Am Donnerstag ist es zwei Monate her, seit Skistar Carlo Janka, 33, sein vorerst letztes Rennen bestritten hat. Mit einem Podestplatz in der Abfahrt von Kvitfjell beendete er nicht nur seine Saison, sondern auch den Weltcup-Winter der Ski-Familie, welcher später nicht mehr weitergeführt werden konnte.
Dass vor zwei Monaten noch Ski gefahren wurde, ist heute kaum mehr vorstellbar – nicht nur wegen des warmen Frühlingswetters. Seit dem 16. März steht in der Schweiz das öffentliche Leben grösstenteils still. Mit dem sogenannten Lockdown ging die Schliessung von Geschäften, Sportbetrieben, Kulturstätten, Restaurants, Bars und Schulen einher.
Der Lockdown hatte auch für Sportlerinnen und Sportler einschneidende Folgen: Auch sie waren plötzlich gezwungen, innezuhalten – darunter Carlo Janka. Dieser aber steht den Einschränkungen kritisch gegenüber. «Wie mit der Krise umgegangen wird: Überall bin ich da nicht einverstanden», erklärt er in einem Gespräch mit SRF. «Die Situation jetzt hat viele Aspekte, bei denen ich sage: Die sind schon nicht so ideal, die hätte ich vielleicht anders gelöst.»
Man müsse die Dinge aber so hinnehmen, wie sie seien, weil «man sie nicht ändern kann», sagt Janka weiter. «Das sind andere Leute, die das entscheiden.» Für die, die darunter leiden würden, tue es ihm «halt leid».
Der Olympiasieger kritisiert die Art, wie man mit dem Thema umgegangen ist. «Es hat andere Möglichkeiten und Länder gegeben, die anders damit umgegangen sind, wo es auch nicht viel schlechter oder je nachdem sogar besser rausgekommen ist», erklärt er. Und fügt an, dass dort die Kollateralschäden viel weniger gross gewesen seien.
Die Rückfrage von Interviewer Lukas Studer, 43, ob er konkret nach Schweden schiele, bejaht Janka. Es habe «genug Experten» auf dem Virusgebiet gehabt, die «sich da auch einig sind, denen haben wir vielleicht ein bisschen zu wenig Beachtung geschenkt».
Während das öffentliche Leben in unseren Breitengraden grossflächig lahmgelegt wurde, geht das von Janka angesprochene Schweden einen eigenen Weg. So blieben sowohl Schulen als auch Restaurants und Cafés durchgehend offen. Stattdessen wurde an die Freiwilligkeit der Bürger appelliert – und auf diese gesetzt. Die hohe Sterberate des skandinavischen Staats sorgte für Zweifel an der Strategie von Staatsepidemiologe Anders Tegnell, wie «Merkur.de» berichtet. So sei die Sterberate Ende April rund dreimal so hoch gewesen wie etwa in Deutschland.
Trotz des liberalen Weges konnte die Ausbreitung der Pandemie verlangsamt werden. Im Gespräch mit dem schwedischen Sender SVT bestätigte Tegnell am Montag, dass die Reproduktionszahl seit einigen Tagen unter 1,0 liege. Ein mit dem Coronavirus infizierter Schwede steckt durchschnittlich also weniger als einen anderen Schweden an.
Die Anzahl Neuinfektionen in der Schweiz ist am Montag derweil zum zweiten Mal in Folge seit dem Lockdown unter 100 geblieben, wie aus den Zahlen des Bundesamts für Gesundheit hervorgeht.
Seit vergangenem September sind Janka und seine Freundin Jenny Eltern der kleinen Ellie. Mitunter ein Grund, der den elffachen Weltcup-Sieger am eingeschlagenen Weg der Schweiz aus der Corona-Krise zweifeln lässt. Er spreche als Vater, Sportler und Sohn von Restaurantbetreibenden. «Für alle drei Perspektiven käme es auf dasselbe raus.» Den Gastrobereich treffe es aber extrem.
Ein Bergrestaurant, wie es Familie Janka in Obersaxen betreibt, befinde sich in der Zwischensaison, fährt Janka fort. «Aber viele, denke ich, um die es sonst schon nicht so gut gestanden ist und die es jetzt extrem trifft, für die bricht jetzt schon eine Welt zusammen», so der Bündner nachdenklich. «Und für die tut es einem schon ein bisschen leid.»
Für Janka ist klar, dass er einen weniger rigorosen Weg aus der Krise gewählt hätte – einen, wie ihn eben Schweden geht. «Es wäre interessant zu wissen, wie es rausgekommen wäre, wenn man es so gemacht hätte. Das werden wir nun nie erfahren.»