Thomas Matter bückt sich zu seiner Hündin Whisky runter, sagt: «So, jetzt singen wir zusammen eins», und fängt an zu heulen. Der Appenzeller Sennenhund schaut ihn kurz an – und stimmt mit ein. «Das ist ihr Ritual», sagt Marion Matter (48) und lacht. «Immer wenn er heimkommt.»
Thomas Matter (57) hat eine musikalische Ader. Früher spielte er Klavier, aber dafür fehlt dem SVP-Nationalrat und Unternehmer heute die Zeit. Stattdessen ist er als DJ Tommy unterwegs. Für seine Partei hat er kürzlich den Wahlkampfsong «Das isch d’SVP» produziert. Ein Poplied mit dazugehörigem Videoclip.
Während er als DJ hinter dem Mischpult steht, tanzen unter anderem Bundesrat Albert Rösti, Parteipräsident Marco Chiesa und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher in einer dunklen Bar zu Zeilen wie «Eimal ufe, eimal abe. Kein Schritt links und zwei Mal rächts».
Nur einen Tag nach Veröffentlichung ist das Video gesperrt. Die Musikfirma Sony hat interveniert. Der Refrain sei abgekupfert von «We Are Family» von der Band Sister Sledge. «Das sind höchstens drei oder vier gleiche Noten», sagt Matter. «Es gibt Tausende andere Lieder, die ähnlicher sind. Das ist meines Erachtens nur passiert, weil die Musikindustrie so links ist.» Die Ehefrau stimmt zu: «Ich denke auch, dass das politisch motiviert war.»
Willkommen bei der SVP
Die Matters sitzen daheim in Meilen auf dem Sofa. Er hat sich in der Stube eine Zigarette angezündet. Das Haus oben am Berg hat das Ehepaar vor 13 Jahren gebaut. Die Villa mit Turm im mediterranen Stil fällt sogar an der Goldküste auf, die «Bilanz» schätzt das Vermögen des gelernten Bankkaufmanns auf 150 bis 200 Millionen Franken. Er gründete zwei Banken und ist Inhaber der Matter Group. Thomas und Marion Matter leben hier mit ihrer 15-jährigen Tochter.
Aus erster Ehe hat er drei erwachsene Töchter. Marion Matter wurde im Februar für die SVP in den Kantonsrat gewählt. «Für mich war das eine grosse Überraschung», sagt sie. «Ich wusste, dass es klappen würde», sagt er. «Seither habe ich keinen warmen Znacht mehr bekommen», fügt er scherzend hinzu. SVP-Humor.
Bereits im Jahr 2015 hat DJ Tommy einen Wahlkampfsong herausgebracht. «Welcome to SVP», eine Coverversion von DJ Antoines «Welcome to St. Tropez». Damals mit Erlaubnis des Musikers, der wie Matter aus Sissach BL stammt. Der Song hat über eine Million Klicks. Nach den Wahlen 2015 sagt Politologe Claude Longchamp, die Partei habe damit Neuwähler angesprochen.
Genau da wollte Matter anknüpfen. «Politik muss nicht immer ernst und bieder sein. Wir können über uns lachen, und wir können es lustig haben. Mit so einem medialen Aufschrei hätte ich jetzt auch nicht gerechnet.»
«We are Family»
In einem Artikel über Matter im Onlinemagazin «Republik» vom April steht, dass «We Are Family» damals sein Handyklingelton war. «Ja, das stimmt. Aber ich ändere meinen Klingelton ständig. Vielleicht hatte ich deshalb die Melodie im Ohr. Aber das war mir nicht bewusst.» Und dann meldete sich auch noch der Komponist von «We are Family», Nile Rodgers, zu Wort. In seinem Lied gehe es um Inklusion und Vielfalt auf allen Ebenen. Er verurteile die Verwendung seines Songs durch die SVP und all jene, die sich nicht an diese Werte hielten.
«Immerhin haben die Medien spätestens dann vergessen, dass sie unseren Song totschweigen wollten», sagt Matter lachend. «In den ersten zwei Wochen sind über 6500 Artikel dazu erschienen.» Er drückt seine Zigarette aus. «Ich darf es ja fast nicht laut sagen, aber wir haben unser Ziel erreicht – wenn auch ungewollt.»
Er gibt den Ton an
Es ist nicht das erste Mal, dass Thomas Matter mit Provokationen auffällt. In seiner wöchentlichen Youtube-Serie «In dem Sümpfen von Bern» teilt der Politiker regelmässig aus – gegen Klimaaktivisten, gegen Medien, gegen Kollegen. So bezeichnete er etwa eine linke Politikerin als «Michelin»-Männchen. «Aus meiner Sicht ist klar, dass wir alles daransetzen müssen, dass die SVP zulegt und wir das Mitte-Links-Parlament in Bern brechen können», sagt er. «Da sind alle Mittel erlaubt, solange sie legal sind.»
Matter ist nicht nur zuständig für den Sound der SVP. Als Mitglied der Parteileitung kämpft er mit seiner SRG-Initiative dafür, dass Radio- und Fernsehgebühren von 335 auf 200 Franken sinken, und als Mitinitiant der Nachhaltigkeitsinitiative dafür, dass die Schweiz nicht über zehn Millionen Einwohner hinaus wachsen soll.
Der aktuelle SVP-Song mit Zeilen wie «Geiler, steiler und no viel me! Hey – das isch d’SVP!» ist inzwischen wieder online – mit angepasster Melodie im Refrain. DJ Tommy legt ab September mit Kollege DJ Alfred Heer in verschiedenen Bars in Zürich auf – die Freude an der Musik ist nicht verblasst.