Susanne Kunz, im April 2019 haben Sie bekanntgegeben, die Moderation von «1 gegen 100» abgeben zu wollen. Mit welchen Erwartungen haben Sie das SRF Ende Dezember 2019 verlassen?
Ich hatte keine konkreten Erwartungen, denn ich suchte ja eben gerade danach, mich in das Ungewisse zu begeben. Ich war neugierig darauf, welche Veränderungen dieser Entscheid persönlich und beruflich mit sich bringen würde. Es war mir aufgrund früherer Erfahrungen bewusst, dass so ein Schritt sehr belebend und inspirierend, aber auch mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist. Und anfangs mit einer sehr leeren Agenda. Das auszuhalten, war gar nicht so einfach, sie hat sich dann glücklicherweise aber ziemlich rasch gefüllt.
Sie wollten sich vermehrt der Schauspielerei widmen. Inwiefern wurden Ihre Pläne vom Coronavirus durchkreuzt?
Mit der Produktion «Die Wunderübung» ging es grad noch auf. Wir konnten bis zur geplanten Dernière am 14. März spielen, dann kam der Lockdown. Damit wurden dann alle Event-Moderationen, ein weiteres Standbein von mir, entweder abgesagt oder gleich aufs 2021 verschoben. Das Pilates-Studio, in dem ich arbeite, wurde vorübergehend geschlossen, und ob die geplante Sommertheaterproduktion stattfinden würde, war anfangs ungewiss. Nun ist seit einigen Wochen klar, dass wir mit «Liebeslust und Schabernack» eine Corona-konforme Freilichttheater-Produktion mit reduziertem Ensemble spielen werden können. Wir sind in den Endproben und freuen uns riesig, dass das Turbinetheater unter der Leitung von Peter Niklaus Steiner und Dominik Zemp diese Produktion in sehr kurzer Zeit auf die Beine gestellt hat und wir alle Arbeit haben.
Das Coronavirus und die entsprechenden Massnahmen haben vielen Kulturschaffenden die Existenzgrundlage genommen. Wie sind Sie finanziell zurechtgekommen?
Nun, ich habe Unterstützung erhalten durch die Anmeldung von Kurzarbeit bei den Theaterprojekten, habe meine Pilatesstunden online weitergezogen und knabberte ein wenig an meinem Ersparten.
Haben Sie Ihre Kündigung – auch wegen der unsicheren finanziellen Situation – bei SRF je bereut?
Nein, bereut nicht, ich wusste ja von Anfang an, dass es der sicherere Weg wäre, die Sendung so lange wie möglich zu moderieren, gerade auch finanziell.
In welchen Momenten haben Sie sich gewünscht, zurück am Bildschirm zu sein?
Bisher habe ich keinen solchen Moment gehabt. Ich habe nie moderiert, um per se am Bildschirm zu sein. Ich liebe Fernsehen als Medium, die Stimmung im Studio vor der Kamera und hinter den Kulissen, die vielen unterschiedlichen Menschen, die man trifft. Es ist ein toller Job. Man möchte sich aber doch auch weiterentwickeln, und nach elf Jahren «1 gegen 100» sah ich da keine grossen Möglichkeiten mehr. Also muss man ehrlich zu sich sein und dem Herzen folgen, wenn man den Ruf nach Veränderung spürt. Sei es da, wo man sich gebettet hat, noch so bequem und eingespielt.
«Also muss man ehrlich zu sich sein und dem Herzen folgen, wenn man den Ruf nach Veränderung spürt, sei es da, wo man sich gebettet hat, noch so bequem und eingespielt»
Susanne Kunz
Eine Rückkehr an den Bildschirm haben Sie nicht ausgeschlossen. Wie stehen die Chancen, dass wir Sie schon bald wieder im TV sehen können?
Ich hatte bereits Angebote, die ich aber abgesagt habe, weil mir das Format nicht entsprochen hat. Ich bin ganz und gar nicht abgeneigt, arbeite momentan auch an einem Konzept für ein TV-Format, das aber eher in Richtung Reportage geht. Das wäre sehr interessant, weil das Thema mich sehr berührt.
Ab Mitte Juli stehen Sie bei der Produktion «Liebeslust & Schabernack» auf der Bühne. Was begeistert Sie am Stück?
Es hat einige sehr feministische Passagen drin, beispielsweise über Frauen, die eine freiere Sexualität fordern. Das sind Texte aus dem 14. Jahrhundert! Mich freut es, wenn man dann aufgrund dieser Texte zu recherchieren beginnt, zum Beispiel über das Gesetz der Sexualität als eheliche Pflicht – und dann herausfindet, dass dieses Gesetz in der Schweiz erst 2004 abgeschafft wurde. Wir sind ja immer noch im Mittelalter!
Der Autor des Stücks, Giovanni Bocciacco, hat die Pest überlebt. Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns erlebt?
Ich habe mich sehr über die gemeinsame Familienzeit gefreut, habe die Kinder mehr mitgekriegt als im normalen Alltagsbetrieb. Das empfand ich als Bereicherung. Es war aber auch eine unsichere Zeit, ich hatte teils keinen Boden unter den Füssen, fand mich der Freiheit beraubt. Aber auch der Ruhe beschenkt. Und ich hatte Zeit, ein neues Projekt anzugehen. Das Tempo im normalen Leben ist sehr hoch und ich möchte mir einen Teil dieser Lockdown-Ruhe auch weiterhin bewahren.
Was hat Sie während der gut drei Monate Lockdown am meisten besorgt?
Nicht zu wissen, wie lange diese Phase dauern wird. Die plötzliche Stille in der Stadt hatte was sehr Eigenartiges.
Sie waren während der Zeit mit Ihrem Mann David und den beiden Kindern Elfen, 14, und Soane, 9, zuhause. Welche Schwierigkeiten haben sich ergeben, als Sie zu viert aufeinandergehockt haben?
Dadurch, dass ich keine Arbeit hatte, war unsere Aufteilung klar: Ich kümmere mich voll und ganz um das Homeschooling der Kinder, um deren Freizeitbeschäftigungen und grösstenteils um den Haushalt. Diese klare Aufteilung hat einigen Problemen vorgebeugt, denke ich. Das Homeschooling hat mich in den ersten Tagen aber sehr herausgefordert und das gab dann ab und zu natürlich auch Streit. Ich wurde geduldiger, als ich jeden Morgen in der Früh erstmal alleine eine Stunde im Park spazieren ging, ab da lief es dann besser.
Wie gingen Sie mit der Belastung um, plötzlich auch als Lehrerin zu fungieren?
Nun, mein Sohn hat mich in Mathe bereits überholt, da musste er bei Unklarheiten dann jeweils seinen Vater fragen. Mit dem restlichen Stoff kam ich klar und konnte helfen. Sie haben aber beide auch immer wieder sehr selbständig gearbeitet. Die Kinder haben natürlich teilweise gebockt und waren semi-motiviert. Das war das Anstrengendste, den «Bad Cop» zu spielen. Aber ich musste keiner Arbeit nachgehen im Homeoffice für einen Arbeitgeber, wie andere meiner Freundinnen. Die hatten es sehr streng.
Welchen Schabernack haben Ihre Kinder während des Lockdowns mit Ihnen getrieben?
Gar keinen eigentlich, ausser vielleicht beim Kartenspielen. Da haben sie «bschisse» ohne Ende.
Worauf haben Sie nach dem Lockdown Lust?
Schwimmen im Freibad, endlich wieder Tanztrainings besuchen und auf ein Bier in einer Bar!
Sie sind auch als Pilateslehrerin tätig. Was gibt Ihnen das Unterrichten?
Es ist für mich sehr bereichernd, wenn die Menschen, die meine Klassen besuchen, nach einer Stunde sagen, sie hätten ein besseres Körpergefühl und es gehe ihnen auch mental besser. Bewegung ist für mich der Schlüssel zu einem glücklicheren Leben, mehr Gesundheit und Resilienz, und wenn ich das weitergeben kann, gibt mir das eine grosse Zufriedenheit.
Was hat Ihnen während des Lockdowns mehr gefehlt: das Film- oder das Pilates-Studio?
Mir haben am meisten das Tanztraining gefehlt und die Yogastunden. Es gab viele Online-Angebote, aber die Energie, die in einem Tanzsaal oder Yoga-Raum entsteht, konnten diese nicht ersetzen. Ich freue mich, dass nun beides wieder möglich ist. Die Pilateszone, unser Studio, ist wieder geöffnet, und ich freue mich, wieder live unterrichten zu können.
Seit vergangener Woche sind wieder Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen möglich. Ist der Ausnahmezustand im Kultursektor nun vorbei?
Schwer abzuschätzen. Es geht allmählich in Richtung Normalität, aber ich denke, dass viele im Kultursektor sehr leiden. Viele Events wurden abgesagt oder bis auf Weiteres verschoben. Vorbei ist der Ausnahmezustand nicht, nein.
Welches berufliche Ziel haben Sie sich für die nächsten Jahre gesetzt?
Ich möchte in tollen Theater- und auch Musicalproduktionen mitwirken können, meinen Kundenstamm als Pilateslehrerin erweitern und in einer TV-Serie mitwirken. Weiter erarbeite ich zusammen mit einer Kinesiologin ein «resilienzbasiertes» Trainingsprogramm für Firmen und Gruppen zur Förderung der persönlichen, zwischenmenschlichen und systemischen Fortentwicklung.
Wenn Sie noch einmal ans Jahresende 2019 zurückreisen könnten: Was würden Sie heute anders machen?
Wenn ich noch einmal einen Blick zurückwerfe, hätte ich mir noch mehr Momente der Leichtigkeit und des Humors erschaffen. Die Erfahrung zeigt, dass genau diese Momente sehr stärkend sind.
Die nächsten Bühnenengagements von Susanne Kunz:
- 8. Juli bis 2. August: «Liebeslust und Schabernack», Theater im Sihlwald
- ab Herbst: «Die Weinprobe», Theater Kaiserstuhl, ab Januar 2021 im Turbine Theater
- 2021: «Shitstorm», Bühne Thurtal