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Die Kunstturn-Überflieger Gischard und Baumann

Zwei Freunde, zwei Medaillen

Benjamin Gischard und Christian Baumann ­holten an der Kunstturn-EM in Basel Silber und Bronze. Beide trainieren in Magglingen, einer wohnt auch da. Zu Besuch in der Kunstturner-WG, wo sich die Freunde auf ein Bier treffen.

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Benjamin Gischard, Christian Baumann, Kunstturner, EM Medaillen, Kunstturn EM Basel, Biel, SI 18/2021

Benjamin Gischard und Christian Baumann (r.) in der -Löwenzahnwiese hoch über Biel BE. 

Kurt Reichenbach

Trotz Ferien sitzen Benjamin Gischard, 25, und Christian Baumann, 26, in Magglingen im Schachenmannhaus «Schachi» und stossen mit einem Bier an. «Das liegt auch für uns drin», sagt Gischard und lächelt. In der Woche nach ihren Medaillen an der Kunstturn-EM in Basel nutzen sie die freien Tage, um Termine wahrzunehmen. Allzu oft gehört den Turnern das Rampenlicht nicht, auch wenn weder das Silber im Bodenturnen für Gischard noch die Bronzemedaille am Barren für Baumann ihre jeweils ersten Medaillen waren. Die Verschnaufpause nach der EM währt aber nur kurz: Für die Olympischen Spiele von Ende Juli in Tokio sind sie damit noch nicht qualifiziert, doch ein gutes Gefühl und Zuversicht geben die Erfolge allemal. 

Teamgeist ist wichtig, wenn man 24 Stunden zusammen verbringt

Momentan leben 14 Kunstturner im «Schachi» – auf halbem Weg zwischen den Hauptgebäuden des Bundesamts für Sport und der Kunstturnhalle. Baumann ist seit 2014 hier, Gischard kam 2015 dazu, zog aber letztes Jahr in eine kleine Wohnung in Biel. Anzutreffen ist er im Haus trotzdem regelmässig, schliesslich ist er Captain des Nationalkaders und reisst immer wieder mal was an, damit die Turner auch neben dem Training etwas gemeinsam unternehmen, etwa zusammen Fondue essen. Ein guter Teamgeist ist wichtig, wenn man fast 24 Stunden zusammen verbringt. 

Die fast gleichaltrigen Gischard und Baumann sind längst auch privat gut befreundet, obwohl sie charakterlich äusserst unterschiedlich sind: Gischard ist extrovertiert, gesprächig, reisst andere mit, «er ist immer aufgestellt», sagt Baumann. Und nicht zu vergessen: Er ist ein guter DJ in der Kunstturnhalle. Die Musik treibt die Sportler beim knallharten Training an. 

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Im Magglinger Schachenmannhaus wohnen 14 Kunstturner. Um den Wäscheberg kümmern sie sich selbst.

Kurt Reichenbach

«Es ist schön, dass man mit ihm auch einfach mal still sein kann»

Benjamin Gischard über Christian Baumann

 

Baumann hingegen ist ruhiger, überlegter, unauffälliger. «Es ist schön, dass man mit ihm auch einfach mal still sein kann, er muss nicht immer reden», sagt Gischard. Und mit einem Grinsen: «Aber er lässt auch mal die Sau raus.»  

Es ist unausweichlich, dass die Kunstturner jede Seite ihrer Teamkollegen kennenlernen. Der Sport ist hart, und dass man sich als Team versteht, ist in der Zweckgemeinschaft wichtig, auch wenn nicht alle befreundet sein müssen. «Man erlebt auch intime Zeiten», erzählt Gischard. «Wenn es nicht läuft, es einem nicht gut geht, kann man innerhalb des Teams ehrlich und direkt sein. Dass man das darf, hat schon etwas Familiäres.» Seit einem Jahr hat das Männerkader ein neues, junges Trainerteam, das Trainingsklima sei cool, finden die beiden. Man könne gut miteinander reden.

Beide turnen, seit sie fünf Jahre alt sind

Beiden war bereits früh klar, dass das Turnen ihre Sportart ist, sie waren etwa fünfjährig, als sie damit begonnen haben. Benjamin Gischard kommt aus Herzogenbuchsee BE, seine Eltern sind sportbegeistert, ständig aktiv unterwegs. «Jämi» studiert an der Fernuni Schweiz im siebten Semester Jura. Den Sport mit dem Studium zu verbinden, sei teilweise schwierig, «es gibt heftige Lernphasen», zwischen den Trainings lernt er oft in der Kunstturnhalle. Trotz Doppelbelastung schafft der gesellige Hobby-Gourmet im Schnitt eine Fünf.

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Der Aufenthaltsraum in der grossen Turner-WG ist spärlich möbliert. Gemütlichkeit kommt beim Spielen und gemeinsamen Kochen auf. 

Kurt Reichenbach

«Er ist immer aufgestellt und motiviert, ein super Captain»

Christian Baumann über Benjamin Gischard

 

Christian Baumanns liebstes Hobby ist Snowboarden – «auf eigenes Risiko. Mir ist wichtig, dass ich jeden Winter eine Woche fahren kann.» Der Aargauer hat das KV gemacht, danach die Berufsmatur, jetzt ist er Profisportler. 

Wer neu ins Schachenmannhaus kommt, muss erst mal das Zimmer nehmen, das noch frei ist. Es gibt kleine und grössere, Baumann als einer der Ältesten hat neben Bett, Schrank und Pult auch noch Platz für ein Sofa. Die Zimmer sind kleine Rückzugsoasen in der Riesen-WG; vermutlich ist das der Grund, dass der Aufenthaltsraum mit offener Küche, Esstisch und Sofas eher kahl ist: Es gibt weder Vorhänge noch Kissen. Die Sportler scheints nicht zu stören. Auf die eine Wand projiziert ein Beamer Filme, an der anderen hing eine Dartscheibe; der Turner, dem sie gehörte, nahm sie mit, als er auszog.

Bis Paris 2024 turnen, aber nach diesem Sommer eine Zäsur

«Wenn abends ein paar Leute hier versammelt sind und kochen und spielen, gibts schon Leben», sagt Baumann, der «Schachi-Chef» ist und damit auch zuständig für Ordnung und Zimmereinteilung. Die Kader-Athleten essen meistens in der Mensa des Leistungszentrums, die jüngeren, denen das Essen noch nicht bezahlt wird, kochen ihre eigenen Mahlzeiten. Zimmer und Küche reinigen und die Wäsche machen, das erledigen die Turner selbst. 

Bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris wollen Gischard und Baumann turnen. Doch nach den diesjährigen Sommerspielen gibts die eine oder andere Zäsur. Gischard muss vielleicht die Schulter operieren und überlegt, eine mehrwöchige Sportpause einzulegen. Baumann will entscheiden, ob
er in Zukunft den Mehrkampf sein lässt und sich auf seine Lieblingsdisziplinen konzentriert. «Mit 21 war alles ein bisschen einfacher», sagt er. Fürs Turnen auf höchstem Niveau reichts aber nach wie vor, und wie: Das haben die Medaillen in Basel gezeigt. 

Von Eva Breitenstein am 7. Mai 2021 - 12:00 Uhr