Einzig ein rotes Band trennt Claudio Minder (44) und Karl Müller (39) von ihrem brandneuen Shop in Bagdad. Nun müssen sie es nur noch durchschneiden. Die Ehre erweisen sie Wissam Allamy. Der 41-jährige Iraker ist es, der das Geschäft binnen acht Wochen auf die Beine gestellt hat. Der Liebe wegen zog er 2015 von Bagdad in den Thurgau. Dort lernte er dank seinem Schwiegervater Kybun-Schuhe kennen, kaufte für sich und sein irakisches Umfeld gleich mehrere Paare. Allamy träumte davon, die Marke in sein Heimatland zu bringen, und kontaktierte die beiden Geschäftsführer.
«Wir glauben an Menschen, die etwas bewegen wollen», so Minder. Deswegen vertrauten sie Wissam Allamys Vision. Bagdad sei sicherlich nicht der angesagteste Ort für Geschäfte. «Aber wir sind Pioniere, die den Status quo gern hinterfragen und dort Erfolg suchen, wo andere nicht daran glauben», sagt Müller. Ausserdem seien sie als «kleines Unternehmen» fast dazu gezwungen, an Orte zu gehen, die eher am Anfang der Entwicklung stünden.
Kybun Joya gibt es in dieser Form nämlich erst seit zwei Jahren. Zuvor waren es zwei eigenständige Marken. Beide gehörten zu den Weltmarktführern im Bereich der Gesundheitsschuhe, konkurrierten aber 14 Jahre lang miteinander. Der Clou: Bei den Inhabern von Kybun und Joya handelt es sich um Vater und Sohn, die erst noch gleich heissen: Karl Müller senior und junior. Doch die Einsicht setzte sich durch, gemeinsam sind wir stärker. Zur Eröffnung des Shops in Bagdad schenken Müller und Minder der Filiale eine Kuhglocke. Das ist Tradition. «Hört man Kuhglocken in den Bergen, fühlt man sich doch gleich wohl.»
Die Eröffnung ist ein Erfolg
Wissam Allamy ist am Tag der Eröffnung in seinem Element. Er organisiert einen Lastwagen samt LED-Werbebildschirm. «Krass, jetzt müssen wir in den Irak kommen, um solche digitalen Neuerungen zu erleben», meint Minder lachend. Gut, dass es an dem Tag kaum Stromausfälle gibt wie sonst oft. Überrascht hat Claudio Minder und Karl Müller, wie modern und fortgeschritten Bagdad ist. «Die Stadt mit zehn Millionen Einwohnern ist sehr technologisiert.» Es sei spannend mitzuerleben, wie sehr sich das Land zurzeit entwickle. «Hätte es hier keinen Krieg gegeben, wäre es wohl bereits ein zweites Dubai.» Die Gastfreundschaft der Iraker sei überwältigend. «Die Gespräche mit den positiv gestimmten Einwohnern haben mir Hoffnung gegeben», so Müller nach der Eröffnung des 77. Shops in aller Welt.
Tatsächlich: Bagdad ist mittlerweile auf der offiziellen Agenda. Diese Woche eröffnete die Schweiz nach 33 Jahren erstmals wieder eine Botschaft im Irak. Ein Zeichen, dass sich etwas bewegt – «am liebsten natürlich in Kybun-Joya-Schuhen».