Einige Wolken ziehen auf an diesem Sommernachmittag. Doch das hindert niemanden daran, in und auf dem Davosersee Ruhe, Abkühlung oder eine sportliche Challenge zu suchen: Familien tummeln sich auf Pedalos, eine Gruppe von Jugendlichen versucht sich im Windsurfen, einige Stand-up-Paddler auf dem Board. Mittendrin: Langlauf-Olympiasieger Dario Cologna, 35, und seine Frau Laura, 31, die auf dem Ruderboot übers glitzernde Wasser gleiten und zwischen seinem Krafttraining und ihrer Arbeit als Immobilienbewirtschafterin ein paar freie Stunden in der Natur geniessen. «Zusammen zu rudern, ist jedoch gar nicht so einfach», sagt Dario Cologna und lacht. «Aber ich finde, wir machen das gar nicht schlecht», erwidert Laura.
Das erste Ehejahr «wie im Flug» vergangen
Die beiden sind ein eingespieltes Team – und das seit Jahren und in allen Lebenslagen. Im Ausgang in Davos lernten sie sich vor mehr als einem Jahrzehnt kennen, wenig später lieben. Die Davoserin unterstützt den Münstertaler seit Jahren auch an wichtigen Langlaufrennen vor Ort. Sie ist etwa hautnah dabei und weint mit ihm, als er in Südkorea vor dreieinhalb Jahren zum vierten Mal Olympiagold gewinnt. Er ist 2012 nach dem Tod ihres Vaters, HCD-Goalie-Legende Richi Bucher, eine wichtige Stütze für sie. Vergangenes Jahr im Lockdown üben die beiden per Videotutorial den Hochzeitstanz, am 1. August krönen sie auf den Brissago-Inseln im Tessin mit einer Traumhochzeit ihre Liebe. Das erste Ehejahr sei wie im Flug vergangen, sagt Dario Cologna, und Laura ergänzt: «Wir schauen uns immer wieder Bilder an und denken an das wunderschöne Fest zurück. Es ist schön, dass wir Mann und Frau sind und uns gegenseitig so vorstellen können.»
«Wir sind überglücklich. Für uns war immer klar, dass wir zusammen eine Familie gründen möchten»
Dario Cologna
Nun rudern Dario und Laura Cologna gemeinsam in Richtung eines neuen Lebensabschnitts: Im Oktober werden sie erstmals Eltern – eines Sohnes. «Wir sind überglücklich. Für uns war immer klar, dass wir zusammen eine Familie gründen möchten», sagt Dario. «Nun sind wir sehr gespannt, das kleine ‹Poppi› bald kennenzulernen», sagt Laura, welche, abgesehen von anfänglicher Appetitlosigkeit, eine problemlose Schwangerschaft erlebt. Seit Ende Januar wissen die beiden vom baldigen Familienzuwachs. «Wir haben gesagt: Wenns klappt, dann ists gut so», sagt Laura, «auch wenn wir natürlich seine Saison schon im Hinterkopf haben.»
Der Glaube an eine weitere Olympiamedaille ist da
Sie spricht es an: Für Langläufer Cologna steht nicht nur privat, sondern auch sportlich eine wichtige und wegweisende Zeit an. Bereits in einem halben Jahr, im Februar 2022, beginnen in Peking seine vierten – und letzten, wie er versichert – Olympischen Spiele. Beweisen muss er als Goldgewinner von Vancouver, Sotschi und Pyeongchang und als erfolgreichster Schweizer Olympionike – zusammen mit Skispringer Simon Ammann – niemandem mehr etwas. Dennoch will Cologna nochmals voll angreifen. «Ich weiss zwar, dass ich mit 35 Jahren nicht mehr der Jüngste bin – und meine stärksten Konkurrenten etwa zehn Jahre jünger sind», sagt Cologna, dem es vergangene Saison nicht wunschgemäss lief. «Doch ich glaube fest daran, dass ich nochmals eine Olympiamedaille gewinnen kann, wenn alles zusammenpasst.»
Der Spitzensportler hat bereits mehrfach gezeigt, dass er auf den Punkt bereit sein kann, wenns zählt. Er hat schon in der Vergangenheit Jahre mit Verletzungen, sieglose Saisons und Enttäuschungen erlebt – um dann im wichtigsten Moment wieder ganz oben zu stehen.
Im aktuellen Sommertraining setzt Cologna mehrheitlich auf Bewährtes. Dafür geht er in der Loipe neue Wege: Künftig vertraut er nicht mehr wie in den vergangenen 15 Jahren den Ski der Marke Fischer, sondern ist mit Material von Atomic unterwegs. «Ich erhoffe mir damit neue Impulse und sehe in diesem Wechsel auch eine neue Motivation, eine neue Chance.»
Cologna kann Sport und Privates gut trennen
Typisch Cologna ist er auch die Ruhe selbst, wenn er von diesem riskanten Unterfangen spricht. Er ist nicht nur geübt darin, Niederlagen schnell abzuhaken, sondern auch gut darin, in jeder Situation das Positive zu sehen. Und das nicht nur als Fassade gegen aussen: «Dario kann da den Sport und Privates sehr gut trennen. Er ist zu Hause eigentlich immer locker und entspannt – auch wenns sportlich mal nicht so gut läuft», sagt Laura. Eine gute Voraussetzung für die kommende turbulente Zeit.
«Ich glaube fest daran, dass ich nochmals eine Olympiamedaille gewinnen kann, wenn alles zusammenpasst»
Dario Cologna
Colognas fühlen sich seit Jahren in Davos heimisch. Wegen der idealen Trainingsbedingungen für Dario – das Langlaufzentrum ist gar nach ihm benannt – und weil die Region ihnen auch sonst alles bietet. «Es ist der ideale Mix: die Ruhe der Natur und doch viele Freizeitmöglichkeiten, Restaurants und Läden», sagt Laura. Und die Wohnung, in der sie seit Jahren leben, ist auch für eine Familie gross genug. «Da hätte es noch Platz für ein paar weitere Kinder», sagt er und schmunzelt. Die beiden sind nicht nur voller Vorfreude, sondern auch schon gut vorbereitet auf das Baby. Das Kinderzim mer ist eingerichtet, und auch für die Betreuung während des Winters, wenn Dario oft an Rennen im Ausland weilt, ist gesorgt. Laura kann ihren Mutterschaftsurlaub bis nach Ende der Langlaufsaison verlängern, zudem haben ihre Mutter, die Schwiegereltern sowie auch viele Freunde bereits ihre Hilfe angeboten. «Wir haben alles geplant und organisiert, was geht. Besonders, weil ja noch viel Unerwartetes auf uns zukommen wird als Neu-Eltern», sagt Laura. Ihr Mann lacht und ergänzt: «Klar wird es streng werden. Aber emotional kann es uns ja auch einen Energieschub geben.»
Er sagts, springt einen Köpfler und taucht ein in den eiskalten Davosersee. Wie schon bald in ein neues Lebenskapitel.