Die Schnitzelbankzeilen «in Bundesroot gheert nundefahne, ändlig au e Basler ane» stammen aus dem Jahr 1959, als mit Hans-Peter Tschudi der letzte Basler in den Bundesrat gewählt wurde. Nun singt die Basler Delegation diesen Mittwoch um 15 Uhr zusammen mit ihrem neu gewählten Bundesrat Beat Jans vor den drei Eidgenossen unter der Bundeshauskuppel «Z Basel a mym Rhy». Auch Tracy Jans (51) und die beiden Töchter Zoe (18) und Mia (16) singen mit. «Ich bin so stolz auf ihn – er liebt Basel, er liebt die Schweiz», sagt die gebürtige Amerikanerin Tracy.
Acht Stunden zuvor: Im strömenden Regen läuft das Paar, das sich in Hawaii kennenlernte und nächstes Jahr seinen 20. Hochzeitstag feiert, zum Bundeshaus. Geschlafen habe er gut, sagt Jans mit einem Lachen im Gesicht. Am Abend zuvor hat er zusammen mit seiner Familie im Hotelzimmer gegessen. «Wir sassen alle gemein- sam auf dem Bett, das war schön», erzählt Tochter Zoe später. Derweil betritt Jans’ Gegner – der Bündner Jon Pult (39) – das Bundeshaus und legt seinen Mantel ab. «Mir gehts tipptopp. Ich habe alles gegeben, jetzt entscheide nicht mehr ich, sondern die Vereinigte Bundesversammlung.»
Jans mit Familie im Zimmer 2
Während Pult als Nationalrat in der grosser Kammer die Wahl verfolgt, sitzt der Basler Regierungspräsident Beat Jans zusammen mit seiner Familie und Weggefährten im Kommissionszimmer 2 gleich neben der Galerie des Alpes. «Wir haben einen riesigen Fernseher im Zimmer», erzählt Gymnasiastin Zoe, als sie mit ihrer Schwester kurz aufs WC muss. «Ich bin höllenervös», meint Mia, die neben dem Gymi die Jazzschule in Basel besucht (sie singt, ihr Vater spielt Schlagzeug).
Derweil haben Pults Eltern Marcella und Clot mit Pults Frau, der Journalistin Sara Ibrahim, auf der Besuchertribüne Platz genommen. Marcella hält die Hände gefaltet – wie ihr Sohn. Ganz in der Nähe sitzt Muriel Berset (47) mit ihren drei Kindern und lauscht der Rede von Nationalratspräsident Eric Nussbaumer, der ihren Mann Alain würdigt – und für einige Lacher sorgt. «Sie sind ein Pilot im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne – das ist bestens bekannt.» Doch nicht jeder, der wolle, könne Pilot sein. Dazu brauche es einen kühlen Kopf, grosse Stressresistenz und Antizipationsfähigkeit. Humor beweist auch der abtretende Bundeskanzler Walter Thurnherr (60). Als er seinen siebenjährigen Sohn damals fragte, ob er wisse, was er von Beruf sei, sagte dieser: «Ja, Papa. Du bist Telefonist.»
Unten in der Galerie des Alpes sitzt derweil Christina Gräni (45) die Partnerin von Grünen-Bundesratskandidat Gerhard Andrey (47). «Es wäre das zweite Wunder von Bern, wenn Gerhard gewählt wird», sagt sie . Aber man wisse ja nie. Für Gerhard habe die Wahlkampagne nur Gutes gebracht. «Die Leute kennen und schätzen ihn.» Wenig später fällt dann das Verdikt. Bundesrat Ignazio Cassis, dessen Sitz Andrey angegriffen hat, schafft die Wiederwahl klar mit 167 Stimmen – für den grünen Freiburger legen lediglich 59 Personen ihren Wahlzettel ein. «Die SP hatte Angst», so Gränis Fazit.
«Viel zu nervös»
Ebenfalls in der Galerie des Alpes: Chasper Pult, Kulturvermittler und Götti von Jon Pult. Er sagt: «Ich bin überzeugt, dass Jon gewählt wird. Er wäre ein grossartiger Bundesrat.» Im Kommissionszimmer 2 richtet Jans derweil das Wort an seine Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen – etwa seinen guten Freund Mustafa Atici – und erzählt, wie er sie kennenlernte und was sie ihm im Leben bedeuten. «Eine wundervolle Art, das Warten zu verbringen», so Tracy Jans. Tochter Mia hat noch ein Buch mitgenommen – «Hard Land» von Benedict Wells. «Das habe ich ihr empfohlen», sagt Zoe, die ein grosser Fan des Schweizer Schriftstellers ist. «Zum Lesen bin ich aber viel zu nervös», meint Mia.
«Im Joor 3050, wär waiss, was denn so goht. Vilicht isch s Klima grettet, vilicht sinn mr alli doot. Nur sicher isch denn immer no käi Basler Bundesroot.» So tönte die Schnitzelbank nach der Nicht-Wahl der Baslerin Eva Herzog (61) an der Fasnacht Anfang 2023. «Es wäre schon eine Klatsche für Basel, wenns wieder nicht klappt», sagt die Basler GLP-Nationalrätin Katja Christ, 51, kurz bevor es ernst wird.
Jositsch bleibt sitzen
Schon im ersten Wahlgang liegt Jans in Führung – Pult abgeschlagen noch hinter dem Zürcher Ständerat Daniel Jositsch (58). Während Pult zerknirscht einen Schokoladenriegel, den ihm die Grüne Greta Gysin bringt, verdrückt, grinst Jositsch über beide Ohren – und denkt nicht daran, am Rednerpult auf eine Wahl zu verzichten. So gehts im zweiten Wahlgang weiter. Vor dem Kommissionszimmer 2 stellt sich derweil die Journalistenschar auf. Dann im dritten Wahlgang: Gewählt ist mit 134 Stimmen Beat Jans. Riesenjubel aus dem Zimmer, kurz darauf tritt ein strahlender neuer Bundesrat heraus, gefolgt von Tracy und den Töchtern – alle wischen sich die Tränen ab.
Auf dem Bundesplatz sind die ersten Piccolo-Klänge zu hören. Der Basler alt Ständerat Claude Janiak (75) der die Wahl im Kafi verfolgte, hat Tränen in den Augen. «Auf diesen Tag haben wir lange gewartet.» Jans wird im Parlament mit Standing Ovations empfangen. «Grazia fitg», bedankt er sich bei Gegner Pult für die Fairness im Wahlkampf und widmet sich danach seiner Mutter, die im Altersheim in Basel die Wahl verfolgt. «Sie erdet mich und hat mich mit Zuversicht ausgestattet», sagt er über die ehemalige Verkäuferin.
Dann spricht er seinen innigsten Dank aus, «meiner Frau Tracy und meinen Töchtern, die die Wahl am Bildschirm schauen». Doch diese haben bereits auf der Zuschauertribüne Platz genommen und winken ihm freudig zu. Jans, ganz überrascht, winkt zurück. «Es gibt nichts Schöneres, als von eurer Liebe getragen zu werden.» Die Basler Läckerli liegen bereit, die Basler Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter macht Freudensprünge. «Endlich Basel!»
Familienessen am Sonntagabend
Sie sei unendlich stolz auf Beat und erleichtert, dass es vorbei sei, sagt Tracy Jans, die am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel ein zehnköpfiges Team leitet. Auch wenn jetzt vieles noch ungewiss sei, einige Eckpunkte seien klar: «Jeder Sonntagabend ist für ein Familienessen reserviert.» Hinzu kommen Mittage, bei denen er mit den Töchtern und ihr bei seiner Mutter im Altersheim isst. Telefoniert hat Tracy Jans, die ursprünglich aus Miami kommt, auch schon mit ihrem Vater und der Schwester in den USA. «Meine Schwester hat so geweint», sagt sie.
An der Pressekonferenz erzählt Jans, dass er sich eine Bleibe in Bern suchen werde. «Ich komme ihn oft besuchen, we can do it», sagte seine Frau der SI bereits ein paar Wochen vor der Wahl. Nur wer künftig mit Hündin Jua frühmorgens Gassi gehen wird, müsse sie noch klären. «Das war nämlich im- mer Beats Job.» Wenn das nicht eine perfekte Vorlage ist für die nächste Schnitzelbank!