Der kleine Sandstrand im Süden der griechischen Insel Kreta ist menschenleer bis auf ein Paar, das auf einem Stück Treibgut sitzt, die Füsse im warmen Sand. Auch wenn sie nicht allein wären, hätten sie nur Augen füreinander. Und Ohren für das Rauschen des Meeres in ihrem Rücken.
Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand (Blaise Pascal)
Seit drei Jahren sind Chris von Rohr und Patricia Linder ein Paar. Sie hat ihn erstmals am TV gesehen, als Juror der Castingshow «MusicStar». Damals ist sie in der Lehre. Er ist 52. Heute, fast 20 Jahre später, ist es die grosse Liebe. Sie wollen sie zeigen. «Wir haben nichts zu verstecken», sagt Chris (71). «Ich bin wirklich sehr happy und erfüllt in dieser Beziehung», sagt Patricia (36). Das erste Treffen findet 2015 statt, bei einer Lesung von Chris von Rohrs Buch «Götterfunken». Sie lässt sich das Buch signieren, er schreibt seine Handynummer rein. Sie findets doof, schreibt ihm nach dem Lesen trotz-dem ein Whatsapp: «Cooles Buch.» Das erste Date geht gründlich schief. Er findet sie bünzlig, sie kann nichts mit ihm und seiner Art anfangen. Ende der Geschichte. Für den Moment.
Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse (Friedrich Nietzsche)
Barfuss geht Chris von Rohr über die Terrasse seines kretischen Refugiums, das er seit zehn Jahren mietet. Die Bise weht den Duft des Meeres herbei, lässt die bunten Tücher im Hippie-Stil leicht flattern. Ebenso die Piratenflagge in der Ecke. Die Umgebung weiss: Hier wohnt der Rock-’n’-Roll-Pirat. Fünf Jahre ziehen ins Land nach dem «abverheiten» Date von Patricia und Chris. Seine Musik mag sie immer noch. Sie besucht das vermeintlich letzte Krokus-Konzert im Zürcher Hallenstadion – ohne Chris vorher zu kontaktieren. Danach nimmt sich die Marketingfachfrau eine berufliche Auszeit und geht auf Asienreise. Im Gepäck: von Rohrs soeben erschienene Biografie, der Bestseller «Himmel, Hölle, Rock ’n’ Roll». Sie ist beeindruckt davon, gibt ihm per Whatsapp immer wieder Feedback. Und löst damit in Solothurn ultimative Verwirrung aus: «Erstens war ich erstaunt, dass diese wohlerzogene Frau allein durch Asien reist. Und zweitens fragte ich mich, was sie denn plötzlich von mir möchte.»
Bei einem zweiten Treffen brauchts 30 Minuten, und für Chris ist klar: «Meine Bestellung ans Universum ist angekommen!» Auch Patricia hats «total düregschüttlet». Aber ihr Kopf sagt: «Das geht doch nicht. Der Altersunterschied. Seine Prominenz. Und dann diese Energie – kann ich damit umgehen?» Sie wills versuchen. In ihrem Umfeld «geht ein Raunen dürs Sääli». Nicht nur weil er im Alter ihrer Eltern ist. «Jeder und jede hatte schon eine Meinung zu ihm. Niemand konnte ihn unbefangen kennenlernen.» Auch Chris von Rohrs Tochter Jewel (22) ist anfangs skeptisch. Sie hat die Frauen im Leben ihres Vaters kommen und gehen sehen. Plötzlich ist da eine, die ganz anders ist als alle davor. Daran muss sie sich erst gewöhnen.
Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich (Hermann Hesse)
Patricia schnappt sich den Schlüssel des kleinen Mietwagens und tritt auf die Terrasse. «Ich fahre mehr so in der Mitte der Strasse. Es ist gescheiter, wenn sie am Steuer sitzt», meint Chris. Sie grinst. Auch sonst hat Patricia den «Kreta-Test» längst bestanden. Hier an der Südküste, fernab vom gängigen Tourismus, gibts nicht viel Ablenkung. «Hier ‹macht› man nicht, man ‹ist› einfach», sagt von Rohr. «Wenn man das nicht nur gemeinsam aushält, sondern geniesst, dann passts.»
«Mit Chris zusammen zu sein, ist ein Lebensgefühl», sagt Patricia Linder. «Mit ihm kann ich das Leben in allen Facetten voll geniessen, frei sein. Das hat mir in meinen früheren Beziehungen stets gefehlt.» Ihr Lachen haue ihn jeden Tag um, sagt Chris von Rohr. «Dazu liebt sie meinen ganzen Regenbogen, nicht nur eine Farbe darin.» Ja, sie mag seinen sprichwörtlichen «Dräck», aber auch den Schalk und die sensible Seite. «Gerade unser Humor verbindet uns und macht das Alltagsleben leicht», sagt sie. Er liebt es, mit ihr über alles reden zu können. Aber auch mal zusammen zu schweigen und sich trotzdem wohlzufühlen. «Ja, Patricia ist die Frau meines Lebens.»
Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern (Coco Chanel)
Auf dem Terrassenboden sitzend, schaut Chris konzentriert das Bild an, das er soeben fertig gemalt hat («Ich verschmelze Farben und male am liebsten Bananen»). Drei Minuten lang. Dann springt er auf wie ein junger Hund. Patricia lacht. «Oft habe ich den Eindruck, ich sei 35 Jahre älter als er, nicht umgekehrt. Seine Vorwärtspower ist ansteckend.» Natürlich macht sich das Paar Gedanken über den Altersunterschied. «Ich bin mir meiner Sterblichkeit bewusst», sagt Chris. «Wenn ich mich vor allen Eventualitäten schützen wollte, könnte ich nicht mehr aufstehen am Morgen», sagt Patricia.
Aber klar, sie weiss, dass die Gefahr, dass ihr Partner zum Beispiel früher stirbt, wesentlich höher ist als bei einem jüngeren Mann. «Aber auch gleiches Alter garantiert keine funktionierende Beziehung. Sonst hätten wir nicht so viele Scheidungen.» Umso mehr leben die beiden im Moment, zerbrechen sich nicht den Kopf über morgen. Die wichtigen Dinge sind besprochen. Etwa das Thema Ehe. Beide waren noch nie verheiratet – und sehen zurzeit auch keinen Grund. «Jedem das Seine», sagt er. «Wenn wir das Gefühl bekämen, dass es für uns stimmt, würden wirs tun.» Kinder? «Da ist bei mir noch alles offen», sagt sie zwar, fügt aber an: «Aktuell ist es kein Thema. Ich bin mit mir im Reinen. Mir fehlt nichts.»
Die Liebe ist das einzige Märchen, das mit keinem «Es war einmal» beginnt, aber schliesst (Hans Lohberger)
Wenn die Sonne wie ein blutroter Feuerball in der Ägäis versinkt, ist das zwar etwas kitschig für einen Rocker, der Zeilen textet wie «She’s rockin’ me and I’m rollin’ her». Der den Sprachgebrauch (inklusive eigenem Wikipedia-Eintrag) eines ganzen Landes mit dem Schrei nach «meh Dräck» prägt. «Aber Chris hat eben auch diese andere, feine, romantische Seite», so Patricia. «Man spürt sie, wenn er Klavier spielt. Oder in den Balladen, die er für Gotthard geschrieben hat.»
Und für Märchen ist man nie zu hart. Oder zu alt. Auch wenn sie manchmal kitschig sind. Es war einmal ein über alle Massen erfolgreicher Schweizer. Er machte als Musiker internationale Karriere, als Autor und TV-Persönlichkeit nationale. Die grosse Liebe fand er nicht. «Vielleicht hatte ich sonst so viel Glück, dass mir das halt nicht ver- gönnt ist», dachte Chris von Rohr. Trotzdem gab er eine Bestellung beim Universum auf: eine Partnerschaft, bei der einfach alles stimmt. Und dann war sie plötzlich da, wo er sie am wenigsten vermutet hätte. Einfach so. Denn «Liebe sucht nicht. Liebe fragt nicht. Liebe wird nicht. Liebe ist» (Nena).