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Beltracchi & Gubser

Ein Fälscher, ein Kommissar und die Liebe

Mit seinen Bildern führte Wolfgang Beltracchi einst die Kunstwelt hinters Licht. Stefan Gubser hingegen brachte früher als «Tatort»-Ermittler die Wahrheit an den Tag. Jetzt beleuchtet er die kriminell-schöne Liebes­geschichte des Malers.

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<p>Die Liebe im Blick: Helene und Wolfgang Beltracchi sind seit 32 Jahren verheiratet, Stefan und Brigitte Gubser «erst» seit 28 Jahren.

Die Liebe im Blick: Helene und Wolfgang Beltracchi sind seit 32 Jahren verheiratet, Stefan und Brigitte Gubser «erst» seit 28 Jahren.

Geri Born

Das grosse Glück der Liebe besteht darin, Ruhe in einem anderen Herzen zu finden», befand einst die französische Schriftstellerin Julie de Lespinasse. Die Ruhe im Herzen des jeweils anderen scheinen Helene (67) und Wolfgang Beltracchi (74) gefunden zu haben. So verliebt wie der Künstler seine «Lene» anschaut; wie ihre Augen strahlen, während sie sich an seine Schulter schmiegt. 32 Jahre sind sie verheiratet, sind gemeinsam durch gute Zeiten gegangen, haben in schlechten Zeiten treu zueinandergehalten.

Die Beltracchis gelten als Bonnie und Clyde der Kunstwelt. Ihre kriminelle Geschichte kennt fast die ganze Welt. Auf das Konto von Wolfgang und Helene Beltracchi geht der wohl grösste Kunstskandal der Nachkriegszeit. 2011 wurde das Paar in Deutschland wegen gewerbsmässigen Bandenbetrugs zu sechs Jahren Knast verurteilt. 14 Monate sassen beide in U-Haft, den Rest im offenen Vollzug. Sie durften sich nicht sehen, nicht miteinander sprechen, sich nur schreiben. 8000 Seiten umfasst der Briefwechsel der Eheleute aus dieser Zeit. Zeilen, die eine berührende Liebesgeschichte erzählen.

Den Knastbruder in Erinnerung: Im Gefängnis ­zeichnete er unter anderem einen Mithäftling von den Hells Angels.

Den Knastbruder in Erinnerung: Im Gefängnis zeichnete er unter anderem einen Mithäftling von den Hells Angels.

Geri Born

Die Lovestory des kriminellen Paars bringt nun ausgerechnet ein Kriminaler auf die Theaterbühne: Stefan Gubser (67) ehemaliger «Tatort»-Kommissar, Schauspieler, Produzent und Autor, inszenierte das wahnwitzige Leben der Beltracchis zu einem fesselnden Bühnenstück. Gubser schlüpft dabei in die Rolle des Meisterfälschers, Mona Petri spielt dessen Frau Helene. «Die Briefe, die sie sich im Knast schrieben, bilden dabei den Rahmen», sagt Gubser. Das Theaterstück «Unverfälscht» erzähle, «wie sie sich kennenlernten und zum ersten Mal in die Kiste hüpften».

Auf der Bühne trägt Gubser aber weder Hut noch Hawaiihemd, die Markenzeichen des berühmten Kunstfälschers. «Das wäre lächerlich. Die Story ist so spannend, das brauchts nicht.»

Den Meister­fälscher im Visier: Ex-«Tatort»-­Kommissar Stefan Gubser rückt im Atelier von Wolfgang Beltracchi in Meggen an.

Den Meisterfälscher im Visier: Ex-«Tatort»-Kommissar Stefan Gubser rückt im Atelier von Wolfgang Beltracchi in Meggen an.

Geri Born

«Echte Kunstwerke» seiner Frau

«Hallo, mein Engel» – so beginnt einer der Knast-Liebesbriefe Wolfgangs. Nicht nur die rund 8000 eng beschriebenen A4-Seiten hat das Paar in einer Kiste auf dem Speicher seines Ateliers in Meggen LU aufgehoben, auch die von Helene kunstvoll als Collage gestalteten Umschläge ihrer Briefe sind säuberlich abgeheftet. «Das sind echte Kunstwerke», lobt Wolfgang. «Immer wenn mir ein solcher Umschlag ausgehändigt wurde, freute ich mich riesig.»

Persönlich kennengelernt hat Stefan Gubser Wolfgang Beltracchi bei einem Talk in Zürich. «Ich kannte die Story des Meisterfälschers nur aus den Medien, mehr aber nicht.» Nachdem er die Beltracchi-Bücher «Selbstporträt» und «Einschluss mit Engeln» gelesen habe, sei er so fasziniert gewesen, dass er bei dem Ehepaar um dessen Einverständnis für das geplante Bühnen-stück angefragt habe. Gubser erhielt nicht nur das Okay der beiden, «sie verzichteten auch gänzlich darauf, davon finanziell zu profitieren».

Für Beltracchis als Theaterfans ist es eine Selbstverständlichkeit, Gubser sieht es als «total grosszügig» an. Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit den beiden Protagonisten extrem angenehm gewesen. «Als Wolfgang zum ersten Mal sah, was wir auf der Bühne zeigen, hatte er feuchte Augen. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.»

Die Kunst vor ­Augen: Beltracchi vor einem seiner Werke. Der Künstler malt «nur» rund zehn Bilder pro Jahr.

Die Kunst vor Augen: Beltracchi vor einem seiner Werke. Der Künstler malt «nur» rund zehn Bilder pro Jahr.

Geri Born

Private Gedanken – «Genehmigt!»

Dass ihre Liebesbriefe aus der Haftzeit so öffentlich werden, damit hat weder Wolfgang noch Helene Probleme. Natürlich sind das sehr private und innige Gedanken, allerdings wurden die ja auch schon von den Ermittlungsbehörden, der Gefängnisleitung, von Richtern und der Staatsanwaltschaft mitgelesen und jeder persönliche Brief mit «Genehmigt!» oder «Ausgehändigt!» abgestempelt. 14 Jahre sind die Briefe alt. Sie wieder in den Händen zu halten, berührt das Paar noch immer sehr.

Ihre Liebesgeschichte auf der Bühne startet mit der Premiere in Davos am 28. Februar, danach gehts auf Tour durch die Schweiz (Termine unter wortspektakel.ch). Im echten Leben ist Helenes und Wolfgangs Lovestory um ein Kapitel reicher geworden. Sie sind seit zwei Monaten Grosseltern, ihre Tochter Franziska, die in London lebt und wie ihr Vater malt, schenkte ihnen eine Enkeltochter. Die Beltracchis könnten zur Malerdynastie aufsteigen – auch das wäre wohl bühnenreif.

Von René Haenig vor 22 Stunden