Tanja Grandits, wie ist es Ihnen als Gastronomin während der Corona-Krise ergangenen?
Am Anfang war es natürlich ein grosser Schock. Drei Tage vor dem totalen Lockdown erfuhren wir erst von den strengeren Auflagen und bereiteten uns darauf vor – und plötzlich war dann alles zu. Wir konnten es erst gar nicht fassen. Eigentlich kann ich bis heute nicht richtig fassen, was da die letzten Wochen passiert ist. Die ersten Tage war alles wirklich zu, aber ich habe dann relativ schnell angefangen, ein Konzept zu schreiben, das es uns ermöglichte, unseren kleinen Lebensmittelladen wieder zu öffnen und dort auch einige Gerichte zum Mitnehmen anzubieten. Das war eine riesige Verantwortung, denn es liegt mir wirklich am Herzen, alles richtig zu machen. Wir haben in einem kleinen Team gearbeitet und waren überglücklich, dass unser Angebot so gut angenommen wurde. Wir konnten damit sogar die laufenden Kosten decken.
Was waren die Herausforderungen, was die Chancen?
Die grösste Herausforderung war sicher, das alles hier am Leben zu erhalten. Wir sind ein grosser Betrieb mit dreissig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Leider mussten auch wir Kurzarbeit anmelden. Es hätte mir das Herz gebrochen, wenn das Stucki über Monate dunkel und leblos gewesen wäre, darum war es mir ein Anliegen, etwas zu tun. Das ist ja nicht nur mein Job, der Betrieb ist mein Leben. Ich bin sehr dankbar, dass wir für uns und unsere Kunden eine Lösung in dieser anstrengenden Zeit finden konnten, die uns und sie glücklich macht. Wir wissen noch nicht wie, aber wir wollen gerne einen Teil des Take-Away-Konzeptes weiterführen.
Jetzt geht es am 11. Mai ja wieder los für. Wie haben Sie auf die Ankündigung reagiert?
Ich war im ersten Moment wirklich überrumpelt. Ich hatte fest damit gerechnet, dass wir nicht vor Anfang Juni wieder öffnen können. Daher ging es jetzt doch sehr schnell. Als sich bei mir alles gesetzt hatte, war da erst einmal eine grosse Unsicherheit. Wir wussten nicht, was wir tun dürfen und was nicht. Es ist uns wirklich ein grosses Anliegen, alles richtig zu machen. Alle dachten, dass die Gastronomen wegen des Entscheides jubeln würden, aber das ist nicht so einfach.
Was meinen Sie genau?
Es ist nicht so einfach, die Vorschriften in einen Betrieb, in dem Menschen mit Nahrungsmitteln arbeiten, sich nahe kommen und in ständigem Kontakt stehen, umzusetzen. Wir brauchten erst einmal ein paar Tage, um uns wieder zu finden. Wir haben sehr gewissenhaft an den Abläufen und Massnahmen gearbeitet und sind nun guten Mutes, dass wir eine optimale Lösung haben. Bevor wir am Dienstag wieder öffnen, werden wir aber eine Art Generalprobe machen und schauen, ob alles wie geplant funktioniert.
Wie sehen die Massnahmen in Ihrem Restaurant aus?
Wir haben ein neues Menü gestaltet. Eines, bei dem nichts serviert wird, dass man am Tisch zubereiten muss. Der Kontakt zum Gast muss leider sehr kurz sein, darum haben wir auch das Servicepersonal sensibilisiert. Auch muss der Abstand von zwei Metern zwischen Personen eingehalten werden. Wir haben deshalb die Anzahl Plätze im Restaurant halbiert. In der Küche arbeiten wir in kleineren Teams, nur mit Handschuhen und haben überall Desinfektionsmittel aufgestellt. Die Hygienemassnahmen sind für uns aber nicht besonders aussergewöhnlich. Dass wir uns stets die Hände waschen und alles gründlich reinigen, war schon vorher Standard. Jetzt sind wir einfach noch genauer. Ich habe eine Sicherheitsbeauftragte für unseren Betrieb definiert, die auch Mitarbeiter darauf aufmerksam machen darf, wenn sie die Regeln vergessen. Für uns ist es ungewohnt, nicht in engem Kontakt mit dem Gast zu sein. Aber lange Gespräche am Tisch müssen jetzt vermieden werden.
Viele Gastronomen bemängeln, dass sie mit den Auflagen des Bundes nicht gewinnbringend wirtschaften können?
Das ist so. Gewinnbringend arbeiten kann so keiner. Auch wir nicht. Aber ich will endlich wieder aufmachen. Ich will wieder Gäste empfangen und ein positives Signal senden. Es weiss schliesslich auch niemand, wie lange wir noch in dieser Situation sind. Es ist für mich undenkbar zu warten, bis alles wieder normal ist. Ich hadere auch nicht damit. Es ist nun einmal so und ich freue mich darauf, dass bald wieder Leben ins Restaurant kommt.
Sind die Massnahmen in der gehobenen Gastronomie überhaupt umsetzbar?
Wir sind voll motiviert, das Stucki für unsere Gäste noch schöner zu gestalten. Mir ist es echt ein Anliegen, dass die Menschen nach diesen Monaten voller Unsicherheiten und Stress bei uns nun vollkommen entspannen können. Ich habe vor allem von vielen Frauen aus meinem Umfeld gehört, dass sie unter grossem Druck standen. Ich fände es schön, wenn einige von ihnen bei uns eine entspannte, schöne Zeit verbringen würden.
Wieso standen Frauen unter besonderem Druck?
Haushalt, Homeoffice, Homeschooling, Kochen — oft blieb viel von diesen Aufgaben an den Frauen hängen. Der Lockdown war ein Rückschritt. Es liegt nicht unbedingt an den Männern, aber wir Frauen sind einfach extrem gut darin, alles auf einmal zu stemmen und Dinge in die Hand zu nehmen. Kommt dann noch etwas dazu, dann erledigen wir das halt auch noch. Wie belastend das sein kann, merken viele erst später.
Was nehmen Sie persönlich aus der Coronazeit mit?
Ich hatte in den letzten Wochen viel Kontakt mit Kunden in unserem Laden und mir ist dabei aufgefallen, wie wichtig Essen in Krisenzeiten ist. Die Menschen brauchen gutes, frisches Essen, das ihnen Freude bereitet, tröstend und hilfreich ist. Viele haben sich auch mit ihrer Ernährung auseinandergesetzt, weil Zeit da war und man viel mehr kochen musste. Und es hat mich gefreut zu sehen, dass hochwertige Nahrungsmittel so grosse Freude bereiten können.
Worauf freuen Sie sich in den nächsten Wochen besonders?
Auf ganz vieles. Besonders aber darauf, wenn das Restaurant wieder offen ist und lebt. Aber auch, wenn ich mal wieder mit meiner Tochter einen kleinen Ausflug machen oder schön Essen gehen kann.