Mountain View, Kalifornien: Auf dem von Drachenschuppen inspirierten Dach von Googles neustem Bürokomplex glitzern die Solarpanels in der Sonne. Claude Zellweger (53) fährt auf einem der bunten Campusvelos vor. Hier zeigt der Senior Director of Industrial Design stolz die jüngste Kollektion der Pixel-Smartphones. Denn der aus Meggen am Vierwaldstättersee stammende Schweizer ist nicht nur zuständig dafür, dass die Google-Produkte gut aussehen, sondern auch dafür, dass sie sich nachhaltig weiterentwickeln.
«Die Leute sollen die Geräte länger behalten können. Deshalb müssen sie besser gebaut und auch reparierbar sein», erklärt er. Sein Team entwirft auch das Innere des Handydesigns sowie die komplett plastikfreie Verpackung. Farbe, Form, Funktion – das alles läuft bei ihm zusammen. Gestresst wirkt er deshalb nicht. Bei Google dürfe man auf der Suche nach Neuem auch mal Fehler machen.
Grosses Thema ist auch hier KI und der Vorantrieb des Smartphones zum persönlichen Assistenten: «Wir werden dank KI immer unabhängiger von den Bildschirmen werden und direkter mit unseren Geräten kommunizieren», blickt Zellweger in die Zukunft.
Der Luzerner möchte nämlich sel-ber auch nicht dauernd aufs Handy schauen. Kommt er nach Hause, legt er es in einen Korb in der Küche, und seine 15-jährigen Zwillingssöhne Robin und Elio lernen auch in der Schule «Digitale Hygiene», also was einen sauberen Onlineauftritt ausmacht.
Kein TV, kaum Social Media: Renée und Claude Zellweger sowie ihre Zwillinge Robin (l.) und Elio sind zu Hause «low-tech» unterwegs.
Jonas MohrNach der Schule hats gefunkt
Die Zellwegers leben in einem viktorianischen Haus in Lower Haight, einem eleganten Distrikt von San Francisco. Claude und seine Frau Renée, 55, haben das vierstöckige Schmuckstück, den Heimatschutzauflagen folgend, sanft renoviert. «Es war nicht das, was ich mir ursprünglich vorstellte», so Claude, dessen Vorliebe für moderne Architektur im Wochenendhaus in Stinson Beach nördlich der Stadt repräsentiert ist. «Aber im Zentrum gibt es wenige moderne Häuser. Dieses gefiel uns und hatte einen guten Flow, um als Familie hineinwachsen zu können.»
Der Mittelpunkt für Familienaktivitäten ist der Tisch im Wohnzimmer: Hier wird gezeichnet, Hausaufgaben gemacht und gegessen. «Die gemeinsamen Mahlzeiten werden nun etwas schwieriger, weil die Jungs neu in der Highschool sind und das erste Mal in zwei verschiedene Schulen gehen», sagt Renée Zellweger, die eine kleine Galerie führt. Für die Kalifornierin ist der Familienname ein praktischer Konversationsstarter. «Ich lasse jeweils Renée die Restaurantreservation machen», sagt Claude lachend. «Aber ich sage immer sofort, dass ich nicht die Schauspielerin bin», stellt Renée schmunzelnd klar.
Das viktorianische Haus liegt an der viel genutzten Veloroute The Wiggle, die mit der geringsten Höhenmeterdifferenz durch die hügelige Stadt verläuft.
Jonas MohrZeichnet immer noch selber
Claude Zellweger ist ein durchtrainierter Läufer. Fast täglich rennt er sechs Meilen. Er bestreitet auch Schweizer Bergläufe. Sport und Zeichnen sind schon als Kind seine Leidenschaft. Mit Designs für Windsurfsegel und Snowboardbindungen bewirbt er sich erfolgreich am amerikanischen Art College in La Tour-de-Peilz VD. Dann wechselt er ins kalifornische Mutterhaus der Designschule nach Pasadena, wo er Renée kennenlernt. «Ich war im oberen Stock bei den Produktdesignern, sie im Untergeschoss bei den Fotografinnen», erinnert sich Claude, den Arm liebevoll um seine Frau legend. «Aber wir kamen erst zusammen, als wir beide die Schule schon abgeschlossen hatten.» – «Ich bezirzte ihn dann mit meiner Sammlung alter Autos», so Renée augenzwinkernd.
Wie manche ihrer Schulgspänli zogen die beiden nach San Francisco, weil es im boomenden Silicon Valley viele interessante Designjobs gab. Claude gründete eine eigene Firma, die er schliesslich an den taiwanesischen Handyhersteller HTC verkaufte. Google wollte in der Domäne Smartphone und VR vorwärtskommen und bot ihm vor sieben Jahren an, ein eigenes Team aufzubauen: «Ich gab die Unabhängigkeit auf, weil ich wusste, dass Google die Mittel und das tiefgründige Wissen hatte, wirklich innovative Produkte zu bauen.» Er hat es nicht bereut. «Ich halte nur noch etwa bei zehn Prozent meiner Arbeit den Designstift selber in der Hand – aber darauf bestehe ich, weil ich gern zeichne und damit mein Team sieht, dass ich noch genauso leidenschaftlich bin wie früher.»
Der Designer im Campus-Google-Store: «Manchmal lausche ich inkognito, wie die jüngsten Produkte angepriesen werden und ankommen.»
Jonas MohrZukunft in der Schweiz möglich
Robin kommt mit seinem Wellensittich Kiwi die Treppe runtergerannt. Er möchte später Meeresbiologe werden. Ein Familienhund ist seit Jahren in Verhandlung. «Oder kann ich bitte eine Bartagame haben?» Schon der Gesichtsausdruck der Eltern macht klar: Vorläufig wird es bei den beiden bereits vorhandenen Vögeln bleiben.
Die Zwillinge, die vor der Highschool eine Waldorfschule besuchten, haben unterschiedliche Interessen. «Mich fasziniert Architektur und das technische Design», so Elio, der bereits einen Computer gebaut hat. Robin ist der kreative Maler und hatte schon eine Ausstellung. Zum Ausgleich geht er mit dem Vater fischen. Die ganze Familie ist sehr naturverbunden, und wie die USA mit der Umwelt künftig umgehen wird, macht ihnen Sorgen. «Immerhin leben wir in Kalifornien mit einer guten Führung diesbezüglich», so Claude Zellweger, der sich bewusst ist, dass KI ebenfalls zum Energieproblem beiträgt. Auch hier denkt er positiv: «KI-Modelle werden effizienter werden. Einige grosse Firmen streben zudem Energieneutralität an und puschen entsprechend Alternativenergien. Bei Google gibt es eine grosse Abteilung, die sich nur damit beschäftigt.»
Musik verschiedenster Stilrichtungen inspirieren Claude: Jamsessions mit Sohn Elio sind keine Seltenheit.
Jonas MohrSommerferien in den Schweizer Bergen
Die Schweiz bleibt ein Back-up für die Zellwegers. Alle vier könnten sich vorstellen, irgendwann mal dort zu leben. Sie verbringen jeweils die Sommerferien mit Claudes Eltern, Geschwistern und deren Kindern – oft in den Bergen. Gemäss Robin und Elio gibt es da den besten Ovo-Brotaufstrich. Die Uni ist noch weit weg, aber die Jungs haben sich schon mal die EPFL, die École polytechnique fédérale de Lausanne, angesehen. Claude, dessen Mutter aus Lausanne stammt, ist bilingue und hat seinen Kindern Französisch als «Vatersprache» mitgegeben.
An den hohen Feiertagen gibt es bei Zellwegers ein Fondue – ein international geprägtes, würziges, das Renée über die Jahre entwickelt hat. Seine Familie wäre für den Swiss Lifestyle also gewappnet. Fehlen würden wohl nur die in San Francisco weitverbreiteten fahrerlosen Taxis: Die finden die Kids nämlich sehr cool.