Herr Bundesrat, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom Tod von Papst Franziskus erfahren haben?
Ich war überrascht. Ich hatte ihn am Tag zuvor noch im Fernsehen auf der Piazza San Pietro gesehen. Und ich war traurig – ich hatte das Gefühl, es gehe ihm besser. Aber als Arzt weiss ich: Kurz vor dem Tod gibt es oft eine letzte gute Phase. Man nennt das den «Schwanengesang». Ein letzter Lichtmoment, bevor das Leben geht. Bei ihm war es wohl genauso. Die Lungenentzündung hatte ihn sehr geschwächt. Wir alle haben gehofft, dass er nicht allzu sehr leiden muss.
Was bedeutet sein Tod für die Kirche?
Die katholische Kirche sagt: Morto un Papa, se ne fa un altro. Ein Papst stirbt, ein neuer kommt. Die Kirche geht weiter. Aber es ist wie beim Chef einer Firma: Der Wechsel verunsichert, man muss sich erst an den neuen gewöhnen. Viele Gläubige fühlen sich in dieser Übergangszeit etwas orientierungslos.
Sie haben Papst Franziskus dreimal getroffen. Wie haben Sie ihn erlebt?
Das erste Mal bin ich ihm 2019 begegnet, an der Vereidigung der Schweizergarde. Ich besuchte ihn mit meiner Frau. Dann 2022, als ich Bundespräsident war. Man sah schon, dass er nicht mehr ganz gesund war und sehr zugenommen hatte. Und zuletzt 2023, zur Eröffnung der Schweizer Botschaft im Vatikan.
Was ist Ihnen besonders geblieben?
Beim dritten Treffen sass er bereits im Rollstuhl. Ich war der erste Staatsvertreter, den er im Rollstuhl empfing. Wohl auch, weil er wusste, dass ich Arzt bin. Er sprach mit mir offen über seine Zweifel und seine Unsicherheit wegen des Rollstuhls. Der Chef der katholischen Kirche und Staatschef vom Vatikan, vom Heiligen Stuhl – so absurd das tönen mag. Ich erzählte ihm von meiner Mutter. Auch sie tat sich schwer mit dem Rollstuhl. Dass ich das erkannte, hat ihn spürbar getröstet.
20 April 2025: Der letzte Auftritt von Papst Franziskus auf dem Balkon des Petersdoms beim Spenden des Segens «Urbi et orbi». Trotz Krankheit wollte er den Menschen Hoffnung geben.
Getty ImagesWie haben Sie ihn als Mensch erlebt?
Sehr klar, sehr pragmatisch, sehr authentisch. Und mit einem feinen Humor.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Wir haben über die neue Kaserne der Schweizergarde gesprochen. Und er sagte lachend: «Die jungen Schweizer kommen nach Rom – und bleiben nicht lange allein.» Sprich: Sie finden Partnerinnen, gründen Familien. Und brauchen mehr Platz. Das hat ihn amüsiert – und mich auch.
Wie wichtig ist Ihnen der Glaube?
Sehr. Der Glaube gibt mir Orientierung im Leben. Er zeigt mir, wofür ich lebe, welche Werte mir wichtig sind. Ich bin katholisch erzogen worden. Je älter ich werde, desto mehr spüre ich, wie wichtig eine klare Wertorientierung ist.
Beten Sie oft?
Formell selten. Ich gehe auch nicht mehr jeden Sonntag in die Kirche. Aber ich habe oft stille, spirituelle Momente. Eine Art inneres Gespräch mit Jesus.