Die Flaggen am Strassenrand verkünden, dass wir uns nun in einem Königreich befinden. Seine Wege sind 900 Kilometer lang und erstrecken sich von Chur über Arosa und Lenzerheide bis ins Albulatal. Vor Nieselregen und Nebel ist aber auch dieses Reich nicht gefeit. Bei der Rothornbahn in Lenzerheide GR liegt der Mittelpunkt des Bike Kingdom. Hier empfängt uns Marc Schlüssel, 40: «Biken gibt mir ein gutes Gefühl», sagt der stellvertretende Tourismusdirektor der Region. «Ich bewege mich generell gerne draussen in der Natur und komme dabei in einen richtigen Flow.»
So geht es immer mehr Schweizerinnen und Schweizern. «Für Graubünden sind die Biker seit 15 Jahren eine wichtige Zielgruppe», sagt Marc Schlüssel. Sie stärken das Sommergeschäft und sorgen für mehr Übernachtungen in den Bergen. Das Besondere im Bike Kingdom ist eine App, eine Art digitaler Kompass für die Fahrer. Wer sie hat, kann sich einem Clan anschliessen. Entspannte wählen die Gruppe «Flow», Motivierte die Gruppe «Shred», und Sprunghafte gehören zu «Drop». Das ist nicht nur Spielerei, sondern hat einen konkreten Sinn. Je nach Clan-Zugehörigkeit werden den Bikern Trails an verschiedenen Orten vorgeschlagen. «Ziel ist die Entflechtung», erklärt Marc Schlüssel, während er sein Bike einen Waldweg hochschiebt. «Wir verhindern, dass sich alle Fahrer im selben Gebiet aufhalten.» Das freut wiederum die Wanderer – denn in Graubünden dürfen alle Wanderwege von Fussgängern und Velofahrern benutzt werden.
Die App «Bike Kingdom» ermutigt dazu, sich mit anderen zu vergleichen. «Aber nicht, was die Geschwindigkeit angeht», betont Schlüssel: «Wir wollen keine Rennen auf Zeit.» Stattdessen geht es ums Kennenlernen und «Sammeln» möglichst vieler Strecken. 60 000 Personen haben die App heruntergeladen. «Und nicht nur Junge. Bei Männern ab 50 kommt diese Art von Game gut an.» Der Vorteil für Touristiker Schlüssel: Er sieht, wer wo wie lange unterwegs ist, kann Angebote und Anreize besser platzieren. Und er hofft dank der App auf eine starke Bindung der Biker zu ihrem «Königreich».
Nicht nur Ski-, sondern auch Bikenation
Wer das Biken nicht zu einem Game machen möchte, kann einfach die Karten auf der App nutzen. Ob mit oder ohne digitale Hilfsmittel – für Marc Schlüssel, dessen Söhne auch angefressene Biker sind, ist klar: «Die Schweiz ist längst nicht mehr nur eine Ski-, sondern auch eine Bikenation.
Und eine Bärennation! Wir wechseln vom Rothorn rüber zum Weisshorn und landen in einem ganz anderen Reich – jenem von Amelia und Meimo. Die Braunbären sind die Sommerattraktion von Arosa. Derzeit grasen und fressen sie 30 Kilogramm pro Tag. «So bereiten sie sich auf die Winterruhe vor», sagt Pascal Jenny, Präsident von Arosa Tourismus. Der 47-Jährige kam zum Bär wie die Jungfrau zum Kind – und ist ebenso froh drum. «Dank ihnen haben wir im Sommer 40 Prozent mehr Hotelübernachtungen in Arosa.»
Vom Holzsteg aus blicken wir direkt auf Meimo und Amelia hinab, die mit einer leichtfüssigen Gemächlichkeit durch die Landschaft streifen. Früher wurden sie in einem albanischen Restaurant zur Belustigung der Besucher gehalten, nun führen sie ein bärengerechtes Leben.
Leid und Freude beobachtet
Was die Besucher des Bärenlands nicht merken: Meimo und Amelia werden auf Schritt und Tritt überwacht. 16 Kameras zeichnen ihre Bewegungen auf. «Wir können auf dem Tablet und auf dem Handy jederzeit überprüfen, ob alles okay ist», sagt Rochus Caluori. Der 38-Jährige ist wohl der einzige Informatiker, der eine Zusatzausbildung in der Bärenpflege gemacht hat. «Die Kameras sind wichtige Hilfsmittel, da die Tiere auf einem grossen Gebiet unterwegs sind und wir weniger Personal haben als in einem Zoo.» Die Tierpfleger haben so bereits Trauriges beobachtet – die nächtlichen Epilepsieanfälle des inzwischen verstorbenen Bären Napa beispielsweise. Sie wurden aber auch Zeugen schöner Szenen – eines Nachts schmiegten sich Meimo und Amelia plötzlich ganz eng aneinander.
Das digitale Bärenland
«Dass die Technik hier oben auf 2000 Metern überhaupt funktioniert, ist nicht selbstverständlich», sagt Pascal Jenny. «Das Glasfaserkabel wurde hochgezogen und extra bis zu uns verlegt.» Die Digitalisierung spielt auch bei der Sicherheit des Bärenlands eine Rolle. «Der Zaun des Geheges besteht aus sieben verschiedenen Stromdrähten. Fällt einer davon aus, geht bei uns auf dem Handy der Alarm los.»
Auch die Besucher des Bärenlands sind modern unterwegs – ob Eintrittsticket, eine Flasche Rivella oder die Postkarte eines lokalen Künstlers. Alles kann per QR-Code erledigt werden. «70 Prozent unserer Besucher spenden auch kein Bargeld mehr, sondern überweisen ihren Zustupf per Twint ans Bärenland», so Jenny. Besonders Begeisterte konnten letzten Winter vom Flachland aus per Webcam verfolgen, dass Meimo sich nicht in einer Höhle vergrub, sondern seine Winterruhe an der frischen Luft hielt. In einem Punkt ist die Technik der Natur allerdings weiterhin unterlegen – vier der Videokameras hat Bärin Amelia bereits eigenmächtig heruntergeholt.
Stimmen Sie jetzt ab und wählen Sie das «Digi-Tal 2021» unter: www.digi-tal-schweiz.ch
Präsentiert von
Digital Valley im Rahmen des Digitaltags