Zurück im Dorf, als Jenny, Ellie und Carlo Janka den 20-minütigen Spaziergang vom Lauberhorn-Zielraum nach Wengen unter die Füsse nehmen. Nur ab und zu unterbrochen von einem Selfie mit Fans, verlässt der 35-jährige Janka zum letzten Mal seinen Lieblingsort der Skikarriere, hinein in ein neues Leben. Wehmut? «Nein, ist gar nicht aufgekommen.» Angst vor dem Loch nach dem Karriereende? «Nein, da haben wir ja mit der Familienplanung vorgesorgt», witzelt der Bündner nochmals in seiner trockenen Art zum Abschied – seine Frau bringt im Frühling das zweite Kind zur Welt.
«Der Kopf war nicht mehr bereit für das ganz grosse Risiko»
Da ist jemand im Reinen mit seiner Karriere, auch wenn ihn der Körper schlussendlich zum Schritt zwang. Es war ein ewiges Thema in seinem Sportlerdasein, und in den vergangenen Jahren nun waren es nicht viele, sondern zu viele Störfaktoren gewesen, die ihn an einem vernünftigen Training hinderten. Und ja, auch die Prioritätenverschiebung hin zur Familie, die grosse Liebe, Heirat, Hausbau, Kinder. «Der Kopf war nicht mehr bereit für das ganz grosse Risiko. Und der Körper sowieso nicht.»
Was war das für ein wilder Ritt des ruhigen «Iceman» auf die Gipfel und in die Abgründe einer Sportkarriere. Weltmeister, Olympiasieger, der erste Schweizer nach 18 Jahren, der wieder den Gesamtweltcup gewinnen konnte! Eine Traumsaison 2009/2010, in der ihm einfach alles gelang, Siege in vier Disziplinen, Prognosen, dass er den Weltcup über Jahre dominieren könnte. Aber eben auch die Rückenprobleme, Herzrhythmusstörungen, Schwierigkeiten mit neuem Material, ein Kreuzbandriss, Magenprobleme. Einmal verlor er in einem Riesenslalom-Lauf 7,81 Sekunden auf seinen ewigen Konkurrenten Ted Ligety.
Mamas Restaurant bleibt ausnahmsweise geschlossen
Ein grosser Redner war Janka nie, aber er wirkte immer etwa gleich, ob im Erfolg oder in schwierigen Phasen: ehrlich und in So-ist-es-nun-mal-Manier. Als er 2012 keine Ahnung hat, weshalb es nicht läuft, sagt er: «Früher konnte ich es mir auch nicht erklären, weshalb ich so schnell war.» Manchmal gibt er zu, dass es in ihm drin etwas anders aussieht, aber er bleibt der Coole, den nichts aus der Ruhe bringt.
An seinem letzten Rennen am Lauberhorn ist er am emotionalsten, als er im Ziel auf einem Monitor nachguckt, wie seine Familie den Lauf mitverfolgt hat. «Speziell war es», sagt seine Frau Jenny, «auch irgendwie traurig.» Sogar Mutter Ursula ist an diesem Tag im Berner Oberland. Kaum eine Handvoll seiner 287 Rennen im Weltcup hat sie vor Ort mitverfolgt; zur Feier des Tages bleibt ihr Restaurant Stai in Obersaxen GR aber ausnahmsweise zwei Tage lang geschlossen.
Was nun kommt, ist noch offen. Jankas Erfahrungen aus der Sportkarriere könnten nun aber zu seinem nächsten beruflichen Ziel werden. Und zwar nicht jene auf der Piste, sondern die schwierigen. So viele Jahre hat er sich intensiv mit seinem Körper auseinandergesetzt, hat bei vielen Problemen nicht nur den gängigsten Weg gesucht, sondern sich auf Alternativen eingelassen. «Das ist ein Bereich, der mich interessieren würde, in welcher Form auch immer», sagt er und spricht von Naturheilkunde. «Andere Menschen weiterzubringen, fände ich schön.»
Bei Jenny ist er angekommen
Pressant hat er es aber nicht. Zuerst mal diesen ganzen Lebensabschnitt verdauen, solange er Zeit dafür hat. Mit dem zweiten Kind nach Töchterchen Ellie, 2½, wird es den Jankas bestimmt nicht langweilig in den kommenden Monaten. Auf diese Familienzeit freut er sich – bei Jenny ist er angekommen. «Meine Frau ist eine wunderbare Person mit einem grossen Herzen. Wir haben eine sehr starke Verbindung – auch zu Natur und Bergen», sagte er anlässlich der kirchlichen Hochzeit im August 2021. Sogar die kleine Ellie wandere schon gern. Nur die eisigen Pisten – die sind für den Iceman ab sofort passé.