Sie träumt no vo tuusig Sacha, eimal in Paris ufwacha»
In der saftigen Blumenwiese im liechtensteinischen Ruggell können Thomas Graf (47) und Marion Kaiser (53) perfekt träumen. Im Hintergrund das Alpstein-Gebiet, im Herzen die Melodie des Megawatt-Liedes «Laura». Dieses hat der Frontmann der Mundart-Rockband (das aktuelle Album «Rockerherz» landete auf Platz 1 der Schweizer Hitparade) seiner Partnerin gewidmet. «Marion lässt sich leider schlechter singen als Laura», begründet Graf. Auch wenn der Liedname nicht auf sie hindeutet, der Inhalt tut es umso mehr. Seit sechs Jahren sind die zwei ein Paar, und so kennt der Sänger Marions jahrzehntelangen Traum genau.
«Ob ich hier bei Marion zu Gast oder daheim bin – das sind zwei Paar Schuhe»
Thomas Graf
«Mit em Finger über d Karta kreisa, döt wo ma landet hi verreisa»
Als 20-Jährige sieht Marion Kaiser in Neuenburg einen VW-T1 und träumt seither von ihrem eigenen. «Instrument einpacken, herumreisen und Strassenmusik machen.»
«Sie will so gern doch frogt sich glich, söll is macha oder nid»
Wie es im Lied heisst, so ist es auch in der Realität: Ausbildung, Beruf, Familie mit drei Kindern kommen Marion Kaiser dazwischen. «Und ehrlich gesagt, ist ein solcher Bus auch teuer.» Und manchmal brauchen Träume auch noch einen Schubs – im Fall von Marion einen von Thomas.
Das erste Mal persönlich begegnet sind sich der Berufsbildner und die Lehrerin vor 15 Jahren – an einem Kindergeburtstag. «Unsere ‹Meitla› Justine und Nina gingen zusammen in den Chindsgi», erzählt Thomas Graf, der Vater von zwei erwachsenen Kindern ist. Er wie auch sie sind zu diesem Zeitpunkt mit jemand anderem verheiratet. Da die Familien im selben Dorf wohnen, sieht man sich gelegentlich an Elternabenden. «Thomas spielte zudem in einigen Bands der Region, daher kannte ich ihn als Musiker», sagt Marion, die Musik und Ethik unterrichtet. 2015 musizieren Thomas Graf und Marion Kaiser erstmals gemeinsam. Bei einem Naturtrüeb-Benefizkonzert lädt die Band befreundete Musikerinnen und Musiker mit auf die Bühne ein. Marion war damals Teil der Typsy Crows. In der Folge begegnen sich die beiden immer mal wieder, bis es 2017 funkt. Mittlerweile spielen sie in derselben Band Bluebones – «und dort bleibst du auch!», sagt Marion liebevoll mahnend. Denn seit Thomas Graf 2019 mit Megawatt durchgestartet ist, reisst der Erfolg der Rocker nicht ab. Alle drei Alben erreichten die Top 3 der Albumcharts, zwei Swiss Music Awards räumte die Band bisher ab. Am 28. Oktober startet die «Rockerherz Tour». «Mit Megawatt läuft relativ viel, aber meine Batterie ist nie leer, weil ich immer wertvolle Menschen um mich habe.»
«Du bisch as wert, dass du irgendwenn amol all dini Träum erlebsch»
Thomas Graf erfährt von einem brasilianischen Arbeitskollegen, dass ein bekannter Youtuber in Brasilien seinen VW-T1 verkaufen will und jeder mitbieten kann. Zuvor hatte dieser in über 90 Videos seine 608 000 Follower teilhaben lassen, wie er den Bus (Baujahr 1969) restauriert. «Ich dachte, wie gross kann da die Chance schon sein.» Thomas fragt Marion, ob er mitbieten soll, und macht am 12. September 2018 per Mail ein Angebot im mittleren vierstelligen Bereich. Neun Stunden später kam bereits eine Antwort, und Thomas meinte: «Duhu, Marion, wir haben ein Büssli in Brasilien.»
Seit Juli 2019 steht Jolene – benannt nach Marions Lieblingslied von Dolly Parton – in einer Spenglerei in Trübbach SG. Vieles muss ersetzt werden. Marion wiederum musste nach all den Jahren der Träumerei den Schnellgang verdauen. «Thomas’ Hilfe fühlte sich zuerst so an, als hätte man mir den Traum aus den Händen genommen. Ich wollte es doch alleine schaffen», sagt sie. «Das hat schwer auf mir gelastet.» Mittlerweile hat sich Marion «beruhigt» und ist glücklich über den Schubser von Thomas. Von Hand wird sie Jolene farbig und fröhlich anmalen. «Mit Alp, Musiknoten, Natur, Freiheit – alles Dinge, die mir wichtig sind.» In spätestens zwei Jahren will das Paar nicht nur in Gedanken, sondern mit dem Gefährt unterwegs sein – «Thomas darf natürlich manchmal mitkommen».
Die Freiheit ist beiden wichtig. Zwei- bis dreimal die Woche sehen sie sich spontan, da beide viel um die Ohren haben. Oft kommt Thomas für einen Kaffee zur Tür herein. «Eine Zeit lang habe ich es sogar ‹gschmeckt›, wenn Marion gekocht hat.» Ein Probemonat, in dem sie das Zusammenwohnen testen, stand auch schon zur Diskussion. «Aber ich habe wirklich Angst vor dem Alltag», sagt sie. Er pflichtet ihr bei. «Wir wissen beide, was ein Alltag aus einer Beziehung machen kann. Ob ich hier bei Marion zu Gast bin oder daheim, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.»
Ein Zimmer jedenfalls stünde bei Marion frei, auch den Segen ihrer jüngsten Tochter Lou (15) hätte Thomas. Und wie heisst es in seinem Lied für Marion: «Ganz egal, was ma dir verzellt. Da Muatiga ghört d Welt.»