«I’m okay», sagt Daniel Humm auf die Frage, wie es ihm gehe, als wir ihn am Telefon erreichen. Der 44-jährige Starkoch ist gerade in einem Uber-Taxi in New York unterwegs. Meistens fahre er aber mit dem Velo, das sei sicherer. Manhattan sei ein trauriger Ort geworden, vor jedem Spital sehe man die Kühllastwagen für die Aufbewahrung der Toten, die als Folge der Ansteckung mit dem Coronavirus gestorben sind.
Die lebendige Gastronomie wurde von der Pandemie-Krise mit New York als Epizentrum hart getroffen. 2017 war das «Eleven Madison Park» von Daniel Humm die Nummer eins auf der Liste der 50 besten Restaurants der Welt, nun musste es von einem Tag auf den andern schliessen. «Noch am Abend zuvor haben wir 110 Menüs serviert», sagt Humm.
Kurzarbeit wie in der Schweiz mit teilweise vom Staat garantierten Löhnen kennt man in den USA nicht. Darum stehen jetzt Tausende von Restaurantmitarbeitern auf der Strasse. «Eine andere Möglichkeit gibt es für Gastronomiebetriebe nicht. Wir bezahlen enorme Mietzinsen, und allein die Lohnsumme für unsere Mitarbeiter beträgt 600'000 Dollar im Monat», erklärt Humm. Ein Restaurant ohne Einnahmen könne so nicht lange überleben.
Humm sammelt deshalb Geld für seine Leute und versteigert sich unter anderem selbst: Für 50'000 Dollar kocht der Schweizer nach Ende der Krise ein exklusives privates Dinner. Noch vor Kurzem sagte der Aargauer in einem grossen Interview mit der Schweizer Illustrierten, er habe keine Angst, alles zu verlieren.
Die Gefahr ist real geworden. «Ich weiss nicht, ob es das ‹Eleven Madison Park› im Herbst noch gibt», sagt er heute. Schon jetzt existiert es nicht mehr in der bekannten Form. Statt New York Cheese Cake mit Kaviar oder Humms weltbekannte gebratene Ente mit Honig und Lavendel werden nun Mahlzeiten für bedürftige New Yorker und Hilfskräfte gekocht.
In kürzester Zeit hat Humm mithilfe von Geldgebern wie American Express oder Resy aus der Glamour- eine Gassenküche gemacht. In kleinen Teams, die genügend Abstand zueinander halten, werden im besten Restaurant der Welt Mahlzeiten für Arme zubereitet: geschmorte Rinderbacken mit Reis und Broccoli oder Pouletschenkel mit Couscous und gerösteten Karotten.
«In der Krise zeigt sich, wer wir wirklich sind», sagt Humm. Dass Hundertausende nichts mehr zu essen bekommen, sei für ihn als Koch schwer auszuhalten gewesen. In den «Soup Kitchen» bekommen fast eine halbe Million New Yorker, die es sich sonst nicht leisten können, gekochte Mahlzeiten. Wegen der Pandemie sind die Suppenküchen geschlossen.
Daniel Humm bleibt selbst in der grössten Krise seiner Karriere optimistisch: «Ich hatte diese Idee, fünf Tage später war sie umgesetzt, und in den nächsten Wochen werden wir 100'000 Mahlzeiten zubereiten. Das gibt mir Zuversicht, auch wenn ich nicht weiss, was die Zukunft bringt. Aber uns fällt schon was ein», sagt der Schweizer Koch, dessen Weltkarriere in diesen Tagen eine weitere, unerwartete Wendung genommen hat.