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Exklusiv: Schweizer Schwimmstar Noè Ponti

«Die Motivation wiederzufinden, war nicht einfach»

Olympia–Bronze, Weltrekorde. Und eine Enttäuschung an den Olympischen Spielen in Paris. Manchmal hat Noè Ponti die Nase voll vom Wasser. Aber nie lange! Ein Gespräch mit dem Tessiner Schwimmstar über Freunde, frühes Aufstehen und seine Pläne für 2025.

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Pontis Spezialdisziplin ist Schmetterling. «Dieser Stil hat sich für mich immer ganz natürlich angefühlt.»

Pontis Spezialdisziplin ist Schmetterling. «Dieser Stil hat sich für mich immer ganz natürlich angefühlt.»

GABRIEL MONNET

Die Sonne hat sich noch nicht über Tenero TI blicken lassen. Am Rand des kleinen Dorfes am Lago Maggiore sind die Räder eines Skateboards zu hören. Es ist sieben, als Noè Ponti (23), der beste Schwimmer der Schweiz, im Sportzentrum ankommt. Er ist schnell im Wasser – er hält Rekorde. Und er ist schnell in der Umkleidekabine. Nach wenigen Minuten erscheint er unter der Tragluftkuppel, die das Becken im Winter deckt, und taucht ins Wasser. Zwei Stunden und ein Express-Frühstück später trifft uns der 23-jährige Schwimmstar im Café der Anlage zum Gespräch.

Noè Ponti, der Tessiner Schwimmstar, brach an der Kurzbahn-WM in Budapest im Dezember 2024 drei Weltrekorde und holte drei Goldmedaillen.

Noè Ponti, der Tessiner Schwimmstar, brach an der Kurzbahn-WM in Budapest im Dezember 2024 drei Weltrekorde und holte drei Goldmedaillen.

GABRIEL MONNET

Noè Ponti, sind Sie ein Frühaufsteher?

Aufstehen fällt mir schwer (lächelt). Bin ich aber erst im Wasser, geht es; selbst wenn man mir das nicht ansieht. Ich war bei Rennen am Morgen immer gut. Früh aufstehen hat also seine Vorteile.

Schon mit drei schwammen Sie ohne Hilfe.

Mit zweieinhalb. Es war für mich ganz natürlich. Ich machte mit meinen Beinen Wellen, auch wenn man technisch gesehen noch nicht von einem Schmetterling sprechen konnte, da ich meine Arme nicht benutzte.

Mit sechs traten Sie in die Fussstapfen Ihrer Schwester, gingen in einen Verein.

Asia fing mit Schwimmen an, weil sie eine Skoliose hatte. Ich beobachtete sie, fand es toll, im Wasser zu sein, dachte: «Warum sollte ich es nicht versuchen?» Nach einem Monat hörte ich auf, weil sich einige in der Gruppe über mich, den Kleinsten, lustig machten. Dann fuhren wir nach Ägypten in die Ferien, ich schwamm im Roten Meer. Danach sagte ich meinen Eltern, dass ich wieder anfangen will. Seitdem habe ich nie mehr aufgehört.

Was ist Ihre erste Schwimmerinnerung?

Ehrlich? (Überlegt) Keine Ahnung. Ich schaue mir Fotos an und erinnere mich an einige Wettkampforte. Aber an keinen bestimmten Moment.

«Es ist nicht so, dass eine Medaille mich verändert. Meine Freunde sehen immer Noè.»

«Es ist nicht so, dass eine Medaille mich verändert. Meine Freunde sehen immer Noè.»

GABRIEL MONNET

Mit 15 absolvierten Sie zehn Trainingseinheiten pro Woche. Hatten Sie je genug vom Schwimmen?

Nie so sehr, dass ich aufhören wollte. Natürlich gibt es Zeiten, in denen es schwieriger ist, ins Schwimmbecken zu steigen. 2018 hatte ich zum Beispiel das Pfeiffersche Drüsenfieber. Ich musste auf die Bremse treten; die Motivation danach wiederzufinden, war nicht einfach.

Am Morgen der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio 2021 hörten Sie Ihren Wecker nicht.

Ich bin mir sicher, dass ich ihn gestellt hatte! Irgendwann höre ich, wie jemand klopft. Ich denke: «Wer wagt es, mich hier um sechs Uhr morgens zu wecken?» Ich schaue auf mein Handy: acht Uhr, obwohl ich um halb acht mit meinem Trainer das Hotel verlassen sollte! Anscheinend hatten sie versucht, mich über das Hoteltelefon zu erreichen. Ich ass schnell einen Energieriegel, und wir fuhren los. Mein Trainer erhielt übrigens eine Busse, weil er das Auto mitten auf der Strasse abgestellt hatte.

Wie sehr hat sich Ihr Leben später, nach der Olympia-Bronzemedaille in Tokio, verändert?

Vor allem im Tessin wurde ich auf der Strasse erkannt. Dadurch hat sich auch mein Blickwinkel verändert. Es geht nicht mehr nur darum, an Wettkämpfen teilzunehmen, sondern darum, sie zu gewinnen. Die Dimensionen haben sich verändert.

Die olympischen Ringe als Tattoo: 2021 in Tokio holt Ponti Bronze, 2024 in Paris wird er Vierter und Fünfter.

Die olympischen Ringe als Tattoo: 2021 in Tokio holt Ponti Bronze, 2024 in Paris wird er Vierter und Fünfter.

GABRIEL MONNET

Schwierig, die Bodenhaftung zu behalten?

Einfach ist es nicht. Aber es ist nicht so, dass eine Medaille mich als Person verändert. Vielleicht betrachten mich einige Leute anders. Aber meine Freunde sehen immer Noè und nicht den Athleten Ponti. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man etwas auf seinen Schultern trägt.

Vor Tokio hatten Sie beschlossen, in North Carolina zu studieren. Sie blieben nicht lange.

Das Studium in den USA war nicht, was ich zu diesem Zeitpunkt brauchte. Ich habe es versucht, aber merkte schnell, dass es vor allem mental und körperlich nicht passte, also kehrte ich nach wenigen Wochen zurück. Man muss wissen, wo die eigenen Grenzen liegen und wie man Nein sagen kann.

Die schwierigste Entscheidung Ihrer Karriere?

Wahrscheinlich. Nicht die Abreise an sich, sondern, es den Trainern zu sagen. Sie hatten viel Zeit in mich investiert. Und auch, es den anderen Jungs im Team zu sagen, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe. Das war nicht einfach.

Spass bei der Arbeit. Noè Ponti scherzt mit seinen Coaches Massimo Meloni (l.) und Andrea Mercuri (beide sitzend am Tisch).

Spass bei der Arbeit. Noè Ponti scherzt mit seinen Coaches Massimo Meloni (l.) und Andrea Mercuri (beide sitzend am Tisch).

GABRIEL MONNET

Im Nachhinein die beste Entscheidung?

Das werden wir wohl nie erfahren (lächelt). Wäre ich geblieben, hätte ich in Paris vielleicht vier Goldmedaillen gewonnen. Aber ich bereue es nicht im Geringsten. Das Leben ist manchmal auch ein Glücksspiel.

Wie haben Sie Olympia in Paris erlebt?

Verrückt, vor 18 000 Zuschauern zu schwimmen! Das einzige Problem: mein vierter und mein fünfter Platz. Das sind eindeutig nicht die besten Plätze, vor allem nicht bei Olympischen Spielen. Körperlich war ich in Topform. Nur mental reichte es nicht. Am Ende muss man damit leben und das Beste daraus machen.

Was haben Sie direkt nach Paris gemacht?

Eine lange Pause von sieben Wochen. Anfangs war ich nicht mal in der Lage, ins Wasser zu springen. Ich tat es nur, um mich abzukühlen, weil es so heiss war. Meine Motivation und mein Privatleben waren nicht auf dem Höhepunkt. Aber sobald ich wieder mit dem Training anfing, ging es mir viel besser.

Mit dem Skateboard düst Noè Ponti von seinem Auto zum Eingang des Centro Sportivo in Tenero, wo er trainiert.

Mit dem Skateboard düst Noè Ponti von seinem Auto zum Eingang des Centro Sportivo in Tenero, wo er trainiert.

GABRIEL MONNET

Sie hatten es satt, ins Wasser zu gehen?

Ja. Die längste Pause, die ich zuvor gemacht hatte, waren drei Tage an Weihnachten. Ansonsten war ich sechs- oder siebenmal pro Woche im Wasser. Ich glaube, es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn ich gewonnen hätte. Aber Vierter zu werden, ist noch schlimmer. Ich wollte für eine Weile nicht mehr ins Wasser.

Dennoch endete 2024 für Sie sehr erfolgreich. Drei Weltmeistertitel: über 50 und 100 Meter Schmetterling und 100 Meter Lagen und zwei Weltrekorde im kleinen Becken.

Einen Weltrekord zu brechen, ist fast wie, eine olympische Medaille zu gewinnen. Davon träumt man sein Leben lang. Schwierig zu erklären, was im Kopf vorgeht, aber es ist ein grossartiges Gefühl.

Stolz?

Ja, ich denke schon. Es ist wichtig, stolz zu sein.

Im Sommer 2025 findet die WM in Singapur statt. Wiederholen Sie die Erfolge?

Das wird schwer, wir werdens sehen. Ich werde nicht mehr über 200 Meter Schmetterling schwimmen, und wir werden mit meinen Trainern neue Dinge ausprobieren. Die Medaille bei der Langbahn-WM ist die einzige, die mir noch fehlt. Das Ziel ist, eine zu gewinnen, egal welche. Hauptsache, keine aus Schokolade (lacht).

Von Matthias Davet am 7. März 2025 - 18:00 Uhr