Montagabend in Bern, auf dem Bundesplatz pflügt sich ein Putzmobil durch das Konfettimeer, der Zwiebelgeruch ist verdunstet, und der 12er-Bus fährt wieder dort, wo er immer fährt. Feierabend an diesem Tag des Ziebelemärits. Aber nicht für Elisabeth Baume-Schneider (58). Es ist kurz nach 20 Uhr, als die jurassische Ständerätin das Bundeshaus verlässt. Der erste Sessionstag ist geschafft. «Aber ich muss noch sehr, sehr viel arbeiten», sagt sie. Baume-Schneider ist offiziell für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga nominiert. Weil sie in der Deutschschweiz noch nicht so bekannt ist wie ihre Konkurrentin Eva Herzog, muss sie bei jeder Gelegenheit für sich werben. Oder anders gesagt: jeden Tag bis zur Wahl die beste Version von sich selbst zeigen. Was für ein Druck! Elisabeth Baume-Schneider meistert ihn, so scheints von aussen, souverän: mit stiller Vorbereitung, einem Berndeutsch, das ein bisschen so tönt, als würde sie singen, und einem Nachtessen in der Quartierbeiz Du Nord.
Bauerntochter mit Herz
Bald stehen die Hearings im Parlament an. «Ich muss zeigen, dass ich vertrauenswürdig bin und auch jenen zuhöre, die nicht gleich denken wie ich», sagt sie zwischen zwei Gabeln Zwiebelkuchen. In der Presse wird Elisabeth Baume-Schneider gern als die Kandidatin der Linken beschrieben, weil sie in jungen Jahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga war. Sie selbst sagt: «Auch meine ländliche Herkunft hat mich geprägt.» Sie habe etwa gegen die Massentierhaltungsinitiative gestimmt und wisse, dass ein Auto auf dem Land (sie lebt im Dorf Les Breuleux) unverzichtbar sei. Elisabeth Baume-Schneider ist auf einem Bauernhof in Les Bois JU aufgewachsen – zweisprachig, weil ihr Vater Deutschschweizer Wurzeln hat. «Ich musste früh mithelfen und Verantwortung übernehmen», sagt sie. In Erinnerung geblieben sind ihr auch die Saisonniers auf dem elterlichen Hof. «Ich konnte nicht verstehen, dass sie neun Monate für uns arbeiten, aber ihre Familien nicht mitnehmen dürfen.»
Diese Ungerechtigkeit hat sie darin bestärkt, sich für die Schwächeren einzusetzen. Nach dem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften arbeitet Baume-Schneider als Sozialarbeiterin. 1995 zieht sie ins jurassische Kantonsparlament ein. Ab 2003 leitet sie als Regierungsrätin zwölf Jahre das Departement für Bildung, Kultur und Sport. Danach wird sie Direktorin der Fachhochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne. 2019 schafft sie den Sprung in den Ständerat.
Zwischen Politik und Familie
«Ich habe ein gutes Leben, und das bleibt auch gut, wenn ich nicht Bundesrätin werde», sagt Baume-Schneider und nimmt einen Schluck Rotwein. Rasch fügt sie an: «Aber ich will das jetzt!» Im Parlament gibt es derweil Stimmen, die sagen, drei Vertreter der lateinischen Schweiz seien genug. Darauf angesprochen, entgegnet sie: «Ich respektiere diese Meinung, finde aber, dass die Diskussion um Mehrheiten sehr eng geführt wird. Ich habe mein Leben lang gezeigt, dass ich eine Brückenbauerin bin.»
Volle Unterstützung erfährt sie von ihrem Mann Pierre-André (56) und den Söhnen Luc (29) und Theo (22). «Wenn du Lust und Mut hast, dann mach es», sagten sie. Elisabeth Baume-Schneider hat seit je zwischen Politik und Familie jongliert. Als Theo zur Welt kam, präsidierte sie gerade den Kantonsrat. «Dass ich ihn im Parlament stillte, war damals ein Novum.» Aber sie habe sich nie rechtfertigen müssen. «Theo war ein Baby mit grosser Ausstrahlung. Hätte er ständig geweint, wäre wohl schon Kritik gekommen.» Ihr Mann hat sein Pensum reduziert, als die Kinder klein waren. «Als Fahrlehrer war er sehr flexibel.» Elisabeth Baume-Schneider bestellt noch einen Espresso, will eigentlich aufbrechen und holt dann nochmals aus: Sie erzählt von ihrer Zeit in der Sozialarbeit, von Schicksalen, die ihr nahegegangen sind, aber auch von diesem einen Funken Hoffnung, um den es sich zu kämpfen lohnt. «Menschen, die keine Stimme haben, liegen mir am Herzen», sagt sie – und man glaubt ihr das. Weil sie deren Geschichten erzählt, obschon sie sich längst für die Hearings vorbereiten wollte.