Schwüle 36 Grad brüten in Dhaka,der Millionen-Hauptstadt von Bangladesch. Im Impfzentrum des Kurmitola General Hospital in der südasiatischen Metropole ist es nur wenig kühler. Geduldig warten die Menschen auf ihre Corona-Impfung, die Schlange ist lang, alles verläuft reibungslos. «Danke! Nun fühle ich mich sicherer», sagt Rowshan Akter Mili zur Krankenschwester, die ihr in den Oberarm gepikst hat. «Danke», sagt die Hausfrau nochmals, nun zu Felicitas Ledergerber, 33: «Die Helfer vom Roten Halbmond machen eine sehr gute Arbeit.» Die Schweizerin lächelt und wünscht der Einheimischen und ihrer Familie «all the best».
Seit November arbeitet die St. Gallerin für das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) in Bangladesch als Junior Programmverantwortliche. Sie hat einen Master in Global Studies und ist seit mehreren Jahren für die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung tätig. An diesem Tag ist sie im renommierten Militärkrankenhaus, das kurzzeitig zu einem Covid-19-Spital umgewandelt wurde. Sie macht sich ein Bild von dessen Impfzentrum und bespricht sich mit den jungen Freiwilligen, die dort für den bangladeschischen Roten Halbmond (Schwestergesellschaft vom SRK) im Einsatz stehen.
163 Millionen Menschen leben im Land, das flächenmässig nur dreieinhalbmal so gross ist wie die Schweiz, Millionen Menschen sind von Armut betroffen. Seit seiner Unabhängigkeit 1971 ist Bangladesch ein Schwerpunktland für das SRK. In den 3000 Slums von Dhaka haben 71 Prozent der Bevölkerung ihren Job verloren wegen des Lockdowns. «Für unzählige Menschen gehts tagtäglich ums nackte Überleben», sagt Felicitas Ledergerber. Über 12 000 Menschen sind bisher an Corona gestorben. Die Pandemie sei zum Glück nicht so dramatisch wie im Nachbarland Indien – im Moment. «Inschallah.» Viele Menschen sind besorgt, andere gleichgültig – sie halten Covid für das kleinere Übel, verglichen mit der allgemeinen Misere. Und in ländlichen Regionen herrscht weitverbreitet die Überzeugung, Covid sei eine Zivilisationskrankheit, die nur in den Städten vorkomme. «Dort geben sich die Freiwilligen alle Mühe, die Leute richtig zu informieren. Und sie ermutigen sie, sich impfen zu lassen.»
Ihre landesweite Impfaktion hat die Regierung diesen Februar gestartet. 741 Impfstellen und 256 Impfzentren gibts, sie befinden sich in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen. An die zehn Millionen Menschen wurden bisher geimpft, schon über drei Millionen erhielten zwei Dosen des Impfstoffs Covishield von Astrazeneca, bezahlen müssen sie nichts. Die Impfungen werden von medizinischem Personal verabreicht.
Eine Schlüsselrolle bei der staatlichen Impfkampagne haben die Freiwilligen des einheimischen Roten Halbmonds, die meisten von ihnen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, viele von ihnen sind geimpft. 4200 Jugendliche stehen im ganzen Land zum Einsatz bereit. An den Impforten empfangen und betreuen sie die Personen, die zur Impfung kommen. Sie überprüfen die Impfausweise, tragen den Piks ein. Für seine Tätigkeit erhält ein Freiwilliger 3.20 Franken am Tag – damit er seine Transport- und Verpflegungskosten decken kann.
«Ich bin tief beeindruckt von der Leidenschaft und dem Engagement der Freiwilligen» Felicitas Ledergerber
Eine der Freiwilligen ist Nazifa Tasnim Pritha, 21. Die Studentin wischt sich Schweiss von der Stirn, draussen hats zu regnen begonnen, der Monsun setzt langsam ein. «Wir machen diese Arbeit gerne, es ist ein Akt der Solidarität», sagt die junge Frau zu Felicitas Ledergerber. Die Schweizerin ist tief beeindruckt von der Leidenschaft und dem Engagement der Freiwilligen. «Von ihnen wird hier hervorragende Arbeit geleistet. Das motiviert unglaublich.»
Drei Stunden hat Felicitas Ledergerber einen Augenschein genommen und mit vielen Freiwilligen Gespräche geführt. Der Spitaldirektor persönlich verabschiedet sich von ihr – Brigadier General Jamil Ahmed steht auf dem Sticker seiner Armeeuniform. Er bedauert, dass sich die Impfkampagne wegen Lieferproblemen verlangsamt hat. Umso wichtiger seien der unermüdliche Einsatz der Freiwilligen und die wertvolle Unterstützung des einheimischen Roten Halbmonds – und natürlich auch die wertvolle Hilfe aus der Schweiz. «Ohne diese würde die Impfkampagne nicht so gut funktionieren. Bangladesch dankt von Herzen!»