Der Blick von der Terrasse ist frei auf den Wald. Manchmal laufe ein Dachs vorbei, sagt Annakin, 45, oder ein Reh stehe im Garten. «Wenn ich zurückblicke, erkenne ich enge Verbindungen zu diesem Ort.» In Baden AG ist die Musikerin, die gebürtig Ann Kathrin Lüthi heisst, aufgewachsen, bis sie im Alter von 22 Jahren für ihr Anglistik-Studium auszog. Sie verliess den Aargau und blieb mehr als 20 Jahre in Zürich, wurde durch die Heirat mit Fotograf Christian Ammann, 45, gar Stadtzürcherin. Doch seit gut einem Jahr ist sie wieder zurück. «Ich habe mich sofort wieder heimisch gefühlt. Dabei dachte ich, ich würde Zürich mehr vermissen.»
Schon länger hatten Annakin und ihr Mann etwas Neues gesucht. Die Sommer in der Zürcher Altstadtwohnung wurden immer heisser, die Umgebung lauter. In Baden kauften sie schliesslich eine denkmalgeschützte Wohnung – wegen der Kreuzkonstruktion aus Holz – mit 3,5 Zimmern. Beim Umbau wirkten sie mit. Etwa im Eingangsbereich: Zu den Schränken hat Annakin einen Garderobenbereich mit Sitzbank inklusive Stauraum konzipiert. So wirkt der Eingang luftiger, das Anziehen der Schuhe gestaltet sich gemütlicher.
«Wir haben sehr klassisch gebaut, dazu lässt sichs besser dekorieren»
Gäste müssen nicht weit schreiten, um im Daheim von Annakin eine kleine Weltreise zu erleben. Das WC mit seiner Mustertapeten-Adaption von William Morris aus London ist ein Hingucker. Ausgestattet hat sie es mit einem Böxli aus Myanmar, Lämpchen aus Kopenhagen, einem Spiegel vom Bürkliplatz-Flohmarkt und einem Seifenhalter aus Udaipur, Indien. «Wir haben sehr klassisch gebaut, dazu lässt sichs besser dekorieren.»
Der Flur führt in den Ess- und Wohnbereich. Nach 16 Jahren Parkett läuft das Paar nun auf einem Mineralguss-Boden mit 2,5 Prozent Schwarzanteil durch die eigenen vier Wände. «Anfangs bekam ich wegen des härteren Bodens Rückenweh», sagt Annakin und macht auf die Struktur aufmerksam. «Wir wollten etwas, das wie die Oberfläche des Mondes aussieht.» Immerhin: Auf dem echten bewegte sich noch gar keine Frau.
«Viele Möbel begleiten uns schon sehr lange»
Auf die Wand des Essbereichs hat der Jurassier Augustin Rebetez persönlich ein Kunstwerk aufgemalt. «Die Kommunikations-Viehchli», wie Annakin die Fantasiefiguren nennt, «widerspiegeln die Gemütszustände des Künstlers sowie der Tiere.» Ein weiterer Blickfang befindet sich gleich gegenüber – die Küche aus Messing. «Wenn die Sonne auf die goldenen Flächen scheint, wirft die Küche Licht in den ganzen Raum.»
Der Übergang zum Wohnbereich ist offen. Doch mit dem ersten Schritt in die Stube erhöht sich der Luftraum auf sieben Meter. Drei Kronleuchter, darunter einer ihrer Grosstante, zieren die Decke. Eine Holztreppe führt in die Galerie, wo es musikalisch wird: In ihrem offenen Studio hat die Sängerin mit der klaren Stimme, die oft als feenhaft beschrieben wird, während des Lockdown ihr neustes Demo aufgenommen. «Die Akustik ist sehr gut, nicht so trocken, aber genial», sagt sie und lacht. «Einzig das Vogelgezwitscher störte manchmal die Aufnahmen.» Ihre melancholischen Lieder handeln von der Liebe, vom Weltschmerz und den Planeten, die uns umgeben, und davon, wie klein wir doch sind. «Das Düstere respektive die Idee vom Licht und der Dunkelheit als Metapher für das Gute und das Böse birgt grosse Kreativität in sich», sagt Annakin, die entgegen ihren hell eingerichteten 120 Quadratmetern besonders die geheimnis- und klangvollen Nächte spannend findet. Nächstes Jahr soll ihr siebtes Album erscheinen. Dann steht auch ihr grosses Bühnenprojekt an. Zusammen mit dem Orchester Argovia Philharmonic wird sie Konzerte geben, die auch für Kinder interessant sind.
In ihrem luftigen Sommerkleid und auf baren Füssen wandelt Annakin durch die Räume und setzt sich in den «Stingray»-Sessel vor dem runden Dachfenster. An Sitzgelegenheiten mangelt es nicht. Vom «Tulip Chair» über das «Swan»-Sofa von Arne Jacobsen – «wir haben viele Möbel, die uns schon sehr lange begleitet haben». Sie tragen wesentlich dazu bei, dass Annakin sich nach über 20 Jahren Zürich wieder so wohl in Baden fühlt. Einzig beim Gedanken an den Zürichsee blutet ihr Herz ein wenig.