Ein paar Dosen Bitter Lemon, ein Kübel Glace, der Kühlschrank fast leer. Genauso karg ist das Airbnb-Apartment in West L. A. eingerichtet: ein Sofa, ein Tisch mit Stuhl, ein Gestell mit ein paar Büchern. Aber das ist Danitsa, 24, nur recht: «Mehr Platz für meinen Album-Plan!», ruft sie und kritzelt das Wort «Dankbarkeit» auf eine Papierbahn an der Wand. Darauf hält sie Themen für ihr neues Album fest. Dieses steht unter dem Motto «Vitamin D»: D wie das Vitamin aus der Sonne. Und D wie Danitsa: Dank Schweizer Fördergeldern wurde ihr Traum wahr. «Aber wo nur bleibt die kalifornische Sonne?»
Die Sängerin schaut übers Keyboard zum Fenster, draussen ists seit Tagen grau in grau. Frisch, kraftvoll, stark und vor allem positiv ist die Musik von Shanna Danitsa Nurkic, wie die Swiss-Music-Award-Gewinnerin in der Sparte «Best Act Romandie» mit vollem Namen heisst. Darum ist sie nach L. A. gekommen. Und es soll mehr von Shanna zeigen als ihr Debütalbum «Ego». «Danitsa hat vor nichts Angst, Shanna aber schon», erklärt sie den Hauptunterschied zwischen ihren beiden Persönlichkeiten. Shanna hat beispielsweise Angst vor dem Fliegen. Sie fährt auch nicht Auto und ist in Los Angeles nur mit Uber oder dem Velo unterwegs.
Damit sie sich hier zu Hause fühlt, hat sie ihren 18-jährigen Bruder Thomas nach Los Angeles mitgenommen: «Wir sind immer zusammen», so Danitsa, die noch eine 14-jährige Schwester hat. «In der Wohnung, auf der Bühne, im Ausgang. Er ist meine Infoquelle. Er weiss, was bei den Jungen im Trend ist. Ich dagegen bin die grosse Schwester, die grantig wird, wenn er das Zimmer nicht aufräumt.» Abends networkt das Geschwister-Duo in Hip-Hop- und R&B-Klubs: «Hier Freunde zu finden, hat lange gedauert.»
Danitsa war 14, als sie von Paris nach Genf zog. Ihre Mutter, mit Wurzeln im Tschad und Kongo, hatte einen Job bei den Vereinten Nationen. Der Vater blieb in Paris: «Ich weiss nicht, ob sich meine Eltern noch lieben, aber sie sind beste Freunde, und wir gehen immer noch zusammen in die Ferien», erzählt Danitsa. Mit dem Vater, einem Toningenieur serbisch-spanischer Abstammung, nahm sie als Zehnjährige den ersten Song auf. Mit ihm teilt sie die Leidenschaft für Reggae und Jamaika, was ihren Sound deutlich beeinflusst. Die Deutschschweiz ist für sie fast fremder als die Karibik-Insel.
Doch jetzt schlägt sie zwischen den Landesteilen eine Brücke. Nicht nur als Musikerin. Ihr Freund Yoni lebt nämlich in Zürich: «Das Erste, was ich am Morgen mache, ist ein Videochat mit meinem Schatz.» Die beiden haben sich vor drei Jahren bei einem Firmenausflug kennengelernt – damals jobbten beide beim Outfitter Snipes: «Als wir in Zürich in den gleichen Bus stiegen, wusste ich: Den werde ich heiraten!» In der Warteschlange zur Toilette sprach sie ihn an. Seither sind sie zusammen, bald wird Yoni sie in Los Angeles besuchen. Die Zukunft hat sie sich auch schon ausgemalt: «In drei Jahren möchte ich das erste von drei Kindern, und die Hochzeit soll an einem Strand in Italien stattfinden.»
Nun aber will sie in Los Angeles ihre Karriere vorantreiben: Dazu nimmt sie Stimmunterricht bei Dave Stroud, der Justin Bieber und Michael Jackson zu seinen Klienten zählte. Und an den Songs feilt sie mit dem in Zürich aufgewachsenen Amerikaner Miles Singleton und der New Yorkerin Dahlia Elliott. Im August präsentiert sie die ersten Songs in L. A. Und vielleicht winkt ja schon bald ein Plattenvertrag mit einem grossen Record-Label...