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Stuntfrau Petra Sprecher

Die Baslerin springt für Hollywood-Stars in die Bresche

Wirds gefährlich, springt sie ein: Petra Sprecher ist seit zwei Jahrzehnten Stuntfrau in Hollywood und trat schon in Filmen mit Tom Cruise und Charlize Theron auf. Nun will die Baslerin auch als Schau­spielerin durchstarten.

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Petra Sprecher, Stuntfrau, L.A. (c) Jonas Mohr

Ob im Zirkus, am Filmset oder zu Hause in Hollywood auf dem Dach: «Ich wollte immer hoch hinaus», sagt Stuntfrau Petra Sprecher.

Jonas Mohr

Es ist Samstagmorgen, und Petra Sprecher drischt auf ihren Trainer ein. Fabien Garcia choreografiert und probt mit der Stuntfrau Kampfsequenzen, sodass sie vor der Kamera cool aussehen. Die Baslerin schwitzt und schimpft vor sich hin. Ob sie zu viel fluche, will sie am Schluss wissen. «Sicher zu viel für eine Frau!», beantwortet sie ihre Frage lachend gleich selbst. Zu viel dies, zu viel das – Frauen in Männerberufen hören das oft. «Das Stunt-Business ist sehr hierarchisch aufgebaut», erklärt sie später in ihrem Guest-House in Hollywood. «Mein Boss ist nicht der Regisseur, sondern der Stunt-Coordinator. Davon gibt es viele in Hollywood, aber weibliche kann man an einer Hand abzählen.» Bewegungen wie #MeToo und #Times Up hätten nichts daran geändert.

Petra Sprecher, Stuntfrau, L.A. (c) Jonas Mohr

Petra Sprecher mit Kampftrainer Fabien Garcia: «Neues lernen und Networking mit Stunt-Koordinatoren ist essenziell in diesem Job.»

Jonas Mohr

Petra Sprecher ist ständig in Bewegung und scheint unendliche Energiereserven zu haben. Ruhe findet sie in einem lokalen Hindutempel und zu Hause. Während der Pandemie hat die Single-Frau ihr Daheim entrümpelt und neu organisiert: «Ich bin nun bereit, die Gaben des Universums zu empfangen, seien es die Millionen für ein freies Leben mit Haus in Malibu und Chalet in der Schweiz, sei es ein leidenschaftlicher Boyfriend.» Sie strahlt. Bei Petra Sprecher bahnt sich ein Umbruch an: In den vergangenen beiden Dekaden trainierte sie mit Charlize Theron («Æon Flux»), flog mit Tom Cruise («Minority Report») durch einen Häuserblock, liess sich von Will Smith gegen eine Trailer-Wand katapultieren («Hancock») und stürzte für Mariah Carey über ein Treppengeländer («House»). Glamourös müsse man sich das nicht vorstellen. «Oft steht man viele Stunden wartend auf dem Set herum, bis um vier Uhr morgens endlich die Stunts drankommen.» Zu einem echten Austausch mit den Stars kommt es selten. So flog sie etwa in «Ad Astra» nicht mit Brad Pitt durchs All, sondern mit seinem Stuntman.

Petra Sprecher als Double mit Leona Lewis für ein Music Video ©HO

Petra Sprecher doubelte Leona Lewis im Musikvideo zum Song «Thunder».

ZVG

Die Freiheit, sich selbst und kreativ zu sein, fehlt Petra Sprecher aber inzwischen. Sie freut sich zwar, dass sie nach Abnützungsverletzungen und einer Hüftoperation endlich wieder voll trainieren kann, aber sie würde gern Figuren selber gestalten, statt für eine Schauspielerin die Treppe hinunter- oder durch eine Glasscheibe zu stürzen. Zweimal die Woche geht sie deshalb zum Schauspielunterricht von Glenn Morshower («24»). «Die Schauspielerei hat mich schon als Jugendliche interessiert, aber ich war noch nicht bereit dafür», erklärt die bald 50-Jährige, die aktuell auch im Stuntfrauen-Dokumentarfilm «Cascadeuses» zu sehen ist. «Körperliche Risiken sind kein Problem für mich, emotionale aber sind eine Herausforderung», sagt sie. «Als Stuntfrau darf man nicht zeigen, dass etwas wehtut. Es ist nicht einfach, umzudenken und den Gefühlen plötzlich freien Lauf zu lassen. Im Unterricht fühle ich mich deshalb nackter als im Bikini im Zirkus!»

Petra Sprecher, Stuntfrau, L.A. (c) Jonas Mohr

Die Baslerin besucht einen Hindutempel und meditiert zu Hause in ihrer Ruheoase: «Spiritualität ist mir wichtig», sagt Sprecher.

Jonas Mohr

Petra Sprechers Weg nach Hollywood führte tatsächlich durch die Manege: Als Kind ein Wildfang, findet sie im Kinderzirkus Basilisk ein Ventil für ihren Bewegungsdrang. Ihre Oma nennt sie Peter, weil sie nie ein «Röckli» trägt und mit ihrem kurzen Afro-Haarschnitt wie ein Junge aussieht. «Meine Mutter wusste nicht, was man mit Afro-Haaren macht», erinnert sich die Tochter einer Schweizerin und eines Nigerianers. Erst als sie mit elf Jahren eine Zirkusfreundin zu Verwandten nach Paris begleiten darf, entdeckt sie, wie schwarze Frauen auf sie spezialisierte Friseure besuchen. Einen solchen findet sie schliesslich auch in Kleinbasel. Ihre Suche nach dem biologischen Vater, der in der Schweiz studierte, aber nach der frühen Trennung von ihrer Mutter nicht mehr auffindbar war, bleibt indes erfolglos: «Ich würde ihn immer noch gern kennenlernen, aber es gibt keine Spur von ihm. Damit muss ich mich abfinden. Dafür hat Gott mir einen Stiefvater gegeben, der mich immer unterstützt hat.»

«Ich bin bereit, die Gaben des Universums zu empfangen – Millionen oder einen Boyfriend»

Ihr grosses Vorbild als Teenager ist Michael Jackson. An dessen Konzert im «Joggeli»-Stadion kämpft sie sich gar in die erste Reihe vor: «Da wusste ich: Ich bin im Publikum am falschen Ort. Ich gehöre auf die Bühne.» Die Schweiz ist Petra Sprecher, die mit zwei jüngeren Brüdern aufwuchs, immer zu klein. Sie wäre lieber in Paris gross geworden statt an der Endstation des 11er-Trams in Aesch BL.

Petra Sprecher, Stuntfrau, L.A. (c) Jonas Mohr

Grossstadt mit Wandermöglichkeit: «Fünfmal die Woche hike ich in den Hollywood Hills. Sie erinnern mich ans Tessin.»

Jonas Mohr

Doch das Ticket in die Welt hinaus lässt nicht lange auf sich warten: Ihre Abschlussarbeit an der Zürcher Theaterschule Comart ist eine Trapeznummer, und kurz darauf wird sie an der renommierten Zirkusschule L’École nationale de cirque in Montreal, der Talentschmiede für den Cirque du Soleil, aufgenommen. Mit einer Solo-Cloudswing-Nummer tourt Sprecher drei Jahre mit dem Cirque du Soleil durch die USA. Als sie einen Artikel über schwarze Stuntfrauen liest, weiss sie, was sie als Nächstes machen will. Zehnmal pro Woche die gleiche Nummer zu zeigen, ist ihr etwas verleidet, und ein Sprung ins Leere und der damit verbundene Schlag haben eine Einbuchtung an ihren Knöcheln hinterlassen.

Petra Sprecher, Stuntfrau, L.A. (c) Jonas Mohr

Petra Sprecher will künftig auch als Schauspielerin durchstarten: «Ich liebe es, mich zu verkleiden und zu performen.»

Jonas Mohr

«Manchmal bedauere ich es, dass ich damals die bevorstehende Europa-Tournee mit dem Cirque du Soleil sausen liess», gibt sie heute zu. «Eine Stuntfrau bettelt immer um den nächsten Job.» Als Solo-Akrobatin wäre sie langfristig finanziell besser abgesichert gewesen, aber das sei ihr damals nicht bewusst gewesen. Und überhaupt: «Ich lud meinen Head Shot ins Stunt-Player-Verzeichnis, und kurze Zeit später stand ich mit Tom Cruise am Filmset von Steven Spielberg. Was wollte ich noch mehr?!»

Von Marlène von Arx am 3. März 2023 - 16:45 Uhr