Schweissgebadet ist Schwingerkönig Christian Stucki am Morgen aufgewacht. «Ich war wahnsinnig nervös, stand unter Erfolgsdruck», sagt der 36-jährige Böse aus Lyss BE. 652 Tage ists her, dass Stucki Ende August 2019 seinen Königstitel holte. Jetzt darf er endlich wieder an einem Wettkampf antreten, vor 500 Zuschauerinnen und Zuschauern am Aargauer Kantonalen in Lenzburg – damals in Zug waren es 56 500. «Eine Erlösung für Schwinger und Publikum!»
Als Pilotprojekt für Grossveranstaltungen hat die Aargauer Gesundheitsbehörde den Hosenlupf bewilligt. Aufs Festgelände darf nur, wer gegen Corona geimpft, wer negativ getestet oder genesen ist. Und für alle ausser für Wettkämpfer und Kampfrichter in den vier Ringen gilt: Maske tragen! Auch Stucki gehört zu den Schwingern, die vor Ort einen Schnelltest machen müssen. Sich in den vergangenen Monaten fürs Training zu motivieren, sei nicht immer leicht gewesen. «Ich habe das schöne Leben kennengelernt, am Sonntag ausgeschlafen, meine Buben genossen.»
Im Sägemehl ist Stucki das altbekannte Bollwerk. Erst bodigt er Lokalmatador Nick Alpiger mit einem satten Kurz, dann den 160 Kilo schweren Tiago Vieira. «Ich bin überrascht, wie gut es mir läuft und wie wohl ich mich im Ring schon wieder fühle», sagt er nach drei Gängen. In letzter Zeit plagten ihn «Bresteli» im Rücken. Wochenlang trainierte er im improvisierten Kraftraum daheim in der Garage, sein Athletik- Coach schickte ihm Übungsvideos.
Nach der Mittagspause sitzt auch Ehefrau Cécile, 40, im Publikum. «Den Anfang des Wettkampfs schaute ich daheim online, ich liess unsere Buben ausschlafen.» Fünf Gänge, fünf Siege gegen Eidgenossen – es ist eine souveräne Rückkehr ihres Mannes. Im Schlussgang gegen Alpiger reicht Chrigu ein Gestellter zum Tagessieg. Der Siegerpreis ist Bärbeli, ein schottisches Hochlandrind.
Seinen Schwung will König Stucki mitnehmen: Am 3. Juli tritt er am Seeländischen Schwingfest in Täuffelen BE an – vor leeren Zuschauerrängen. Sein Saisonziel ist das Kilchberger Schwinget am 25. September. «Ich bin sehr zufrieden», sagt er, als er in Lenzburg seine Sachen packt. «Hoffen wir, dass es bald wieder mehr Schwingfeste gibt – mit mehr Publikum!»