die FDP nicht?
Wir wollen die Heiratsstrafe auch abschaffen. Aber blicken wir kurz zurück: 2016 hat das Volk die Heiratsstraf-Initiative Ihrer Partei abgelehnt. Dann kam aus, dass der Bundesrat vor der Abstimmung mit falschen Zahlen operiert hatte, worauf das Bundesgericht die Abstimmung annullierte. Das finde ich richtig. Nun braucht es eine detaillierte Auslegeordnung des Bundesrates; wir müssen zum Beispiel auch die gleichgeschlechtlichen Paare miteinbeziehen.
Aber genau das hat der Bundesrat kürzlich mit einer Vorlage gemacht. Doch die FDP wies diese zurück. Warum?
Weil wir wollen, dass der Bundesrat nochmals andere Modelle prüft. Die FDP war stets für eine Individualbesteuerung. Das bedeutet: Jede Person füllt eine eigene Steuererklärung aus. Das wäre auch für Alleinstehende wie mich gerecht. Aber ich stimme Ihnen zu: Wir müssen endlich vorwärtsmachen.
Das gilt auch in der Klimafrage. Sie sind schon länger bekannt als Politiker, der sich für das Klima
einsetzt – im Gegensatz zu Ihrer Partei, die sich erst vor den Wahlen ein grünes Mäntelchen übergezogen hat. Wie konnten Sie die FDP auf Kurs bringen?
Sie trauen mir aber viel zu (lacht). Nicht ich habe die FDP auf Grün getrimmt, daran haben viele gearbeitet. Meine Partei war ja nie gegen Klimapolitik. Aber was stimmt: Wir diskutieren das Thema breiter als früher.
Elisabeth Schneider-Schneiter, 55, ist Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission. Die Basler CVP-Politikerin ist seit 2010 im Nationalrat.
Sie fordern unter anderem Lenkungsabgaben auf Treibstoffe. Goutiert Ihre liberale Wählerschaft das?
Es kommt immer darauf an, wofür das Geld gebraucht wird. Ich möchte vor allem Fortschritt und Innovationen im Inland fördern. So könnte die ETH etwa einen synthetischen Treibstoff entwickeln, der CO2-neutral ist. Wenn das eingenommene Geld mehrheitlich der Bevölkerung zugutekommt, sind Lenkungsabgaben ein sehr liberales Instrument.
Ihr «Müller-Mobil» ist ja nicht gerade klimafreundlich …
Weil ich Autos eben nicht verbieten will, das wäre unrealistisch. Lieber kompensiere ich die Fahrten mit Einzahlungen bei Myclimate.
Damian Müller, 34, ist seit 2015 Ständerat – als jüngstes Mitglied. Der PR-Fachmann arbeitet Teilzeit bei der Versicherung Swiss Life und lebt in Hitzkirch LU.
Die CVP hat eine Online-Kampagne gestartet, mit der wir uns nicht nur Freunde machten. Können Sie der Aktion etwas Positives abgewinnen?
Ich war ja selbst betroffen. Auf Google erschien zuoberst ein Link zu einer Seite, auf der die CVP die Haltung meiner Partei kritisierte. In meinem Fall ist das absurd: Als Ständerat konnte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht über das CO2-Gesetz befinden. Aber zurück zu Ihrer Frage: Die Kampagne ist neu – das
ist positiv. Aber ich frage mich: Kann sie in einem Land funktionieren, in dem die Parteien so eng zusammenarbeiten?
Ich habe Verständnis für den Ärger der Politikerinnen und Politiker, die direkt angegriffen wurden.
Die persönlichen Angriffe kenne ich natürlich auch sonst. Ich bekomme immer wieder anonyme Briefe, Mails und Nachrichten über Social Media. Zum Teil schreiben Menschen ungeheuerliche Dinge, die sie mir unter vier Augen nie sagen würden. Im Internet fallen die Hemmungen.
Das kenne ich. Kürzlich postete ich einen solchen Brief auf Twitter. Damit die Leute sehen, was wir alles ertragen müssen. Die Reaktionen reichten von Entsetzen bis «die will doch bloss Bedauern ernten».
Mit Hassmails kann ich gut umgehen. Aber für mich ist eine Grenze erreicht, wenn mein Umfeld mit reingezogen wird. Wenn einer droht, er wisse, wer aus meiner Familie wann über den Fussgängerstreifen gehe – das ist ein No-Go! Aber es gibt natürlich auch Schutzmechanismen, zum Beispiel nicht alleine an einen Anlass gehen.
Ich versuche, meine Kinder möglichst abzuschirmen. Als Frau ist man in der Politik deutlich exponierter.
Das stimmt, mit sexistischen Reaktionen haben wir Männer weniger zu kämpfen.
Dafür habe ich auch schon Heiratsanträge bekommen.
Da schweigt des Sängers Höflichkeit (lacht).
Sie werden von den Medien immer wieder gefragt, ob Sie Bundesratsambitionen haben …
Das ist für mich wirklich kein Thema!
Trotzdem hoffe ich, dass der Müller weiterhin mahlt im Bundeshaus und die Schneider weiterhin flickt.
In der SI-Wahlstafette interviewt eine Partei die nächste. Und die darf in der folgenden Woche die Fragen an eine weitere Partei stellen. So geht das bis zu den Wahlen.