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SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky

Die unerschrockene Journalistin

Ihre Festnahme in Belarus bewegt die Schweiz. Zurück in der Freiheit, spricht SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky über ihre Hassliebe zu Osteuropa, verrückte Ideen und ihre weiblichen Vorbilder.

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Luzia Tschirky, Journalistin

Als Korrespondentin berichtet Luzia Tschirky fürs SRF aus Russland und den ehemaligen Sowjetstaaten.

ZVG

Ein Wintermorgen in der belarussischen Hauptstadt Minsk. Zwei Frauen und ein Mann sind zu Fuss unterwegs. Als sie vor einer Ampel stehen bleiben, stoppt ein Minibus vor ihnen. Maskierte Männer springen raus, zerren die drei in den Wagen, wo sich bewaffnete Polizisten der Sondereinheit OMON befinden.

Was wie eine Szene aus einem Krimi tönt, wird für die 30-jährige Schweizerin Luzia Tschirky und ein befreundetes belarussisches Paar am vergangenen Sonntag Realität. Die SRF-Korrespondentin für Russland und die ehemaligen UdSSR-Staaten ist heikle Situationen gewohnt. Auch in Russland wurde sie schon grundlos festgenommen. Auf den Strassen von Belarus protestieren seit Monaten Hunderttausende gegen den Machthaber Alexander Lukaschenko. Die Polizei geht rücksichtslos und willkürlich gegen Demonstranten, belarussische Staatsbürger und ausländische Medienschaffende vor.

Auf der Polizeistation werden Tschirky und ihre Bekannten in einem Keller mit 27 anderen Menschen festgehalten, welche die Sondereinheit OMON wahllos mitgenommen hat. Darunter alte Leute, etwa eine Frau am Gehstock oder eine mit Herzproblemen. Nach drei Stunden wird die Schweizerin dank Intervention des EDA beim belarussischen Aussenministerium freigelassen. Der Mann ihrer Bekannten wird zu 25 Tagen Haft verurteilt, ihre Bekannte zu 20 Tagen. Grund: unbekannt. «Das Urteil hat keinen Bezug zur Realität», schreibt Tschirky auf Twitter. 

Der aktuelle Vorfall schockiert die Schweiz. Bundesrat Ignazio Cassis zeigt sich im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» besorgt: «Frau Tschirky sollte jetzt vorsichtig sein.» Sie selbst sagt der Schweizer Illustrierten: «Es kamen Bilder vom Sommer hoch, als hier Menschen wahllos totgeprügelt wurden.» Sie hält am Telefon inne, sagt dann: «Ich hatte nicht Angst um mein Leben, aber um meine körperliche Unversehrtheit.»

Nichts für ihre Freunde tun zu können, belastet Tschirky. Doch sie lässt sich nicht einschüchtern. «Im Moment fühle ich mich ohnmächtig. Doch mein Job gibt mir das Gefühl, wenigstens irgendetwas gegen diese Ungerechtigkeiten tun zu können.»

Luzia Tschirky, Journalistin, 18.1.2021 - Dreharbeiten Moskau

Dreharbeiten in riskantem Umfeld wie hier im Januar in Moskau gehören für die 30-jährige Ostschweizerin zum Alltag.

Instagram

Tschirky entdeckt ihr Interesse für Journalismus und Politik früh. «Wir haben zu Hause stets Zeitungen gelesen, die ‹Tagesschau› oder ‹10vor10› geschaut. Das hat mich geprägt.» Sie kann sich noch gut an den Schweizer Uno-Beitritt erinnern und den TV-Bericht dazu von Stephan Klapproth aus New York. Da ist die Sarganserin zehn Jahre alt. Ihre Begeisterung für Osteuropa, die sie als «absurdes Faszinosum» oder auch als «Hassliebe» bezeichnet, beginnt mit einer Gymi-Reise nach Ungarn. Danach lernt sie Russisch. Nach der Matura fliegt sie nach Moskau, um als Korrespondentin über die Wahlproteste zu berichten. Ihre Eltern informiert sie erst unterwegs. «Was andere für verrückt halten, passt zu mir. Meine Eltern haben mich stets unterstützt, mutig zu sein, meinen Weg zu gehen.»

Dieser Weg hat sie über verschiedenste Stationen geführt: Sie studiert osteuropäische Kulturen, ist Delegierte der Europäischen Jugendpresse, gründet das Netzwerk Medienfrauen Schweiz, weil ihr als junge Journalistin Frauen im öffentlichen Diskurs fehlen. Sie arbeitet für verschiedene Zeitungen, Radio- und TV-Sender, bevor sie 2019 die trimediale Ausbildung beim SRF abschliesst und den Job als Korrespondentin in Moskau antritt – als erste Frau in dieser Position. Vor Ort sei das jedoch nichts Spezielles. Bei anderen Sendern gebe es mittlerweile viele Frauen im selben Job, sagt Tschirky, die TV-Frau Susanne Wille als ein Vorbild nennt. «Zudem ist es in Russland normal, dass Frauen arbeiten.»

Tschirky lebt mit ihrem Mann, einem russischen Journalisten, der als Korrespondent für eine grosse deutsche Tageszeitung arbeitet, und einer Katze in Moskau. Trotz stressigem Job besteht ihr Leben nicht nur aus Arbeit. So meditiert sie und hat kürzlich eine Langlauf-Ausrüstung gekauft. «Eine gute Abwechslung, auch wenn sich Dario Cologna über mein Können amüsieren würde», sagt Tschirky und lacht.

Seit Weihnachten 2019 ist sie, auch Corona-bedingt, nicht mehr in der Schweiz gewesen. «Als mein Mann während der Verhaftung mit meiner Mutter über eine allfällige Ausweisung aus Belarus sprach, meinte sie: ‹Nicht tragisch, dann könnte sie mal wieder nach Hause kommen›», erzählt Tschirky. So schnell wird das aber nicht passieren. Sie fühlt sich wohl in Russland. «Das Klischee der grimmigen Menschen stimmt nicht. Wenn sie Vertrauen fassen, sind sie herzlich und reflektiert.»

Von Sarah van Berkel am 7. Februar 2021 - 13:00 Uhr