Büne Huber, am
21. Juli kommt es
am Moon&Stars
auf der Piazza Grande in Locarno zum Gipfeltreffen der grössten Schweizer Songpoeten: Patent Ochsner und Stephan Eicher. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Ich wurde vom Moon&Stars angefragt, wie man den Konzertabend in Locarno so gestal
ten könne, dass er ein bisschen aus dem Festivalkonzept hervorsticht. Da habe ich sofort an Stephan Eicher gedacht. Nicht zuletzt aus einem Gefühl der Dankbarkeit, weil wir ihm einen Teil unserer Patent-Ochsner-Karriere verdanken.
Warum?
Als im Oktober 1991 unser erstes Album «Schlachtplatte» erschien, schrieb Stephan Eicher mir einen sehr persönlichen Brief. Darin sagte er, dass er bei unserer Musik ein Gefühl von Heimat verspüre. Als er im Hotel Hess seine Platte «Engelberg» aufnahm, besuchte ich ihn. Danach lud er mich ein, bei seinen Schweizer Konzerten mit ihm zusammen die Lieder «Scharlachrot» und «Bälpmoos» zu singen. Das war ein Boost für unsere junge Karriere.
Was bedeutet Stephan Eicher Ihnen als Musiker?
Er ist ein Künstler, dessen Schaffen ich sehr, sehr bewundere.
Ich nehme ihn als einen suchenden, feinen, kreativen, fantasievollen Menschen wahr. Das zieht mich an. Er hat mein Schaffen geprägt wie kein anderer in der Schweiz.
Auch Sie gelten als sanfter Poet.
Sie sind aber auch bekannt dafür, die Dinge beim Namen zu nennen. Wie passt das zusammen?
Ich bin bemüht, mich wie ein Engelein zu benehmen. Aber ich gebe auch dem Teufel sein Recht auf Entfaltung. Das ist auch eine Form von seelischer Hygiene.
Sie sind jetzt 57. Zeit, die Welt etwas versöhnlicher zu sehen? Oder im Gegenteil kritischer?
Ich stelle fest, dass ich im Allgemeinen etwas milder oder sarkastischer werde. Dinge, die mich früher zornig machten, bringen mich nun oftmals eher zum Lachen.
Sie sind in den vergangenen vier Jahren noch zweimal Vater geworden. Geplant, oder hat sich das so ergeben?
Das war ganz schlicht und einfach – und mutig geplant.
Ihre erste Tochter, Hannah, ist jetzt 22 Jahre alt und bereits Mutter. Wie fühlen Sie sich denn so als Grossvater?
Es mag sonderbar klingen, aber das Enkelkind hat mein Leben abgerundet. Es fühlt sich an wie ein Nachhausekommen.
Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus, wenn Sie «Kinderdienst» haben?
Ich tu genau die Dinge, die alle anderen Hausfrauen und Hausmänner auch tun. Kochen, waschen, putzen, bügeln, mit den Kindern spielen etc. Ich mach nicht alles gleich gerne und
auch nicht alles gleich gut. Und
es sieht kein verdammtes bisschen nach Rock ’n’ Roll aus. Aber manchmal fühlt es sich trotzdem so an.
Wie haben die Kinder «Cut Up», das neue Album von Patent Ochsner, beeinflusst?
Ich habe eine neue Arbeitsweise suchen müssen. Das war am Anfang nicht einfach. Wo ich früher tage- und nächtelang gearbeitet und getüftelt habe, bleibt mir heute nicht mehr so viel Zeit. Aber es tut mir gut, fokussierter und konzentrierter zu arbeiten. Gedankliche Arbeit kann man ja auch beim Abwasch leisten.
«Ich geb dem Teufel sein Recht auf Entfaltung. Das ist seelische Hygiene»
Wollen Sie mit Ihrer Musik etwas bewegen – die Welt für Ihre Kinder zum Besseren verändern?
Ich möchte nur, dass die Leute zur Musik tanzen und singen.
Was sind Themen, die Ihnen Sorgen bereiten, wenn Sie die Schweiz, die Welt betrachten?
Ich glaube, wir sollten darauf achten, dass wir uns nicht zu sehr
voneinander abkapseln und isolieren. Das gilt fürs kleine, überschaubare System, aber auch für ein grösseres, globaleres.
Die Musik holt Sie nun wieder auf die Bühne zurück. Wird Ihre Familie Sie auf Tour oder zu Festivals wie Moon&Stars begleiten?
Meine Göttergattin wird mich in Locarno begleiten. Die Knirpse sind für diese Art von Rummel noch ein bisschen zu klein. Der Bub – er ist jetzt drei Jahre alt –
ist zwar damit nicht ganz einverstanden, aber ich habe ihm versprochen, dass er auf Tour jeweils zum Soundcheck mitkommen darf.
Am Moon&Stars treten Sie im Umfeld von Weltstars wie Jason Derulo, Christina Aguilera, Jamiroquai, Liam Gallagher und Emeli Sandé auf. Wie fühlt sich das für Sie an?
Früher bin ich vor Ehrfurcht erstarrt und dachte: Gegen die stinken wir grausam ab. Inzwischen wissen wir aber, dass viele Leute uns mindestens genauso geil finden. Trotzdem: Vor jedem Konzert sterbe ich vor Nervosität.
Wie unterscheiden sich Patent Ochsner von solchen internationalen Mega-Acts?
Bei uns ist alles viel familiärer.
Für die Aufnahmen für unser
neues Album konnten wir uns
in Bern in einem ehemaligen Waisenhaus einmieten. Dort gab es auch eine riesige Küche mit einem grossen Tisch. Ich habe
fast immer gekocht, und am Abend kamen alle, die Lust hatten, zum Znacht. Das ist typisch für uns: Wir trennen das Essen nie von der Musik. Das verbindet wie in einer Familie.
Im «Logbuch» auf patentochsner.ch steht, dass das neue Album einem Blumenstrauss gleicht und dass «Korinthenkackerei notwendig ist, um ein schönes Album zu machen». Was meinen Sie damit?
Wenn man heute ein Album macht, muss man unglaublich präzise und sorgfältig sein – so, wie ich
es gar nicht bin. Zum Glück habe ich Leute um mich herum, die
genau das draufhaben. Im Gegenzug mache ich Dinge, die sie nicht machen können oder wollen.
Also müssen wir keine Angst haben, dass Patent Ochsner auf ihre alten Tage noch zu Bünzlis werden?
Das hat nichts mit Bünzlitum
zu tun. Der Korinthenkacker ist letztendlich der Wichtigste in unserer Band, weil er Dinge auf den Punkt bringt. Denn Patent Ochsner sind eine extrem heterogene Truppe – da passt eigentlich keiner zum anderen. Aber genau darin liegt unsere Chance. Vielleicht ist das auch ein Modell für unser Land oder unsere Gesellschaft: Wenn wir es schaffen, mit verschiedensten Kräften und unterschiedlichen Ansätzen an einem Strick zu ziehen, kommen wir gemeinsam weiter.
Patent Ochsner und Stephan Eicher treten am Sonntag, 21. Juli 2019, am Moon&Stars in Locarno auf. Das Festival auf der Piazza Grande dauert vom 11. bis 21. Juli.