83'667 Menschen mit Schweizer Pass lebten Ende 2023 in den USA. Die meisten meldeten sich beim Konsulat in San Francisco. 1,2 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner haben Schweizer Wurzeln. Darunter Meryl Streep (75). Ihr Urgrossvater stammt aus Kerns OW. Im Jahr 1561 ist mit dem Berner Handwerker Diebold von Erlach der erste Schweizer auf heutigem US-Boden an Land gegangen.
Ueli Hügli (74): «Ich gab Mister President die Hand»
- Wohnort: Porter Ranch, Stadtviertel von Los Angeles, Kalifornien, lebt in den USA seit 1974, stammt aus Neuhausen am Rheinfall SH, ehemaliger Beruf Gastronom und Koch
«Meine damalige Freundin in Zürich wollte heiraten, ich aber noch etwas sehen von der Welt. So wanderte ich 1974 als gelernter Koch nach Los Angeles aus, bekam einen Job als Souschef im Central Plaza Hotel. Noch im gleichen Jahr heiratete ich Judith, eine Hawaiianerin. Damals bezahlte ich für einen Dollar 4 Franken 25, heute ist er noch 86 Rappen wert. Für einen Unternehmer sind die USA auch heute noch ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Anfangs erschrak ich: Mit der Bürokratie war es fast schlimmer als in der Schweiz. In L. A. besass und führte ich vier Restaurants. Im Adrianos Ristorante bewirtete ich Filmstars wie Audrey Hepburn, auch Ronald Reagan war zu Gast. Danach führte und kochte ich im ‹Matterhorn Chef›, danach im ‹Swiss Chef›. Als Chefkoch hatte ich immer Schweizer Menüs auf der Speisekarte. Seit 2016 geniesse ich das Leben als Pensionär. Judith ist 80, wir haben vier Kinder.
Ich liege am Pool, lese die ‹Weltwoche›, seit Jahren kommt sie per Post. Mit unseren fünf Enkeln gehe ich Fussball und Eishockey trainieren. Dass eines klar ist: Unsere ganze Family wählt Donald Trump. A great man! Ein erfolgreicher Geschäftsmann, kein Politiker – ihn braucht unser Land. Bei zwei Wahlkampfveranstaltungen feuerte ich ihn an, am Weltwirtschaftsforum in Davos schüttelte ich Mister President die Hand. Biden und Harris haben unser Land völlig runtergewirtschaftet. In L. A. sind die Lebensmittel teurer als in der Schweiz!
Die illegalen Einwanderer werden in Hotels untergebracht, arme Einheimische leben auf der Strasse. Mit all dem wird Trump aufräumen! Er hat einen gesunden Menschenverstand, seine Rüpelhaftigkeit lasse ich ihm durchgehen. Mit Harris wäre es noch schlimmer, als es schon ist – sie wäre der Untergang für die USA gewesen! Ein Trump täte auch der Schweiz und ihrer Politik gut. So denken viele Eidgenossen, die hier leben. Bald treffe ich 140 von ihnen, beim Weihnachtskonzert des Gesangsvereins Swiss Harmonie. Dort wird gejodelt, Alphorn gespielt. Ich bin für das Catering zuständig, es gibt Gschnätzlets mit Spätzli. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr. Dann ziehen wir in Judiths Heimat Hawaii. Dort ists wärmer und relaxter. Und ebenfalls TrumpLand.»
Neisa Bass (58): «Es wäre höchste Zeit gewesen für eine Frau»
- Wohnort: Miami, Florida, lebt in den USA seit 2012, stammt aus Zernez GR, Beruf Schulleiterin
«Ich war 19, als ich vor knapp 40 Jahren zum ersten Mal nach Miami kam – als Au-pair. Für eine junge Frau, die in Zernez aufgewachsen ist, war das schon ein ziemlicher Kulturschock. In Florida lernte ich meinen späteren Mann Alix kennen. Unsere Wege trennten sich dann allerdings, ich heiratete im Engadin, er in Miami. Jahre später kamen wir auf Facebook wieder miteinander in Kontakt – und verliebten uns. Durch die Hochzeit erhielt ich eine amerikanische Aufenthaltsbewilligung. Und nun lebe ich bereits zwölf Jahre hier, in einer Reihenhaussiedlung im Süden von Miami.
Ich arbeite in einer Englisch-Sprachschule, wo ich das ‹Schweizer Mädchen für alles› bin. Hauptsächlich kümmere ich mich um die Visa für unsere Studierenden. Ich hatte mir einst geschworen: Solange Donald Trump Präsident ist, werde ich nicht Amerikanerin. Doch in der Coronapandemie wurde es für mich als Ausländerin so kompliziert, dass ich dann doch die Staatsbürgerschaft beantragt habe. Vier Tage nach den Präsidentschaftswahlen 2020 erhielt ich den US-Pass.
Nun konnte ich zum ersten Mal wählen. Und meine Stimme erhielt Kamala Harris. Es wäre höchste Zeit gewesen, dass eine Frau US-Präsidentin wird. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Republikaner – aber gegen Trump. Warum? Er ist arrogant, unfreundlich, und er lügt die ganze Zeit. Ausserdem, finde ich, sollte man mit über 75 Jahren nicht mehr Präsident werden dürfen. Gibt es denn keine Jüngeren, die für dieses Amt infrage kommen? Die TV-Debatten mit Trump habe ich mir nicht angetan. Es geht nicht wirklich um Politik – nur darum, einander zu beleidigen. Die Demokraten sind da leider nicht besser als die Republikaner.»
Andrea «Randy» Danner (59): «Eine toxische Stimmung»
- Wohnort Desert Hot Springs, Kalifornien, lebt in den USA seit 1991, atammt aus: Lugano TI, Beruf Bodyguard und Fahrer
«Mein Arbeitstag in Los Angeles fängt nach dem Mittag an und dauert bis zu 14 Stunden. Ich arbeite für eine Firma, deren Kunden die grossen Film- und Musikstudios sind. Einfach gesagt: Ich bin Bodyguard der Hollywood-Stars. Dazu gehören Steven Spielberg, Ben Affleck, Demi Moore oder Jessica Chastain. Ich hole die Stars zu Hause ab, fahre sie ins Studio, zum Shopping, ins Restaurant oder an Anlässe. Die meisten sind sehr freundlich. Ich habe es aber auch mit verrückten Leuten zu tun – dazu gehören die Paparazzi oder Fans, die mehr wollen als nur ein Autogramm.
Ich trage keine Waffe, im Notfall werfe ich mich mit meinem Körper vor meine Kundinnen und Kunden. Dabei hilft mir, dass ich American Football spiele. Der Sport brachte mich vor 33 Jahren in die USA. Ich spielte damals für die Lugano Seagulls und reiste deshalb viel. Nach einem Sprachaufenthalt in San Diego machte ich bei der Greencard-Lotterie mit – und gewann.
Vor 9/11 waren die Einreisebestimmungen viel lockerer. 2002 beantragte ich die US-Staatsbürgerschaft. Anfangs lebte ich in der Stadt Los Angeles. Ein aufregender Ort, wenn man jung ist, aber im Alter viel zu chaotisch. Deshalb wohne ich heute mit meinen vier Katzen im ruhigen Desert Hot Springs, etwa zwei Autostunden von L. A. entfernt. Dort habe ich ein Haus mit einem Golfplatz gebaut. Ich trainiere die Kids im American Football, immer noch meine grosse Leidenschaft.
Im Tessin bin ich in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen, hier wähle ich demokratisch. Egal welche Gesinnung, früher konnte man stets mit den Leuten über Politik reden. Mit Donald Trumps erster Präsidentschaft hat sich das drastisch verändert, in diesem Wahlkampf wurde es schlimmer denn je. Es herrscht eine toxische Stimmung. Trump-Anhänger sind wie eine Sekte – viele Freundschaften sind dadurch in die Brüche gegangen. Für mich ändert sich mit der Wahl nicht viel, aber für die Frauen – mit Trump ist ein Abtreibungsgegner an der Macht. Für mich ist klar: Niemand darf über den Körper einer Frau bestimmen! Die Wirtschaft unter Biden läuft gut, mein angelegtes Geld für die Pension hat sich in den letzten Jahren fast verdoppelt. Trotz Trump: Eine Rückkehr in die Schweiz – für mich immer noch das schönste Land der Welt – kann ich mir nicht vorstellen. Ich passe mit meinem Charakter in die USA. Es ist ein Ort, wo man alles erreichen kann, wenn man will.»
Michael Boehm (57): «Trump kann man nicht kaufen»
- Wohnort Palmetto, Florida, lebt in den USA seit 1999, stammt aus Lostorf SO, Beruf Geschäftsführer
«Willkommen in unserem Daheim! Meine Frau Ellie und ich leben seit fünf Jahren in diesem Haus mit Garten und Pool, zusammen mit unseren vier Hunden. Uns gefällt es hier sehr. Ich bin in Zürich geboren, in den Kantonen Uri und Solothurn aufgewachsen und habe später in Freiburg Journalistik und Kommunikation studiert.
Es war Zufall, dass ich 1999 in die USA gekommen bin. Ich wollte einen Job im Ausland, auch andere Länder wären infrage gekommen. Derzeit arbeite ich für ein Schweizer Unternehmen, das Ladestationen für E-Autos entwickelt, und baue die Verkaufsorganisation in den Staaten auf. In der Freizeit reisen meine Frau und ich gern und spielen Pickleball – das ist ähnlich wie Tennis und hier gerade total in. Wir haben zwei Söhne, einer von ihnen ist in der Navy. Ich bin nun seit acht Jahren Amerikaner. 2016, als ich das erste Mal wählen konnte, überzeugte mich Donald Trump noch nicht. Ich wählte ihn nicht, meine Frau schon.
2020 kreuzte ich seinen Namen auf dem Wahlzettel mit gutem Gewissen an. Und dieses Jahr bin ich noch überzeugter für Trump. Für ihn spricht: Er ist nicht aus dem politischen Establishment. Politiker schauen heute vor allem für sich selbst. Doch Trump ist steinreich. Was bedeutet: Ihn kann man nicht kaufen. Denn was will er? Noch reicher werden? Okay, er ist ein Rüpel. Aber für mich ist nicht entscheidend, wie er etwas sagt – sondern was!
Und ich nehme ihm seine ‹America First›-Strategie ab. Jetzt müssen wir zuerst einmal für uns selbst schauen. Die grössten Probleme sind die Zuwanderung und die Inflation. Eine Packung Speck kostet inzwischen acht Dollar, das ist doppelt so viel wie noch vor vier Jahren! Wir gehen nur selten ins Restaurant, weil es einfach so teuer ist. Trump ist, davon bin ich überzeugt, trotz seinem Reichtum näher an den normalen Bürgern und ihren Problemen dran als die Demokraten.»
Corinne Erni (62): «Wegen Obama bin ich Amerikanerin»
- Wohnort Southampton und Brooklyn, New York, lebt in den USA seit 1988, stammt aus Sursee LU, Beruf Kuratorin des Parrish Art Museum, Southampton
«Ich kam 1988 nach New York, um eine Verwandte zu besuchen. Damals verliebte ich mich in diese Stadt und wusste: Hier muss ich leben. Anfangs arbeitete ich in der Modebranche. Dann gewann ich eine Greencard in der Lotterie. Eine Zeit lang war ich bei der Uno tätig. Danach absolvierte ich ein Studium an der New York University, spezialisierte mich auf Kultur und wirkte in der Kulturabteilung des Schweizer Konsulats in New York. 2007 wurde ich Amerikanerin, weil ich unbedingt wählen wollte – vor allem, um Barack Obama zu unterstützen. Ich wollte dazugehören und sicherstellen, dass ich immer wieder in die USA zurückkehren kann, auch wenn ich zeitweise in Europa lebe. Meinen Schweizer Pass habe ich immer noch, den würde ich nie aufgeben.
Als ich in der Wahlnacht 2016 ins Bett ging und am nächsten Tag aufstand, war es ein grosser Schock, dass Donald Trump gewählt worden war. Er hat konservative Richter in den Obersten Gerichtshof entsandt, und ich halte ihn für gefährlich für die amerikanische Demokratie. Die Fronten sind verhärtet, und bei der Arbeit reden wir kaum noch über Politik. Ich war froh, als Joe Biden sich zurückzog und Kamala Harris Platz machte. Als Staatsanwältin konnte sie Trump im Wahlkampf kontern. Vor acht Jahren haben Hillary Clinton und die Demokraten die Arbeiterklasse nicht verstanden – und wie vielfältig die USA sind. Ich habe meinen Wohnsitz von New York City nach Southampton verlegt, obwohl ich noch eine Wohnung in Brooklyn habe. Mir ging es darum, an den lokalen Wahlen teilnehmen zu können, weil man hier noch etwas bewegen kann.
Seit acht Jahren bin ich Chefkuratorin des Parrish Art Museum in Southampton. Dieses Museum existiert seit 125 Jahren, und den Neubau haben Herzog & de Meuron entworfen. Das Gebäude ist eine Hommage an die Kunstszene der Region, an Künstler wie Jackson Pollock und Willem de Kooning, die hier gelebt und gearbeitet haben. Die Sammlung umfasst etwa 4000 Werke, die vom 19. Jahrhundert bis heute reichen. Als Chefkuratorin betreue ich die Ausstellungen.»
Susan Worth (62): «Der Präsident hat ein grosses Herz»
- Wohnort Montclair, New Jersey, kam in den USA zur Welt. Ihre Mutter stammt aus Uesslingen TG, Beruf Unternehmerin
«Meine Mutter kam Anfang der 1960er-Jahre aus Uesslingen im Kanton Thurgau in die USA. Sie begann, Musikdosen aus der Schweiz zu importieren und im ganzen Land zu verkaufen. Sie hat dieses Geschäft als alleinerziehende Mutter aufgebaut, und ich habe ihr dabei geholfen. Inzwischen arbeiten auch meine Töchter mit. Seit über 60 Jahren sind wir ein erfolgreiches, von Frauen geführtes Unternehmen mit Sitz in New Jersey. Meine Mutter ist heute 97 Jahre alt und immer noch aktiv.
Ich wurde 1962 in Manhattan geboren und erhielt neben dem Schweizer den amerikanischen Pass. Mein Vater war Argentinier und kehrte nach meiner Geburt in seine Heimat zurück. Als kleines Kind lebte ich einige Jahre in der Schweiz – wir besuchen unsere Verwandten immer noch jedes Jahr. Ich kann mich mit meinem Ostschweizer Dialekt gut durchschlagen.
Ich habe Donald Trump gewählt. Warum? Weil er hält, was er verspricht. Das habe ich zum ersten Mal gemerkt, als er die Eisbahn im Central Park in New York repariert hat. Als Präsident hat er nicht alles erreicht, aber er hat versucht, alles umzusetzen, was er versprochen hat. Unsere Steuern waren niedriger, die Wirtschaft lief besser, die Preise waren niedriger. Wir hatten nicht diesen massiven, unkontrollierten Zustrom illegaler Einwanderer.
Viele hassen Trump, weil man ihn nicht bestechen kann – er hat sein eigenes Geld. Klar, er ist laut und sagt manchmal dumme Sachen. Aber er hat ein grosses Herz – und für mich zählt mehr, was jemand tut, als was er sagt. Von mir aus darf Trump ruhig ein bisschen ruppig und laut sein. Das ist mir lieber als diese aalglatten Politiker, die bei jedem zweiten Wort lügen und nichts von dem umsetzen, was sie versprechen.
Ich wohne in Montclair, New Jersey, wo viele Liberale leben. Es ist seltsam geworden hier. Früher hiess es: ‹Oh, du bist Demokrat, ich bin Republikanerin, trinken wir ein Bier zusammen?› Heute habe ich Angst, ein Trump-Schild auf meinen Rasen in Montclair zu stellen. Die Leute ballen die Faust, wenn sie jemanden mit einem Trump-Aufkleber auf dem Auto sehen, und nennen ihn ‹Verräter›. Man sagt, dass die Republikaner hassen, aber das stimmt nicht – es sind die Demokraten, die so etwas sagen.»