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Ted Scapa mit 92 Jahren verstorben

Das Gesamtkunstwerk sagt Adieu

Illustrator Ted Scapa bewahrte sich seine kindliche Naivität bis ins hohe Alter. Er starb 92-jährig im Pflegeheim in Bern. Berufliche Höhenflüge, aber auch tiefe Trauer prägten sein Leben. Mit schwungvollen Zeichnungen zauberte er uns allen ein Lächeln ins Gesicht.

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Ted Scapa in seiner Wohnung in Bern, 21.8.2018

Ein Ort voller Geschichte und Geschichten: Schloss Vallamand am malerischen Murtensee war Ted Scapas liebster Rückzugsort.

Kurt Reichenbach

Es Huus, e Türe, Feischter. Eis, zwei, da sinds. Chum ine, s ghört dine – es heisst Spielhuus.» Moderierte Ted Scapa in den 70er-Jahren den Schweizer TV-Hit «Spielhaus», wurde selbst das wildeste Kind ganz zahm und war vom Bildschirm nicht mehr wegzukriegen. Der Karikaturist mit dem ulkigen Akzent war nicht der fliegende Holländer, sondern der fröhliche Holländer.

Ted Scapa

Best Friends: Mit Jean Tinguely machte Scapa Bücher und Ausstellungen.

Blick

Geplant war, am 17. Januar 2024 den 93. Geburtstag zu feiern. Wie immer im Kreise der Familie, mit einer Zuger Kirschtorte. Es kam anders. Vergangene Woche schloss der Künstler in der Berner Altersresidenz Burgerspittel für immer seine Augen. Er wurde in einer Zweizimmerwohnung betreut. Keine Spur von Altersheim-Groove! Sie war bis in den letzten Winkel voller Erinnerungen. Hier eine Zeichnung mit einer Widmung von Marc Chagall. Dort ein Werk von Joan Miró. Mit Lilo Pulver (94) bildete er eine Schicksalsgemeinschaft. Die Schauspielerin («Uli der Knecht», «Die Buddenbrooks») war seine Nachbarin. Es wurde gelacht, gescherzt, gezeichnet.

Im Rahmen seiner Ausstellung im SMUV-Zentralsekretariat in Bern veranstaltet der Kuenstler und Cartoonist Ted Scapa am 30. November 1995 einen Zeichennachmittag mit Kindern.(KEYSTONE/Str)

«Hoi, ich bin de Ted!» Die TV-Sendung «Spielhaus» war Scapas Durchbruch.

Keystone

Scapa sass im Rollstuhl. Doch er stellte sich tapfer den Herausforderungen des Alters und des Alltags. «Letzten Sommer erkrankte mein Vater an Corona, was ihn körperlich sehr mitnahm und schwächte», sagt Tochter Tessa (57). Als Managerin war sie seine wichtigste Vertraute. «Es gab Tage, da fiel ihm das Sprechen schwer. Seine Sprache waren seine Bilder.» Spontane Gedankenfetzen beflügelten ihn. Seine schwungvollen Zeichnungen sind im Kunstmuseum Bern genauso vertreten wie im Chalet Muri oder im Schloss Wyl bei Bern. Dort ist Ted Scapas Lebenswerk permanent zu sehen. «Nicht zu viel denken, einfach mal machen» lautete seine Devise. Das Alltägliche war der Fundus, wo sich seine Fantasie entzündete. «Zeichnen ist die beste Therapie. Der Umgang mit Stift und Papier schenkt mir Glück. Selbst wenn die Rösti anbrennt, inspiriert mich das zu einem Cartoon.»

Scapa war ein Gesamtkunstwerk, eine nationale Ikone. Vor allem aber war er ein Mensch, der bei allen einen tiefen Eindruck hinterliess. Auf sympathische Art war er sogar ein wenig eitel. Das Haar hatte er lässig nach hinten gekämmt, das Seidenfoulard locker um den Hals gebunden. Die innere Welt war geprägt von Tiefgang. Er wusste um den Reichtum der Seele und die Unvollkommenheit des Augenblicks. Das Böse hatte in seinem Leben keinen Platz. Eduard Schaap kam 1931 in Amsterdam zur Welt. Die Familie übersteht fünf Jahre Nazi-Besatzung. «Meine Mutter sorgte dafür, dass wir selbst in schlimmsten Zeiten Zuckerrüben und ein Stück Brot auf dem Teller hatten.» Ted träumt von einer Karriere auf hoher See. Die holländische Marine lehnt ihn wegen einer Augenschwäche ab. 1945 wird der Vater als Diplomat an die Botschaft nach Bern versetzt. «Ich war unglaublich fasziniert von den Schneebergen, denn ich wuchs ja am Meer im Flachland auf», schwärmt Scapa später von der Schweiz.

Nach Reisen durch Afghanistan, Indien, Russland und Japan wird er als Grafiker und Kinderbuchautor sesshaft. Die Alpen sind nicht das Einzige, was ihn in der neuen Heimat zum Bleiben animiert. 1962 trifft er im Fechtclub Bern die begabte Keramikerin Meret Meyer-Benteli. Sie heiraten. Meret bringt einen Sohn mit in die Ehe. Sie bekommen zwei Töchter, vier tibetische Adoptivkinder (was in jener Zeit ziemlich exotisch ist) – und einen Buchverlag dazu.

Ted Scapa in seiner Wohnung in Bern, 21.8.2018

Ted Scapa trug keine Maske. Er war nahbar, liebenswert und mit einem Schalk beseelt, der auch Einstein gefallen hätte.

Kurt Reichenbach

Mit seinem unkonventionellen Buchprogramm katapultiert Tausendsassa Scapa den Benteli Verlag rasch an die Spitze. Sein Gespür für den Zeitgeist, der Kunst und Lifestyle als neue Lebensqualität definiert, kommt an. Franz Gertsch, Bernhard Luginbühl, César Keiser, Franz Hohler, Clay Regazzoni, Dimitri und viele mehr gehören zur bunten Scapa-Familie. Selbst mit den alt Bundesräten Willi Ritschard, Dölf Ogi und Elisabeth Kopp macht er Kooperationen. Menschen am Rande der Gesellschaft gehören zu seinen Lieblingen. Nur so wird möglich, dass Alfred A. Häsler sein Buch «Das Boot ist voll» über die helvetische Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg im Verlag publizieren kann.

Wer bei Ted und Meret Scapa auf Schloss Vallamand am Murtensee zu Gast ist, kommt sich vor wie auf einer Zeitreise durch die Epochen. Man steht vor chinesischen Terrakotta-Kriegern, bewundert Spitzenwerke von Tapiès, Kandinsky und Warhol. Die Stars der Szene geben sich die Klinke in die Hand. Freundschaften entstehen, die ein Leben überdauern. Das Anwesen hält lustige Geschichten bereit. Etwa Tessa Scapas erste Begegnung mit Eisenkünstler Jean Tinguely. Es klingelte. Vor der Tür steht ein Mann im schmutzigen Overall. In der Annahme, es sei ein verirrter Mechaniker, schlägt sie ihm kurzerhand die Tür vor der Nase zu. Die Anekdote ist Kult. Ted und Jean essen sonntags Gipfeli im Park und sprechen über Autos, Tinguelys Lieblingsthema. «Das letzte Bild vor seinem Tod malte Jeannot für mich», erinnerte sich Scapa mit leiser Schwermut in einem seiner letzten Gespräche.

Ted Scapa

Mit seiner Frau Meret, einer begabten Keramikerin, empfing Scapa auf Schloss Vallamand Künstlergrössen aus ganz Europa.

Kurt Reichenbach

Ja, der Tod. Er ist ein trauriges Kapitel in Ted Scapas Leben. «Es sind Dinge vorgefallen, auf die ich nicht vorbereitet war.» Seine ältere Tochter Ghita stirbt einen Tag nach der Geburt von Zwillingen. Der Schicksalsschlag lässt den lebensbejahenden Optimisten zweifeln, schier verzweifeln. Seine Frau Meret erleidet einen Zusammenbruch. Sie verletzt sich so schwer, dass sie im Paraplegiker-Zentrum Nottwil behandelt werden muss. 2016 stirbt sie an Krebs. Scapa: «Mit ihr ging auch ein Teil von mir.» Doch wer 92 Jahre alt wird, muss Abschied nehmen. Von Freunden, Weggefährten, seinen Liebsten.

Ted Scapa in seiner Wohnung in Bern, 21.8.2018 mit Tochter Tessa

Täglich brachte Scapa seine Gedanken zu Papier. Tochter Tessa war seine Seelenverwandte und wichtigste Stütze.

Kurt Reichenbach

Jedes Jahr gestaltete Ted Scapa einen humorvollen Kalender. Sein jüngstes Werk kann er nicht mehr persönlich signieren. Sein unverkennbarer Stil aber bleibt in den Herzen seiner Fangemeinde lebendig. «Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können», schrieb Dichter Jean Paul. Der Satz hätte Ted Scapa gefallen.

Von Caroline Micaela Hauger am 17. Dezember 2023 - 12:00 Uhr