«Es fällt mir immer noch schwer zu realisieren, was ich geschafft habe. Obwohl ich selbst eine Woche nach meiner Ankunft in Antigua nirgends hingehen kann, ohne dass mich die Leute erkennen. Überall heissts: Hey Gabi, how are you? Das freut mich natürlich. Ich wurde bereits in drei Schulen hier auf der Insel eingeladen, um den Kindern von meinem Abenteuer zu erzählen. Meine wichtigste Botschaft ist: Lasst euch von niemandem sagen, ihr könnt etwas nicht. Das kommt bei den Kids super an. Ich bin mir meiner Verantwortung durchaus bewusst und gebe meine Erfahrung gerne weiter.
Ich bin aber kein Roboter – das ist mir wichtig zu unterstreichen. Physisch merke ich die Auswirkungen meiner 74 Tage auf hoher See. Ich bin heiser, ein Zeichen meines Körpers, dass er Ruhe braucht. Ich war gestern bei einer Osteopathin. Sie arbeitet so, wie ich es in der Schweiz auch mache. Sie sagte zu mir, meine Batterien seien noch auf 15 Prozent.
Ich finde es schön, dass sich mein Körper jetzt Zeit nimmt, um sich zu erholen. Und geniesse es, in einem weichen Bett zu liegen und am Morgen einen Kaffee zu trinken. Meine Eltern, die mich bei der Ankunft in die Arme genommen haben, sind inzwischen abgereist. Sie mussten nicht sagen: Wir sind stolz auf dich. Sie wissen, was ich kann. Schön, bist du wieder da, war der Kommentar meiner Mutter. Dann haben wir zusammen angestossen und später einen Teller Sushi genossen.
Ans Aufgeben habe ich nie gedacht. Selbst dann nicht, als ich wegen eines Sturms völlig vom Kurs abkam. Ich sagte mir: Es wird hart, aber ich packe das. Und hart war es tatsächlich. Etwa als es mich mit meinem Boot gedreht hat. Ich schaffte es wieder an die Oberfläche, doch diesen Schock ganz allein zu verarbeiten, war schwierig. Ein andermal drehte es mich auf die Seite, Wasser lief ins Boot. Danach nahm ich eine Auszeit, legte mich eine halbe Stunde hin – und plötzlich ging der Alarm los! Ein anderes Schiff auf Kollisionskurs, fünf Meilen entfernt und keine Reaktion auf all meine Funkkontaktversuche! Zum Glück ging alles noch mal gut
14 MILLIONEN ...
... Ruderschläge machte Gabi vom Start auf den Kanaren bis nach Antigua in der Karibik.
21 DELFINE ...
... und 8 Zwergwale hat Schenkel angetroffen.
245 KILOMETER ...
... lang ist der Spartathlon in Griechenland: ihr nächstes sportliches Ziel.
Dann waren da die wundervollen Momente. Etwa als mich ein Zwergwal besuchte. Klar bin ich erschrocken, als er das erste Mal unter dem Boot durchtauchte – ein solches Tier ist bis sechs Meter lang. Ich hatte das Gefühl, er war auch überrascht. Er ging dann auf Abstand, kam aber am nächsten Tag zusammen mit seiner Familie wieder. Überhaupt ist man der Natur auf dem Wasser unglaublich nah. Jeden Abend den Sonnenuntergang zu geniessen, war mein Ritual, und nie mit negativen Gefühlen ins Bett zu gehen.
Am Wochenende reise ich zurück in die Schweiz. Die Panik rund um das Coronavirus finde ich schwierig. Das kostet so viel Energie. Ich setze diese lieber dafür ein, bald wieder als Osteopathin zu arbeiten, denn finanziell hat mein Abenteuer eher Lücken auf meinem Konto hinterlassen. Aber wenn ich nur eine Person dazu inspirieren konnte, etwas im Leben zu machen, was sie nie zuvor gewagt hat, hat es sich gelohnt. Für mich ist klar: Jeder kann seinen eigenen Atlantik überqueren!»
Aufgezeichnet von Jessica Pfister