Als das Flugzeug in Zürich landet, fahren vier grosse Feuerwehrautos auf die Rollbahn und positionieren sich um den Flieger. Mit Blaulicht und Sirenen heissen sie die 80 Retterinnen und Retter und ihre 14 Suchhunde zu Hause willkommen. Die Männer und Frauen in Orange wirken müde, als sie aus dem Flugzeug steigen. An ihnen sind noch die Spuren der Zerstörung in der Türkei zu sehen: Die Kleider sind dreckig, einige der Hunde haben Verbände an den Pfoten.
Doch das alles ist schnell vergessen: Im Hangar der Rega warten bereits die Liebsten auf ihre Heldinnen und Helden. Familie und Freunde überreichen ihnen Rosen, trösten sie mit Umarmungen. «Dieser Empfang war herrlich», sagt Hundeführerin Silvia Dummermuth (54) aus Thierachern BE. «Aber natürlich auch sehr emotional für uns alle.»
Die Rettungskette konnte in der türkischen Provinz Hatay elf Menschen in den Trümmern aufspüren. Mehr als 100 Stunden nach den Erdbeben haben sie am Freitag ein sechs Monate altes Baby und seine Mutter lebend geborgen. Das zweite Team aus der Schweiz mit sechs Redog-Hunden und zehn Hundeführerinnen und Hundeführern half mit der türkischen Rettungsorganisation GEA bei der Bergung von 41 Überlebenden in der Hafenstadt İskenderun.
Unter den Hundeführern auch Silvia Dummermuth mit ihrer Merida. «Sie hat sich wirklich tapfer geschlagen», sagt die Ärztin. Es war für den Golden Retriever der erste Einsatz nach der jahrelangen Ausbildung. «Ich bin sehr zufrieden mit ihr.»
Hinter Silvia Dummermuth und Merida und den anderen Redogs liegt eine strenge Woche zwischen Schutt und Asche. «Vor allem die ersten 48 Stunden waren sehr intensiv», sagt sie. «Da konnten wir die meisten Menschen lebend aus den Trümmern befreien, danach immer weniger.»
Die Männer und Frauen waren in diesen ersten zwei Tagen quasi im Dauereinsatz, gingen oft nur für zwei, drei Stunden zurück ins Lager, um sich kurz auszuruhen, bevor die Suche weiterging.
Auch die Nachbeben erschwerten ihren Einsatz zwischen den Trümmern immer wieder. «Zwei Kollegen waren gerade in einem Gangsystem, als die Erde erneut zu beben anfing. Sie hatten danach ganz zerfetzte Knieschoner, weil sie da so schnell rausgekrochen sind.» Ernsthaft verletzt wurden aber weder Menschen noch Hunde.
Den letzten Abend in der Türkei wird Silvia Dummermuth nicht so schnell vergessen. «Wir waren auf einem Schadensplatz, an dem die Hunde immer wieder Interesse zeigten.» Sie hätten zwar nie gebellt – was ein klares Zeichen gewesen wäre, dass jemand unter den Trümmern liegt –, doch seien die Tiere stets wieder zu dieser einen Stelle zurückgekehrt.
Am Sonntagabend konnten sie dann tatsächlich eine Frau aus dem zusammengestürzten Haus retten. Nachdem die Frau fast 160 Stunden verschüttet war – ein kleines Wunder. «Es war so eindrücklich», sagt Silvia Dummermuth. «Das werde ich nie mehr vergessen.»
Doch immer wieder fanden sie auch Menschen, die bereits tot waren. Bilder, die belasten. «Ich bin froh, dass wir als Team so zusammengewachsen sind. Wir konnten über alles reden, uns über alles austauschen. Das hat mir unglaublich gutgetan.»
Die Freiwilligen von Redog haben vor ihrem Rückflug in die Schweiz ihr ganzes Equipment – Suchgeräte, Werkzeuge, Schlafsäcke und Medikamente – vor Ort gelassen. «Das fühlte sich richtig an. So können die Leute in der Türkei davon Gebrauch machen.»
Nach ihrem Einsatz sagt Dummermuth: «Ich bin froh, dass ich irgend-wie helfen konnte. Für mich wäre es schwieriger gewesen, in der Schweiz zu bleiben und nichts zu tun.»
Nach der Ankunft der Retterinnen und Retter stehen plötzlich 60 Türkinnen und Türken vor dem Rega-Hangar am Zürcher Flughafen. Viele halten ihre Handys in die Luft, einige wischen sich Tränen aus dem Gesicht.
Sie alle sind gekommen, um den Helfern zu danken. «Ihr seid die wahren Helden, ihr seid die wahren Helden!», rufen sie, als die Retterinnen und Retter vor sie treten. Sie umarmen die Männer und Frauen. «Danke für euren Einsatz für unsere Familien», ruft eine Frau. Eine Bestätigung mehr für ihre Arbeit