Zuerst dachte ich, es sei ein Witz!» Reinhold Friedrich erinnert sich noch genau an jenen Tag im Herbst des Jahres 2002, als sein Telefon klingelte und am anderen Ende kein Geringerer als Maestro Claudio Abbado persönlich sprach – einer der bedeutendsten Dirigenten der damaligen Zeit: «Willst du Solo-Trompeter in meinem neuen Orchester werden?» Friedrich, schon damals einer der besten Virtuosen auf dem Blechblasinstrument und Professor an der Musikhochschule Karlsruhe, sagte sofort zu. Was danach entstand, beschreibt der geistreiche Musiker so: «Ein grosses Liebespaar aus ganz vielen Teilen.»
Liebe zur Musik. Das ist die kürzeste Definition dessen, was die Musiker des Lucerne Festival Orchestra jedes Jahr zusammenführt. «Idealismus ist eine unserer wichtigsten Motivationen», sagt Raymond Curfs (55). Der Paukist stammt aus den Niederlanden und ist ebenfalls Gründungsmitglied des Lucerne Festival Orchestra. Auch er erhielt 2002 einen Anruf von Abbado – und opferte seine Sommerferien, um in Luzern mit dabei sein zu können. Die Konzerte mit Abbado bleiben ihm unvergessen: «Wir schafften es, jedes Mal noch besser zu werden», sagt Curfs. «Auch meine Erwartungen wurden immer wieder übertroffen.»
Grosses Liebespaar: Reinhold Friedrich, 64, ist weltweit gefragter Solist und Lehrer für Trompeten-Meisterkurse. Im Lucerne Festival Orchestra ist er Erster Solo-Trompeter. «Das gegenseitige Verständnis in diesem Orchester ist einzigartig.»
Geri Born
Musik ohne Grenzen: Raymond Curfs (55) ist ein Star unter den klassischen Paukisten, Hochschulprofessor und Gründungsmitglied des Lucerne Festival Orchestra. «Mich fasziniert an diesem Ensemble das grenzenlose Musizieren.»
Geri BornRespekt und Freundschaft
Das Lucerne Festival Orchestra ist anders als alle anderen Orchester der Welt. Zweimal im Jahr blüht es auf – für das Frühjahrs- und das Sommerfestival in Luzern, um danach kurz zu internationalen Gastspielen aufzubrechen. Das Lucerne Festival Orchestra wird dann zur Spielwiese für die besten Solistinnen und Solisten der klassischen Musik aus vielen verschiedenen Ländern. Sie kommen zusammen, um zu «musizieren unter Freunden». Ein Motto, das bereits im Jahr 1938 den legendären Dirigenten Arturo Toscanini dazu bewegte, in Luzern mit seinem «Eliteorchester» ein Zeichen gegen den faschistischen Zeitgeist zu setzen, womit er die Geschichte der Musikfestspiele begründete.
65 Jahre später, 2003, griffen es Claudio Abbado und Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival, wieder auf, um mit dem Lucerne Festival Orchestra einen einzigartigen Klangkörper für die Erarbeitung spektakulärer Klassik-Highlights zu schaffen – wie u. a. den umjubelten Mahler-Zyklus. «Dieses Orchester verblüfft», schrieb die «New York Times», «Musizierlust auf höchstem Niveau» die «Frankfurter Allgemeine Zeitung», «Entfesselte Kreativität» die «Neue Zürcher Zeitung». Viele Kritiker sind sich einig: Das Lucerne Festival Orchestra ist das beste Orchester der Welt!
Einzigartige Atmosphäre: Irina Simon-Renes (Violine), Massimo Polidori (Violoncello), Raphael Sachs (Viola) und Rick Stotijn (Kontrabass, v. r.) sind Solisten in berühmten Orchestern. «Beim LFO sind Atmosphäre und Niveau einzigartig.»
Geri Born
Das Wunder von Luzern: So wird das Lucerne Festival Orchestra in Klassikkreisen auch bezeichnet.
Geri BornDoch bei Lucerne Festival geht es nicht um Ranglisten. Der Geist von Respekt und Freundschaft prägt das Spitzenensemble. «Wir hören einander genau zu – wie in der Kammermusik, aber im Kontext eines grossen Orchesters», umschreibt Flötistin Chiara Tonelli (52) das Zusammenspiel im Lucerne Festival Orchestra. Die Tatsache, dass alle Mitglieder Solistinnen und Solisten auf höchstem internationalem Niveau sind, gibt ihnen die Freiheit, neue musikalische Dimensionen auszuloten. Dabei werden sie heute geleitet von Riccardo Chailly, ehemals Assistent von Abbado bei der Mailänder Scala und heute als ihr Direktor auch dort sein Nachfolger. Seit 2016 ist er der Chefdirigent des Lucerne Festival Orchestra – und führt seine grosse Tradition mit der mutigen Öffnung zur zeitgenössischen Musik in eine neue grosse Zukunft.