Der Hunderter ist voll: Nach über 100 Sendungen sagt Daniel Bumann, 62, Adieu. 13 Jahre lang war der Walliser beim Privatsender 3+ als Restauranttester im Einsatz und half in Schieflage geratenen Beizen, wieder in die Erfolgsspur zu finden. Traf auf Wirtinnen und Wirte, deren Verzweiflung einem die Tränen in die Augen schiessen liess. Auf solche, denen Bumann selbst bisweilen am liebsten einen Klaps aufs Füdli geben wollte, um sie endlich aufzuwecken. Und auf solche, deren herzliche Art selbst das Herz des in seinem Job strengen Starkochs erweichten.
Die Geschichten, die in 13 Jahre «Bumann – der Restauranttester» gezeigt wurden, sind zahlreich, schockierende, irritierende und emotionale Momente kaum an 100 Händen abzuzählen. Der Privatsender 3+ hat sich trotzdem getraut, die schönsten, unvergesslichsten und nervenaufreibendsten Anekdoten am Donnerstagabend in einer Best-of-Folge zusammenzufassen. Und hat damit dem Mann Tribut gezollt, der in gewissen Situationen wortwörtlich die Kohlen aus dem Feuer holen musste. Das hat er in aller Überzeugung getan – wie auch alles andere, wozu er als Restauranttester schon mal eingesetzt wurde.
Denn neben allen kurligen Protagonistinnen und Protagonisten, die die Sendung in den letzten über zehn Jahren hervorgebracht hat, ist in der letzten Folge auch in Erinnerung gerufen worden, welch breites Anforderungsprofil Bumann erfüllte. Essen testen, Koch zusammenstauchen und ihm beibringen, was nächstes Mal besser zu machen ist? Schön und gut, aber längst nicht alles, wofür der Wahlengadiner verantwortlich war. Als Restauranttester bei 3+ hat er in einem Job gleich zehn Berufe ausgeübt – kaum zu glauben? Bumann hats möglich gemacht und wertvolle Praxiserfahrung in den folgenden Berufen gesammelt:
1. Innenarchitekt
Laub vor dem Haus, eine marode Fassade oder schüttere Pflanzen sorgten bei Bumann regelmässig für Entsetzen. Doch auch die Innenräume kriegten ihr Fett weg, für wirr zusammengewürfelte Dekosachen hatte der leidenschaftliche Langläufer so gar keinen Sinn, mit «Staubfängern» konnte man den Walliser nicht als Gast gewinnen. «Am liebsten wäre ich gerade wieder umgekehrt», kriegten die Wirte schon mal zu hören, als der Restauranttester ihre Entrées kommentierte.
Der äussere Eindruck sei «schon sehr wichtig», mahnte Bumann in der letzten Folge ein letztes Mal. Und rät allen Gastgebenden, die seine Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen können: «Geht vors Restaurant und schaut, wie es vorne aussieht!»
2. Sprachlehrer
Wo Bumann manchmal selbst sprachlos vor einem Teller sass, brachte er seinen Nachhilfeschülerinnen und -schülern liebend gerne Sprachen näher. Was «al dente» denn genau bedeutet, wurde einem Koch in einem Italienisch-Crashkurs beigebracht. Und als sein «Das ist ein Schmarren!» nicht verstanden wurde, deutschte er es kurzerhand unmissverständlich ein. «Das ist nix, niente!», sorgte zwar für Klarheit, machte sein Urteil allerdings nicht weniger schwer verdaulich.
Dass er manchmal selbst abenteuerliche Wortschöpfungen und Komparative ins Leben rief – «Das ist so totgebraten, töter geht gar nicht!» –, machte seine Linguistik-Lehre umso amüsanter.
3. Verhaltensforscher
Was Bumann in den Restaurants betrieben hat, könnte man glatt als Feldforschung bezeichnen. Vor allem in der Verhaltensforschung hat sich der Sternekoch als Meister seines Fachs erwiesen: Wenn jemand geflunkert hat oder ihm etwas vorgaukeln wollte, schlug der Bumann'sche Lügenradar sofort aus. Ein strenger Blick des Restauranttesters reichte da schon mal aus, um den Lügenden zu enttarnen – und ihn zu Ehrlichkeit zu bewegen.
Die war auch dem Tester selbst oberstes Gebot: Wer mit seinen schonungslos ehrlichen Kommentaren nicht zurechtkam, kam meistens nicht weit. Dass er die Wirte mit seinen Urteilen wie «unterirdisch», «furchtbar» oder «eine Katastrophe» nur fertigmachen wollte, ist allerdings weit hergeholt. Wenn ihm etwas richtig gut schmeckte, geizte er nicht mit Lob. Dann wurde ein Menü vom Walliser schon mal als «hammermässig güet» betitelt.
4. Reinigungsfachkraft
Wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne. Doch wo gerüstet wird, sollten keine Schalen am Boden liegen bleiben. Doch das taten sie zuhauf. Bumanns erster Job bei der Ankunft in einem Restaurant war es daher vielfach, für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Dafür, auch selber einen Lappen in die Hand zu nehmen, war er sich keinesfalls zu schade.
5. Philosoph
«Da hilft der Herrgott auch nicht mehr»: Bumanns Kommentare und Einsichten hatten manchmal schon fast philosophischen Charakter. Auch im Best-of liess er einige Lebensweisheiten fallen. «Entscheidend für Sein oder Nichtsein ist schlussendlich, was auf dem Teller ist», gab er den Zuschauenden so etwa auf den Weg. Und die teilweise schier unendlichen Speisekarten in den Beizen sind Bumann zufolge das gewesen, woran ihre Besitzenden gescheitert sind. «Sie wollten zu viel, wollten brillieren, und am Schluss ist es eben nicht aufgegangen», gab er fast schon poetisch zu Protokoll.
6. Marketingfachmann
Wie bringt man ein Restaurant wieder zum Laufen? Daniel Bumann fokussierte seine Arbeit nicht nur auf die Küche, sondern auch auf den Verkauf. Und erwies sich dabei als echter Marketingstratege. Vor allem das Direct Marketing hat es dem Walliser angetan – er sorgte schon mal willentlich für einen Stau, um hausgemachte Gnocchi von den Autoinsassen testen zu lassen. Auch seine Pizza-Verteilaktionen sind unvergessen.
7. Unternehmensberater
Wenn ein Restaurant trotz vom Restauranttester gutgeheissenem Essen sowie wiederkehrenden Gästen nicht rentiert hat, setzte Bumann rigoros den Rotstift an. Er wies schon mal auf den Kilopreis von Butter hin, wenn diese achtlos weggeworfen werden wollte, oder sorgte mit finanziellen Tipps und Tricks für erleichterte Gesichter und gefülltere Portemonnaies.
8. Einkäufer
Egal, ob Mobiliar, Kücheninventar oder Lebensmittel: Bumann schnappte sich gerne selber Einkaufskorb oder ein Wägeli, um dem unterstützten Betrieb zu neuem Glanz in der Küche und im Speisesaal zu verhelfen. Sein Einkaufsmetier reichte von Gross- über Detailhandel bis hin zur Brockenstube.
9. Koch
Nach einem kritischen Befund beim Testessen schwang Daniel Bumann nur allzu gerne selbst den Kochlöffel, um dem Koch respektive der Köchin der Beiz neue Inspiration und bewährte Tricks zu liefern. Und auf dekorierten Pfannen lernt man kochen: Bumann hat als ehemaliger Chef 18 GaultMillau-Punkte und zwei Michelin-Sterne gesammelt.
10. Therapeut
Manchmal reichte es bei den gebeutelten Unternehmerinnen und Unternehmern auch einfach, nur da zu sein. Seine Schützlinge fanden bei Bumann immer eine in bunte Poloshirts verpackte starke Schulter zum Anlehnen. Auch nach harscher Kritik, mit der er nicht geizte. «Am Anfang ist es immer sehr schwer, wenn der Restauranttester sehr hart war», konstatiert Bumann. «Im Nachhinein waren mir die Leute dankbar, dann haben sie realisiert: Es hat was gebracht, es hat Platz gemacht für Neues.»
So hat man den Leuten Bumann zufolge manchmal schlichtweg ins Gewissen reden, sie aufwecken müssen. Das Aufrütteln sei notwendig in so einer Situation, «man ist so in sich gefangen in seinen Sorgen, Nöten und Problemen», findet Bumann, sodass erst das Wachrütteln den nötigen Erfolg bringe. «Auch den Menschen musst du ab und zu schütteln, auf die richtigen Knöpfe drücken, damit er merkt: Jetzt ist der Zeitpunkt da, wo ich anders funktionieren muss, um in die Erfolgsspur zu kommen.»
Den angeschlagenen Wirten gab er in solchen Situationen immer sein eigenes Motto mit auf den Weg. «Nicht aufgeben, vorwärtsschauen!», riet er ihnen gerne. Oder in typisch Bumann'schen Worten: «Turbo, Turbo!»
In ebensolcher Turbo-Geschwindigkeit sind die 13 Jahre vorbeigezogen, in denen Bumann über die Mattscheibe flimmerte. Nach mehr als 100 Betrieben, denen er zur Wiedergeburt verholfen hat, steht nun für ihn ein Neustart bevor. Wohin der Weg ihn führt, weiss Bumann noch nicht. Der Moment aber stimme für ihn. «Diesen Zeitpunkt zu erwischen, ist eine Kunst», sagt er. Auch deshalb sieht er der Zukunft positiv entgegen. «Ich freue mich jetzt auf etwas Neues.»