Er ist wieder da: Nach drei Jahren Abwesenheit spielt Roger Federer, 37, wieder an den French Open. 20 Jahre nach seiner Premiere in Paris – und zehn Jahre nach seinem bislang einzigen Erfolg in Roland Garros.
Federer wäre nicht, wo er ist, gäbe es seine Familie nicht. Denn die treibt den Maestro an. Allen voran Ehefrau Mirka, 40. «Sie hat mich schneller erwachsen werden lassen und mir Stabilität gegeben. Auch hat sie mir von ihrer Erfahrung mitgegeben», schwärmt Federer in einem neuen Interview mit «Paris Match».
Dass ganz Grosse des Sports privat ein zumindest nahezu normales Leben führen, zeigt Federer perfekt. Er, der Tennisstar, ist zu Hause primär eines: Roger, der Vorzeige-Papa. «Manchmal, nachdem ich einen grossen Match gewonnen habe, sagen mir meine Töchter: ‹Nun gut, komm jetzt Lego spielen!›», erzählt der 20-fache Grand-Slam-Sieger über seine Zwillingsmädchen Charlene und Myla, 9.
Fürs Tennis interessieren sich die beiden Girls noch nicht besonders. Sie begleiten ihren Papa zwar überallhin und würden das Reisen lieben, doch ihr sportliches Interesse beziehe sich eher auf das Schwimmen, das Reiten und das Golfspielen, erzählt Federer. Dass nur seine beiden Jungs Leo und Lenny, 5, Feuer und Flamme für Tennis und Fussball sind, stört den berühmten Papa aber keineswegs. «Das Tennis ist ein grosser Teil meines Lebens, also auch einer von ihnen, aber unser Zuhause ist kein Heim, in dem alles auf den Sport verweist.» Er wolle, dass seine Mädchen ein möglichst normales Leben führten, sagt der Sportler.
Falls Federer aber verliert, hat er die Unterstützung seiner Kinder auf sicher. «Andere Male komme ich nach einem verlorenen Match heim und sie wollen sofort wissen, ob es mir gut geht.» Doch wenn Papa in ihren Augen nicht gut gespielt hat, lassen sie ihn das ungeniert wissen. «Manchmal fragen sie mich ohne Filter: ‹Aber, Papa, warum hast du verloren? Das war nichts!› oder ‹War er wirklich so stark, der Andere? Das nächste Mal musst du ihn schlagen!›», plaudert Roger aus.
Mit seinen Kindern und seiner Frau Zeit zu verbringen, ist für den Tennis-Profi zentral. Zweimal pro Jahr gehts für Familie Federer in die gemeinsamen Ferien. Dies bezeichnet Federer als «heilig». «Wenn ich mein Jahr plane, beginne ich immer damit!» Machmal lade er auch seine Eltern ein. «Für meine mentale Gesundheit ist diese Zeit, die wir zusammen verbringen, unfassbar wichtig.»
Das Programm der Reisen? Kein anstrengendes. «Ich verbringe meine Zeit in den grossen Städten, verbunden mit dem hohen Mass an Adrenalin das ganze Jahr über. Da bin ich mit dem einfachen Nichtstun während dieser zwei Wochen echt zufrieden», erzählt Federer.
Er sei immer ein ausgeglichener Mensch gewesen, erzählt Federer weiter. Doch seine Familie hat dennoch grossen Einfluss auf seine sportlichen Erfolge. «Was sich verändert hat, ist, dass ich nun eine besonders bittere Niederlage sehr schnell vergessen kann.» Es sei wichtig, dass einem Niederlagen wehtäten, denn man lerne aus ihnen.
Früher sei er danach allerdings den ganzen Tag traurig gewesen. «Heute dauert das maximal noch eine halbe Stunde.» Gleich bei den ersten Interviews gewinne er an Distanz. «Und wenn ich nach Hause komme, ist es, als hätte der Match nie stattgefunden», sagt Federer.
Als erfolgreicher Sportler steht Federer in der Öffentlichkeit. Jeder Schritt wird verfolgt. «Ich habe immer grosse Matches vor einem grossen Publikum spielen wollen, mit ganz viel Druck», erzählt er. Dennoch ist er froh, lebt er in der Schweiz. «Ich schaffe es, ein normales Leben mit meiner Frau und meinen Kindern zu führen. Ich kann mich nicht beklagen. In der Schweiz zu wohnen, wo alle von Natur aus sehr diskret sind, hat sehr geholfen», schwärmt der Maestro.
Auch in Paris kriegt Roger viel Respekt zu spüren. Kürzlich besuchte er eine Ausstellung der Fondation Louis Vuitton. «Es hatte sehr viele Leute, aber sie alle waren sehr sympathisch und haben mich in Ruhe gelassen. Sie waren da, um die Kunstwerke zu bestaunen, nicht, um einen Tennisspieler anzuschauen.»
Dass er immer wieder mit Superlativen geschmückt wird, ist Federer nicht recht. «Manchmal verleihen einem Medien, Sponsoren oder andere das Bild eines Supermans. Aber diese Person existiert nicht. Wir leben alle auf dem gleichen Planeten. Ich habe das Glück, viele Personen zu inspirieren, ein Vorbild für Kinder zu sein. Das gefällt mir, aber ich lasse mich nicht in die Schublade der ‹Superhelden› stecken.»
Er behalte dank seiner Familie und seinem Team die Füsse auf dem Boden. Das liegt auch an Ehefrau Mirka, die massgeblich für Rogers fulminante Karriere verantwortlich ist. «Hinter dem Erfolg eines Mannes steckt immer eine Frau, sagt man. Ich bin dafür das perfekte Beispiel.»
Vorerst aber muss sich die Familie hintenanstellen: In Paris kämpft Roger Federer um seinen 21. Grand-Slam-Titel. Nach dem Sieg gegen Casper Ruud am Freitagnachmittag will der Baselbieter seinen zweiten Turniersieg in Roland Garros nach 2009 anpeilen. Ob ihm das gelingt? Am Sonntag steht King Roger im Achtelfinal und spielt gegen den Sieger der Partie zwischen Nicolas Mahut und Leonardo Mayer.