Sie ist eine ruhige Person, im Alterszentrum Park in Frauenfeld TG lebt sie zurückgezogen. Auch jetzt sitzt Hildegard Küng still da, ernst und verschlossen. Doch als Clownin Sissi mit ihrer kleinen Gitarre «Es Buurebüebli» anstimmt, huscht ein Lächeln über das Gesicht der 86-Jährigen, zögerlich beginnt sie mitzusingen. Nach der letzten Strophe setzt sich Sissi an ihre Seite. «Als ich klein war, haben wir das zu Hause oft gesungen», sagt die Seniorin, dann schaut sie gwundrig die rote Clownnase an. Sissi schmunzelt, macht einen Jux: «Auch mein Vater hat eine rote Nase gehabt.» Hildegard Küng beginnt zu lachen, eine Freudenträne rollt ihr über die Backe.
Acht Clown-Besuche gibts im Alterszentrum Park pro Jahr. Die Künstler kommen von der Stiftung Lebensfreude. Diese macht schweizweit humor- und respektvolle Besuche bei Menschen, die an Demenz leiden, die betagt, krank oder körperlich und geistig beeinträchtigt sind. Gegründet wurde die Stiftung von Christine Lienhard (53) Frau von Musiker und Bandleader Pepe Lienhard (77).
Fans von Pepe
An diesem Nachmittag sind auch Christine und Pepe ins Altersheim gekommen, die beiden wohnen in Frauenfeld in einem umgebauten Bauernhaus. Zehn Pensionärinnen und Pensionäre sitzen im Aufenthaltsraum, die Clowninnen Liz Monteleone (66) (Künstlerinnenname Sissi), und Greta Thurnherr (55) (Elsi), singen mit ihnen «Mir Senne heis luschtig». Füsse wippen, Oberkörper schaukeln mit.
«Ist das nicht Pepe Lienhard?», raunt es, als der Musiker hereinkommt. «Doch, doch», sagt Pepe, er begrüsst alle mit Handschlag. Jolanda Derungs kann ihr Glück nicht fassen: «Pepe Lienhard! Dass ich das noch erleben darf!» Sie, die älteste Person im Alterszentrum, lässt Pepes Hand fast nicht mehr los: «Ich bin 107, wie alt sind Sie?» – «77.» – «Das ist ja noch jung. Wie schön, sind Sie zu uns gekommen!» Sitznachbarin Ursula Meier (78) ist ebenfalls ganz aus dem Häuschen.
«Ich bin ein grosser Fan von Ihnen», sagt sie zu Lienhard. Leider sei sie noch nie an einem Konzert von ihm gewesen. Am 7. Dezember ist es so weit! «Und das erst noch an meinem Geburtstag! Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden!»
«Das feiern wir schon heute!», ruft Clownin Elsi und bläst Seifenblasen in die Luft. Eine wird immer grösser – alle staunen. Sissi hat Zaubertalent:
Sie fasst nach einer kleinen Seifen-blase – dann lässt sie aus ihrer Hand goldene Konfetti regnen, die Senioren klatschen. «Kommt bald wieder!», ruft Jolanda Derungs beim Abschied, eine demente Frau stammelt «Danke».
Ausgebildete Künstler
2011 arbeitete Christine Lienhard als ausgebildete Kommunikationsfachfrau bei der Stiftung Theodora, die bis heute Clown-Besuche bei kranken Kindern organisiert. «Immer wieder bekamen wir aber auch Anfragen aus Altersheimen.» Also initiierte sie damals den Verein Lebensfreude. Heute absolvieren 16 Lebensfreude-Clowns 700 Besuche im Jahr in mehr als 60 Institutionen in der Deutschschweiz. Sie sind einfühlsam, authentisch, hören aufmerksam zu, erzählen Gschichtli, tanzen, streicheln eine Hand. Alle verfügen über eine Clown-Ausbildung, zudem organisiert die Stiftung regelmässig Weiterbildungen durch Fachleute, etwa zum Thema Demenz. Christine Lienhard: «Gut zwei Drittel der Kosten für die Besuche finanziert die Stiftung. Sie ist auf Spenden angewiesen.»
«Diese Arbeit ist für uns eine grosse emotionale Bereicherung»
Clownin Sissi
«Das Leben nicht nur mit Tagen füllen, sondern die Tage mit Leben» lautet das Motto der Stiftung. «Wir bieten farbige, erfrischende Emotionen. Jeder Besuch ist individuell, soll wärmender Sonnenstrahl sein.» Ihre Künstler respektieren die Würde der Bewohnenden, sie nehmen diese ernst. Sissi: «Für uns ist es eine grosse emotionale Bereicherung.» Pepe Lienhard ist tief beeindruckt von der Arbeit der Lebensfreude-Clowns. Er unterstützt die Stiftung, wo er kann. So verzichtet er auf eine Gage für die Produktion seiner neuen CD und für das erste Konzert seiner Weihnachtstournee – dieses Geld wie auch der Erlös aus dem Eröffnungskonzert kommen Christines Stiftung zugute.
«Pepe’s Big Band Christmas» heisst die CD mit Weihnachtsmusik – an vier Konzerten vom 7. bis 10. Dezember in Frauenfeld, Bern, Zürich und Boswil AG (www.pepe-lienhard.ch) geben Pepe und seine Big Band die Songs sowie Swing-Klassiker zum Besten. «Die Dankbarkeit der Menschen, die von den Clowns besucht werden, ist der grösste Lohn», sagt Lienhard. «Uns bescheren sie jeden Tag neue Lebensfreude.»
«Ich bin stolz auf Christine. Ich unterstütze ihre Stiftung, wo ich kann»
Big-Band-Leader Pepe Lienhard