Es ist im Jahr 2020 eigentlich kaum vorstellbar: Aber wir müssen tatsächlich darüber abstimmen, dass Menschen der LGBTQ+-Community künftig nicht mehr aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfen.
Vorkommnisse und Aussagen der jüngsten Vergangenheit zeigen uns, wie nötig es gerade 2020 ist: In den letzten Monaten häuften sich Meldungen über Homosexuelle, die in der Öffentlichkeit verprügelt und beschimpfgt wurden – zuletzt kams in Zürich zu einem brutalen Angriff auf ein Paar in der Silvesternacht.
Homophobie, die offenbar tief verankert ist, wie ein Bericht von «20 Minuten» vor einigen Wochen zeigte. «Schwulsein ist eine Krankheit, das ist gegen die Natur. Etwas im Kopf stimmt da nicht», wird ein 18-Jähriger zitiert. «Schwule können mit ein paar Schlägen geheilt werden», fährt er fort. In seinem Kollegenkreis sei es normal, Schwule zu verprügeln. Ein 19-Jähriger findet, Schwulsein sei «ein Defekt im Hirn. Das kann man nicht heilen.» Ein 21-Jähriger schliesslich poltert, auch er würde einen Homosexuellen schlagen. «Wenn mich ein Schwuler anmacht, ist das eine Provokation», so die Begründung
Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich bitternötig, die Anti-Rassismus-Strafnorm um den Punkt der sexuellen Orientierung zu erweitern. Bislang schützte das Strafrecht Menschen in der Schweiz lediglich vor Diskriminierung wegen der Rasse, der Religion oder der Ethnie. Was Homosexuelle betrifft, klaffte im Gesetz hingegen bisher eine Lücke. Diese Lücke wurde am 14. Dezember 2018 im Parlament eigentlich geschlossen, nachdem eine parlamentarische Initiative von SP-Nationalrat Mathias Reynard aus dem Kanton Wallis die Forderung nach einer Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm lanciert hatte.
Doch ein Gegenkomitee ergriff das Referendum und erzwang mit genügend Unterschriften nun eine Abstimmung. Die Gegner monieren, bei dem Gesetz gehe es um ein Zensurgesetz. Es bedrohe die Meinungsfreiheit sowie die Gewissens- und Gewerbefreiheit. Zudem sei das Gesetz unnötig: Wer Menschen öffentlich beleidige oder sie herabwürdige, werde bereits heute bestraft.
Doch das stimmt nicht: Homophobie war bisher straffrei. Und auch, dass das Gesetz die Meinungsfreiheit bedrohe, stimmt so nicht: Die Meinungsfreiheit bleibt gewahrt, so die Befürworter. Für die Gegner übersetzt: Es dürfen weiterhin Schwulenwitze gerissen werden.
SP-Ständerat Claude Janiak, selbst schwul, formulierte es so: «Der Stammtisch ist nicht in Gefahr. Sie dürfen weiterhin, wenn Sie es wollen, gute Witze erzählen, auch über Schwule.» Es gebe gute Witze, über die man lachen könne, so Janiak. «Aber man darf nicht Hass säen. Aufrufe zu Hass und Herabwürdigung bestimmter Bevölkerungsgruppen haben mit Meinungsäusserung nichts zu tun.»