Carlo Janka, Wengen war immer Ihr Lieblingsort. Was fühlen Sie heute, wenn Sie hier ankommen?
Es bleibt einfach speziell. Die Kulisse ist einmalig, es macht Spass, hier Rennen zu fahren.
2010 kamen Sie mit drei Saisonsiegen her und gewannen auch die Abfahrt am Lauberhorn. Was sehen Sie für einen Carlo Janka, wenn Sie an jene Saison zurückdenken?
Einen unbekümmerten. Die gesundheitlichen Probleme hatten zwar damals schon begonnen: Wegen eines Virus konnte ich den ganzen Sommer davor nicht trainieren. Restlos alle Zahnräder haben also auch dort nicht gegriffen, aber zumindest genügend, dass es fast, ohne zu überlegen, von einem guten Rennen zum nächsten ging. Mit Sicherheit stimmte so viel wie nachher nie mehr.
Wie viel ist von diesem Janka noch übrig?
Der Skifahrer. Das Kernelement. Von dem bin ich heute noch überzeugt, sonst wäre ich nicht mehr hier. Die anderen Rädchen drumherum sind schwierig geblieben, und es sind neue dazugekommen. Die Unbekümmertheit verliert man sicher auch mit dem Alter, das ist klar.
Was würden Sie rückblickend anders machen?
Eigentlich nichts. Alles angemessen zu geniessen, war sicher nicht einfach, da es Schlag auf Schlag ging. Andererseits war es auch schön, so konnte ich mich auf das konzentrieren, wofür ich hier bin. Ich wusste von Anfang an, wie ich die Saison einschätzen muss und dass es nicht immer so weitergehen kann.
Was würden Sie einem jungen Athleten raten, der ebenso früh vorne mitfährt, einem Marco Odermatt zum Beispiel?
Bei sich selbst zu bleiben und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Das ist heute noch schwieriger mit dem Internet. Damals gabs vielleicht knapp Facebook, aber heute gibts so viele soziale Kanäle, die gut, aber eben auch schlecht sein können. Da musst du eine coole Socke bleiben. Um Marco mache ich mir keine Sorgen.
Was ist heute Ihr Hauptproblem?
Der Rücken und dass ich energietechnisch nicht das habe, was es bräuchte, um eine Saison durchzufahren. Auf Strecken wie Bormio etwa, die extrem physisch sind, fehlt es dann einfach. Weil ich bei der Grundlage und im Kraftbereich zu wenig machen kann. Letztes Jahr habe ich versucht, so viel wie möglich wieder aufzuholen. Aber dann gehts nicht lange, und der Rücken beginnt wieder zu schmerzen.
Wie schaffen Sie es mit dieser Ausgangslage, motiviert zu bleiben?
Unterschiedlich. Ich weiss, dass es in Bormio schwieriger, in Lake Louise aber einfacher ist als hier. Wenn ich im Hinterkopf habe, dass es in Bormio extrem schwierig wird, bremst mich das irgendwo. Ich versuche, es auszublenden, aber das ist nicht einfach.
«Carlo ist die Ehrlichkeit in Person, das schätze ich an ihm. Die Leidenschaft und Konsequenz, mit der er den Skisport seit so vielen Jahren betreibt, beeindrucken mich ebenso wie seine Coolness. Als Zimmergenosse ist er ruhig, wir haben es aber durchaus auch lustig.»
Mauro Caviezel, Skifahrer-Kollege
Sie sagen, Ihr Körper sei nicht für solche Belastungen geschaffen. Kennen Sie sich mittlerweile so gut aus wie ein Medizinstudent?
Auf jeden Fall viel besser als auch schon (lacht). Es ist sehr interessant. Ich habe mich umgeschaut, was es noch alles gibt. Was mir weiterhelfen könnte. Und dann probiert. Das ist das Positivste an all den Schwierigkeiten. Dass ich dort einen anderen Blick gekriegt habe. Dass nicht immer alles so ist, wie die Ärzte sagen. Dass man nicht alles einfach glaubt.
Wie sieht Ihr Rücken-Spezialprogramm aus?
Ich gehe noch regelmässig zu Manualtherapeut Rolf Fischer, sonst kannst du da während der Saison nicht viel machen. Im Frühling probiere ich dann wieder das eine oder andere aus, vor allem mit der Ernährung. Mal schauen, was noch zusammenhängt.
Wie meinen Sie das?
Ich habe das Gefühl, der Darm ist für vieles verantwortlich. Das ist halt eine Problemstelle bei mir. Letztes Jahr habe ich einen radikalen Kur-Block gemacht im Frühling. Ich habe sechs Wochen lang fast nur Grünes gegessen. Das hat kurzfristig auf jeden Fall etwas gebracht. Im Training aber nimmts wieder ab, weil ich da viel essen muss. Und schon kommen die Rückenprobleme wieder. Deshalb vermute ich, dass es einen Zusammenhang haben könnte.
Kamen Sie je an den Punkt, an dem Sie ans Aufhören dachten?
Auf gar keinen Fall. Wenn körperlich wieder etwas war, ging die Motivation zwar kurzfristig zurück. Aber dann habe ich weitergesucht. Mit der Zeit habe ich das sogar als Chance gesehen.
Welches war rückblickend die härteste Zeit?
Jene mit den Herzrhythmusstörungen. Im Winter 2010/11 fuhr ich völlig ausgelaugt die Hänge runter, ohne zu wissen, was los ist. Das war unheimlich und zu einem gewissen Grad auch gefährlich, weil die Chance gross war, zu stürzen und mich schwer zu verletzen. Bei gewissen Rennen ging es nur noch darum, auf den Ski zu bleiben.
Andererseits sind Sie seit vier Monaten glücklicher Vater. Wie haben Sie sich als Mensch neu kennengelernt?
Es verändert vor allem den Blickwinkel. Bisher war immer der Sport die Nummer eins, nun ist das die Familie. Wenns nicht gut läuft, komme ich heim und habe eine ganz andere Welt, in welcher der Sport weit weg ist. Das ist etwas sehr Schönes. Aber es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Auswirkung dies auf den Sport hat. Didier Défago zum Beispiel wurde als Vater viel lockerer, weil er noch andere Dinge im Kopf hatte. Und was die Risikobereitschaft auf der Piste betrifft: Natürlich ist da irgendwo der Eindruck, dass man noch Verantwortung hat für ein Baby. Am Start selbst hindert mich das aber nicht. Ich freue mich einfach mehr, wenn ich meine Tochter wiedersehe. Und weiss, was nach der Karriere auf mich wartet. Es ist eher eine neue Gelassenheit.
Was für ein Vater wollen Sie sein für Ellie?
Sicher ein liebevoller, der alles ermöglicht und unterstützt, was sie machen möchte. Wichtig ist mir auch, sie Selbstverantwortung zu lehren. Dass sie für das, was sie macht, auch verantwortlich ist.
Was sehen Sie, wenn Sie in die Zukunft blicken?
Die Olympischen Spiele 2022 in Peking sind sicher ein Eckpunkt. Es kann aber auch noch weitergehen. Gewisse Parameter müssen stimmen. Dass ich sehe, zumindest in gewissen Rennen, noch mit den Besten mithalten zu können. Dann muss der Körper auf einem gewissen Level mitspielen, aber da erwarte ich keine grossen Sprünge mehr im letzten Teil meiner Karriere. Es muss mir noch Spass machen, und der Familie muss es gut gehen zu Hause.