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Patrick Hässig schrieb letzte Prüfung in Corona-Zeiten

«Es war eine herausfordernde Zeit, um abzuschliessen»

Im Alter von 38 Jahren hat sich Patrick Hässig 2017 zu einem Pflege-Studium entschieden. Jetzt hat der langjährige Radiomoderator die letzte Prüfung in der Tasche. Im Interview erzählt er, was er nun vorhat, welcher Moment im Spital ihn am meisten geprägt hat – und inwiefern ihn Corona in seiner Weiterbildung bestärkt hat.

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Patrick Hässig von Radio zu Spital

Hat die letzten Prüfungen bestanden: Patrick Hässig.

Fabienne Bühler

2017 wagte Patrick Hässig einen Neuanfang: Der Energy-Morgenmoderator begann im Alter von 38 Jahren sein Studium in der Pflege. Nun hat er seine letzten Prüfungen geschrieben und bestanden. Ab Anfang September ist er offiziell diplomierter Pflegefachmann HF und kriegt sein Diplom – und damit den Schein für drei Jahre harte Arbeit, die zum Schluss von Corona stark geprägt worden ist.

Herzlichen Glückwunsch, Patrick! Nach drei Jahren Studium hast du deine Ausbildung zum Pflegefachmann HF abgeschlossen – und dein Diplomfachgespräch mit der Maximalpunktzahl. Wird Patrick Hässig seiner Schule als Jahrgangs-Streber in Erinnerung bleiben?
Haha, da müsste man die Schule anfragen. Jedoch weiss ich, dass ich nicht der einzige Absolvent mit der Maximalpunktzahl war.

Wie hast du diesen Erfolg gefeiert?
In eher kleinem, aber feinem Rahmen. Mit einem Glas Wein und vielen Reaktionen von Freunden.

Mit welcher Note hast du abgeschlossen?
Das Diplomfachgespräch und die Diplomarbeit mit einer A-Bewertung. Im Schulnotenverständnis wäre das eine 6. Der Titel meiner Diplomarbeit heisst «Die Kraft der Kommunikation in der Pflege», da konnte ich mich mit Leidenschaft austoben.

Der Moderator als Pflegefachmann

Patrick Hässig fand das Glück jenseits vom Rampenlicht

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Moderator Patrick Hässig wird Pflegefachmann. Wie er den Spitalalltag meistert.  

In welchem Moment in den drei Jahren Studium hast du deine Entscheidung bereut?
Manchmal dann, wenn ich von Montag bis Freitag für acht Lektionen in der Schule sitzen musste. Dies war teilweise schon anstrengend. Vor allem, wenn wir vier von diesen acht Lektionen als eine Gruppenarbeit über die Bühne bringen mussten. Ich bin kein Fan von Gruppenpräsentationen und davon, Flipcharts zu erstellen.

Was war die grösste Herausforderung, die sich dir in den drei Jahren gestellt hat?
Die erste schriftliche Prüfung. Einerseits war ich es mir nicht mehr gewohnt, Prüfungen zu schreiben, andererseits musste ich mich hier als absoluter Quereinsteiger in diesem Anatomie-, Pathophysiologie- oder Pharmakologie-Dschungel stark reinknien und lernen.

Welcher Moment im Spital hat dich emotional am meisten mitgenommen?
Es waren zwei Momente. Als mich eine 96-jährige Patientin zum wiederholten Male vor einer MRI-Untersuchung gebeten hat, dass ich ihr etwas geben könne, damit sie sterben darf. Oder ein 51-jähriger gestandener Mann, welcher nach einem plötzlichen, schweren Hirnschlag weder sprechen, essen, trinken noch gehen konnte. Diese beiden verschiedenen Momente waren schon sehr emotional. Umso schöner war es hingegen, zu sehen, wie sich die beiden Menschen dank professioneller Pflegeplanung und angepasster Medizin erholen konnten.

In welchem Moment hast du realisiert, dass du das machst, was für dich richtig ist?
Ganz ehrlich: Eigentlich erst im letzten Ausbildungsjahr. In den ersten zwei Jahren war alles so neu für mich, es war eine herausfordernde Entdeckungsreise. Nun aber im Abschlusssemester merkte ich: Ich kann’s. Ich verstehe, was Pflege bedeutet, und es passt gut zu meiner Person. Auch meine Lebenserfahrung und kommunikativen Fähigkeiten sind goldwert in diesem Beruf.

Du hast mehrere Abteilungen im Spital durchlaufen. Welche davon hat dir am besten gefallen?
Ich durfte auf medizinischen, geriatrischen und chirurgischen Abteilungen arbeiten. Alle sind in ihrer eigenen Art und Weise interessant und man erhält die unterschiedlichsten Einblicke in die Welt eines Akutspitals. Mir persönlich gefällt es, wenn etwas läuft. Also wenn eine gewisse Spannung und Intensität vorhanden ist. Dies ist vor allem gegeben, wenn es um Notfalleintritte geht.

Wie geht es für dich nach dem erfolgreichen Abschluss nun weiter?
Ich habe mich entschieden, im Stadtspital Waid in Zürich zu bleiben. Ich werde mich in den nächsten Wochen entscheiden, ob in der chirurgischen oder medizinischen Klinik. Ich durfte eine tolle Ausbildung geniessen und fühle mich in diesem mittelgrossen Betrieb sehr wohl.

Patrick Hässig von Radio zu Spital

Master am Medikamentenschrank: Nachdem er sich für seine erste Prüfung erst durch den «Pharmakologie-Dschungel» kämpfen musste, hat Patrick Hässig nun den Durchblick.

Fabienne Bühler

Du hast mit 38 Jahren einen neuen beruflichen Weg eingeschlagen. Wovor hattest du am meisten Angst?
Eigentlich vor nichts. Ich habe mir diesen Schritt gut und sehr lange überlegt. Ich war mir sicher, dass es der richtige Entscheid ist, nochmals etwas ganz Neues im Leben zu lernen.

Du bist ein gutes Stück älter als deine Kommilitoninnen und Kommilitonen – und dazu auch noch eine Person des öffentlichen Lebens. Wie haben sie auf dich reagiert?
Das war anfangs schon sehr speziell. Viele haben mich gekannt als ihr Mann aus dem Radiowecker am Morgen. Ganz viele wollten wissen, warum um Himmels willen ich diesen Traumjob des Radio- und TV-Moderators aufgegeben habe. Dass man nach 18 Jahren im Medienbereich ein Bedürfnis nach etwas Neuem hat, haben dann aber viele verstanden.

Wie bist du damit zurechtgekommen, nach Jahren mit einem vollen Lohn ein Studi-Budget zur Verfügung zu haben?
Eigentlich recht gut. Aber auch nur, weil ich ein finanzielles Polster hatte. Die Entlohnung, um sich zum dipl. Pflegefachmann HF ausbilden zu lassen, ist ein Witz. Vor allem da es keine Berufslehre ist, sondern eine tertiäre Ausbildung. Man ist älter, hat vielleicht schon Familie oder hat im Beruf vorher deutlich mehr verdient. Da muss politisch schon etwas geschehen, dass wir in Zukunft genügend gute Pflegefachpersonen haben. Hilfspersonal reicht einfach nicht.

Du hast auch während deines Studiums als Freelancer Radio gemacht. Warum?
Weil ich diese Möglichkeit von Radio Energy erhalten habe. Ich finde das genial und bin dankbar dafür. Einmal im Monat eine Samstagmorgen-Show zu moderieren, ist für mich, wie wenn andere auf dem Fussballplatz als Stürmer Tore schiessen. Ich geniesse es, weiterhin meiner alten grossen Leidenschaft und Liebe zu frönen.

Wirst du das auch weiterhin so handhaben?
Ich habe es fest vor. Der Plan ist es, in einem 70-80%-Pensum als dipl. Pflegefachmann zu arbeiten und ab und zu noch eine Radiosendung oder sonstige Moderationen übernehmen zu können.

Dein Studium hast du unter aussergewöhnlichen Umständen beendet. Inwiefern hat das Coronavirus die letzten Züge deiner Ausbildung beeinflusst?
Sehr. Die Bibliotheken waren zu, Weiterbildungen fielen aus, die Arbeitsintensität im Spital nahm zu. Es war eine herausfordernde Zeit, um eine Ausbildung abzuschliessen.

Inwiefern bist du mit Covid-19 in Kontakt gekommen? 
Im Spital gab es Covid-19-Fälle und in meinem persönlichen Umfeld sind ebenfalls zwei Personen erkrankt, zum Glück jedoch mit leichteren Symptomen. Selbstverständlich habe ich nach Kontakt mit einem Covid-19-Patienten ebenfalls einen Corona-Test gemacht.

«Wir müssen die Fachangestellten Gesundheit mehr wertschätzen und für sie auch die weiterführende Ausbildung finanziell attraktiver machen»

Patrick Hässig

Wie hat sich für dich der Alltag im Spital wegen der Pandemie verändert?
Es ist insofern anders, als dass wir nun den ganzen Tag mit Schutzmaske arbeiten. Die Distanz zu den Patienten ist grösser, leider. Auch die Besuche waren anfänglich ja verboten. Dies war für uns Pflegende eine grosse Herausforderung. Die Patienten fühlten sich oft alleine und einsam in ihrem Krankenbett.

Wie hat die Pandemie dich verändert?
Man wird schon vorsichtiger. Aber ich versuche, das Leben möglichst so weiterzuführen, wie es vor der Pandemie war. Und dreimal mehr Hände waschen als früher, das wird bleiben.

Inwiefern hat dich die momentane Situation in deiner Berufswahl bestärkt?
Sehr. Es zeigt auf, dass es ohne gut ausgebildete Pflege nicht geht. Ärzte sind immens wichtig für die Diagnose und Therapie. Für die ganzheitliche Betreuung wie Wundpflege, Gespräche führen, korrekte Medikamentengabe oder die Unterstützung in den alltäglichen Lebensaktivitäten ist die Pflege zuständig.

Wenn du zu Beginn deiner Ausbildung bereits gewusst hättest, was 2020 auf uns wartet: Hättest du dich dennoch dafür entschieden?
Ja. Umso mehr.

Wir haben im März für euch, das Pflegepersonal, geklatscht. Inwiefern hat dies das Ansehen eures Berufs verändert?
Viele Menschen sind sicherlich auf den Pflegeberuf sensibilisiert worden. Unser Ansehen ist hoch. Das spüre ich. Was ich hingegen aber auch spüre, ist, dass die Politik das Gefühl hat, mit einer zwei- oder dreijährigen Berufslehre sei eine professionelle Pflege möglich. Die Tiefe des Wissens fehlt. Daher muss die tertiäre Ausbildung zum dipl. Pflegefachmann gefördert werden.

Applaus für alle Helferinnen und Helfer

Die Schweiz bedankt sich

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In der Corona-Krise sind wir mehr denn je auf die Arbeit von medizinischem Personal angewiesen. Heute haben sich die Menschen in der Schweiz bei allen, die in Artpraxen, Apotheken und Krankenhäusern arbeiten, bedankt. Pünktlich zur Mittagspause wurde aus dem Fenster oder vom Balkon aus applaudiert. Auch wir von der Schweizer Illustrierten sagen herzlich DANKE!  

In der Schweiz herrscht ein Mangel an Pflegepersonal. Wie verkaufst du Jugendlichen deinen Beruf?
Man muss den Jugendlichen den FaGe-Beruf nicht verkaufen. Der ist glücklicherweise bereits beliebt und wird ausreichend gelernt. Was viel wichtiger ist, ist, dass im Anschluss das Pflege-Diplom angehängt wird. An dipl. Pflegepersonal fehlt es. Wir müssen die Fachangestellten Gesundheit mehr wertschätzen und für sie auch die weiterführende Ausbildung finanziell attraktiver machen.

Wenn du noch einmal ins 2018 reisen könntest: Was würdest du deinem Ich vor Beginn der Ausbildung raten?
Mach’s nochmals genauso.

Von Ramona Hirt am 21. Juli 2020 - 06:09 Uhr