Für einen Feingeist, der sich beruflich vor allem in den grossen Museen und Galerien der Welt bewegt, hantiert er geschickt mit der Grasschere und schneidet sich ein Büschel Ähren aus dem Weizenfeld: «Ich bin vor Kurzem aufs Land gezogen und habe die Liebe zum Gärtnern entdeckt», sagt Samuel Leuenberger (50) Kurator bei der Art Basel. «Insofern kann ich der Tätigkeit, Korn zu schneiden, viel abgewinnen. Sie verbindet mit der Natur und hat auch meditatives Potenzial.»
Eine bunte Schar Kunstbegeisterter hilft ihm bei der Ernte auf dem Messeplatz in Basel. Es ist der krönende Abschluss der Kunstinszenierung «Honouring Wheatfield – A Confrontation (2024)» der New Yorker Künstlerin Agnes Denes (93) – eine Hommage an die wegweisende Land-Art, die sie 1982 auf 8000 Quadratmetern auf einer Deponie in Manhattan geschaffen hatte.
Im April wurde dafür im Rahmen der Art Basel auf dem Messeplatz in Kübeln auf 1000 Quadratmetern ein Weizenfeld angesät. Über den Sommer ist es gewachsen und gereift. Nun war es bereit zur Ernte. «Das Ernten und die Weiterverwendung des Korns ist für Agnes Denes wesentlicher Bestandteil ihrer Kunst», sagt Leuenberger. «Darum werden wir die circa 100 Kilo Korn zu Mehl verarbeiten und dieses Bäckereien der Region sowie gemeinnützigen Organisationen schenken. Denn das Feld soll die Menschen dazu inspirieren, sich mit Themen wie Welthunger, Verschwendung von Ressourcen, Umweltverschmutzung und falschen Prioritäten zu befassen.»
Kunst mitnehmen und verbreiten
Die Erntehelferinnen und -helfer sind zum Teil von weit angereist. Begeistert schneiden sie sich ein paar Ähren aus dem Feld und füllen sich ein Säckchen mit Korn ab, um es mit nach Hause zu nehmen. Auch das ist von der Künstlerin gewollt: Alle sollen die Freiheit spüren, einen Teil der Kunst mitnehmen zu können und so Teil von ihr zu werden. Die Kunst soll sich in alle Richtungen verbreiten. Mit der Weizenfeld-Inszenierung folgte die Art Basel einer Strömung, welche unter anderem von Agnes Denes begründet wurde und in der aktuellen Kunst immer mehr Bedeutung gewinnt: «Weg von der Globalisierung, vom Urbanen – zurück zu Orten fernab von Zivilisation, zur Natur», so Leuenberger.