Staatspräsidenten haben es bes-ser. Der Helikopterpilot fliegt sie vom Flughafen Zürich in nur 14 Minuten auf den Bürgenstock. Am alpinen Landeplatz warten die Limousinen. Die Gäste stehen kurz darauf in den 382 Zimmern und Suiten in drei Hotels. VIPs müssen auf dem Bürgenstock nicht an der Réception anstehen. Das Check-in macht man hier im Zimmer. Und wie reisen nach der Friedenskonferenz (15./16. Juni) ganz normale Gäste an? Am besten mit dem schneeweissen, umweltfreundlichen Katamaran «MS Bürgenstock», der jede Stunde beim Bahnhof Luzern ablegt. 30 Minuten später landet man in Kehrsiten. Die feuerrote Standseilbahn (Baujahr 1888) bringt die Gäste nach spektakulärer steiler Fahrt in GaultMillaus «Hotel des Jahres 2019», fast direkt an den Empfang. Katamaran und Bähnli haben ihren Preis. Doch daran gewöhnt man sich besser frühzeitig. Das Leben auf dem Bürgenstock ist gut. Aber teuer.
Auf dem Berg muss man sich entscheiden. Spa oder Food? Das Spa (auf 10 000 Quadratmetern, Kultprodukte von Dr. Burgener) ist ziemlich unglaublich, vor allem der schönste Infinitypool im Land, mit «Atemlos»-Sicht über den Vierwaldstättersee und nach Luzern. Kein Wunder, will da jeder sein Handy zücken und Instagram beliefern, aber das ist gar nicht so einfach. Fotografieren ist nur während der «Splash’n Flash Hours» am Morgen und gegen Abend erlaubt. Dazwischen ist Privacy Trumpf, was vorab all jene schätzen, die nicht mit der eigenen Frau angereist sind.
Ich habs nicht so mit «Splash’n Flash», also gehts auf direktem Weg in eines der vielen Restaurants. Die Top-Adresse: «Spices Kitchen & Terrace», asiatische Küche, 16 Punkte im GaultMillau. Das Erfolgsgeheimnis? «Authentische Küche! Meine Köche kommen aus Thailand, Indien, China, Japan. Und sie sollen genau so kochen wie in ihrer Heimat», sagt Culinary Director Mike Wehrle. Also gibt es nicht nur Luxusgerichte, sondern auch Streetfood! Miss Chatsorn, die erste Chefin im «Spices», servierte mir zu meinem Schrecken mit einem freundlichen Lächeln zu den Shrimps auch knackig frittierte Shrimps-Köpfe, vertraute mir gleich das Rezept an: «Die Köpfe leicht salzen, in 220 Grad heissem Fett goldbraun ausfrittieren, Thai Sweet Chili Sauce dazu.» Prima wars. Ihre Nachfolgerinnen, die Zwillinge Virat und Vilai Kanjan aus Bangkok, mögen es scharf: «Chicken 65» heisst das Gericht, das die Twins erst fürs Personal, dann auf Wunsch des Chefs auch für die Luxusgäste kochten: Maispoulardenkeule, Chilipuder, Chilipaste, Koriandersamen, schwarzer Pfeffer, Joghurt, Curryblätter. «Chicken 65» steht in Südindien auf jeder Speisekarte. Immer auf der 65. Position.
Die Zwillinge haben Erfahrung mit Staatsoberhäuptern. Sie kochten auf Schloss Elmau für den G7-Gipfel und holten sich für ihre Tom Kha Gai einen Sonderapplaus ab. Mehr Sorge bereitet den beiden Ladys im fortgeschrittenen Alter ein anderer Termin: Sie müssen in Stans zu einer Deutschprüfung antreten, um ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Einfach wird das nicht: Umgangssprache im «Spices» ist wie in allen internationalen Hotels Englisch.
Superstars dinieren inkognito
Die heimlichen Stars der «Spices»-Brigade? Dim-Sum-Master Kim. Klassiker wie Har Gao oder Siu Mei kann jeder chinesische Koch. Aber Chef Kim beherrscht auch die schwierigen Dinger. Ich entdecke im Körbchen Xiao Long Bao. Schweinefleisch, gehackter Ingwer und eine gelierte Poulet-Kraftbrühe stecken drin im fast durchsichtigen Teig. Tipp für alle Nicht-Asiaten auf dem Berg: Dim-Sum-Spitze wegbeissen, Bouillon ausschlürfen, sonst wird es gefährlich heiss im Mund!
Ich mag auch die Küche von Sushi-Master Janet Lopez sehr. Sie ist auf den Philippinen geboren, liess sich bei Nobu Matsuhisa in Dubai ausbilden und hat offensichtlich keine Angst vor grossen Tieren: Otoro und Akami für Sushi und Sashimi schneidet sie schon mal mit scharfem Messer aus dem riesigen, 110 Kilo schweren Balfegó-Tuna, den Culinary Director Mike Wehrle für sie einfliegen lässt. Für die gewaltigen Buffets, auch am Gipfel, ist der hochbegabte Argentinier Damián Carini mit seinem zehnköpfigen (!) Team zuständig, GaultMillaus «Pâtissier des Jahres 2024». Damián wirbelt durch alle sieben Restaurants, legt gemäss seiner Uhr täglich 20 000 Schritte zurück. Besonderes Merkmal: «Desserts esse ich keine», sagt Carini, der früher im berühmten «El Bulli» bei Barcelona gearbeitet hat. Dass im «Spices» VIPs dinieren, ist nicht aussergewöhnlich. Bei einem meiner vielen Besuche waren die Oscar-Preisträger Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones sowie Bayern-München-Star Leroy Sané die Tischnachbarn. Ungestört und dank Sonnenbrillen auch ziemlich inkognito.
General Manager Chris Franzen, ein Hüne von Gestalt, in Zermatt geboren und in Doha gestählt, ist erstaunlich tiefenentspannt: «Die Konferenz wird so minutiös vorbereitet, dass wir bereits im Vorfeld wissen, was jeder Teilnehmer erwartet.» Mike Wehrle, Chef der 95-köpfigen Brigade: «Ein Höhepunkt in meiner Karriere, aber ich kann mich auf mein Team zu 100 Prozent verlassen. Wir haben Köche aus allen Ecken der Welt im Team. Wir können jeden Wunsch erfüllen.» Der Dreigänger für das offizielle Dinner steht, Protokollchef Térence Billeter (NZZ: «Der unsichtbare Regisseur») war mit dem Testessen zufrieden. Natürlich ist streng geheim, was aufgetischt wird. Doch ich kenne Mike Wehrles Küche. Er wird sich auf die besten Produkte seiner Nachbarn verlassen. Auf Fleisch von Stefan Mathis (Holzen). Auf Sbrinz AOP vom «Bode-Sepp» (Sepp Bircher). Auf Eier der Barmettlers vom Hof in Trogen NW. Auf die ganz grossen kulinarischen Experimente pflegt man bei solchen Events zu verzichten.
Die Bar unter dem Wasserspiegel
Auf dem Bürgenstock bleibt tatsächlich kein Restaurantwunsch offen. Gäste aus Middle East kriegen im «Parisa – Persian Cuisine» erst Mezze und Kebab-Spiess, dann auf der Dachterrasse ihre Shisha. Italienische Küche gibts in der Osteria Alpina am kleinen, aber feinen Neun-Loch-Golfplatz. Das Ristorante mit der romantischen Terrasse ist den beiden Diven und Bürgenstock-Stammgästen Sophia Loren und Audrey Hepburn gewidmet: «Grande Antipasto», «Spaghetti Pomodoro alla Audrey», Piccata Milanese.
Steak-Liebhaber reservieren im «Oak Grill» und lassen sich am nierenförmigen Pool ein riesiges trockengereiftes Irish-Beef-Tomahawk aufschneiden. Der Preis schlägt ein wenig auf die Nieren (276 Franken), da fährt man mit einem Viergänger für 128 Franken günstiger. Der denkmalgeschützte Pool ist Kult auf dem Berg, auch die kleine «Bull’s Eye Bar», die unter der Wasserlinie liegt. Auch 007 Sean Connery hat sie bei seinem Besuch auf dem Berg schnell entdeckt. Wobei mittlerweile pensionierte Barkeeper berichten: Mister Bond trinkt, wenn er nicht im Dienste Ihrer Majestät unterwegs ist, lieber ordentlichen Scotch als einen geschüttelten, nicht gerührten Martini.
Die Zimmer und Suiten auf dem Berg? Korrekt. Gediegen eingerichtet. Grosszügig geschnitten. Erstklassige Betten. So richtig spektakulär sind nur die Sicht und die Badezimmer in den grösseren Einheiten: Da flackert das (elektrische) Kaminfeuer. Da blickt man von der Wanne aus und unter der Dusche durch ein raumhohes Fenster direkt auf den See. The Bürgenstock Experience.