Christian Jott Jenny, wie haben Sie den Lockdown überstanden?
Ich war mehrfach beim Friseur von Andreas Vollenweider. Der ist ja offensichtlich «Lock-down-Spezialist».
War Ihnen letztes Jahr nie langweilig?
Eher selten. Ich habe glücklicherweise verschiedene Spielwiesen, die es mir erlaubten, auch während des Lockdown einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. An der Front eines internationalen Ortes wie St. Moritz zu sein und diesen in den internationalen Medien zu verteidigen, drückt die Langeweile eher in den Hintergrund. Zudem haben mir meine Kinder und diversen «Familien» auch geholfen – insbesondere die Festival-da-Jazz-Familie.
Was sonst hat Ihnen der Lockdown ermöglicht, was Sie zu normalen Zeiten nicht hätten machen können?
Ich kann nun endlich eine vernünftige Sauce béarnaise kochen. Gefühlte 200 Mödeli Butter und legefreudige Hennen mussten daran glauben, als ich dies immer wieder versuchte.
Die Schweiz galt lange als Corona-Risikogebiet. Wie schwierig war es, während der Pandemie internationale Künstler zu einer Reise nach St. Moritz zu bewegen?
Künstler wollen spielen und auftreten. Niemand findet es lustig, allzu lange Zeit im Probekeller ohne Publikum zu spielen. Von daher war es gar nicht so schwierig, eine Einladung nach St. Moritz auszusprechen, der auch gern Folge geleistet wurde! Schwierig waren höchstens die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen für die Einreise. Das Festival-da-Jazz-Team ist jedoch höchst flexibel und improvisativ – wir passen uns den Gegebenheiten schnell und mit viel Verve und Lust an!
War es dabei hilfreich, dass Sie kraft Ihres Amtes als Bürgermeister von St. Moritz auch eine besondere Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen?
Finden Sie, ich sei vertrauenswürdig? (Lacht.)
Das Festival da Jazz hat einen neuen Presenting Partner: Jaguar. Wie kam es dazu?
Dies gleicht einer kleinen Sensation: Während der andauernden Pandemie hat sich Jaguar zu einem Fünf-Jahres-Engagement entschlossen. Dies ist die höchste Auszeichnung von Vertrauen und Optimismus, die ein Festival überhaupt erhalten kann. Es ist ein klares Ja zum Festival da Jazz, aber auch ein deutliches Ja zu St. Moritz.
Jaguar gilt als Luxusautomarke. Wird das Festival jetzt mehr Schickimicki?
Jaguar hat erkannt, dass sie – wie ein bekannter Ort im Oberengadin auch – eine tolle Historie haben: einen grossen Rucksack mit schönen Geschichten und Bildern. Gleichzeitig muss sich die Marke auch neu erfinden und für die Zukunft wappnen. Deshalb setzt Jaguar 2025 auf E-Fahrzeuge. In St. Moritz wurde die erste Glühbirne angezündet: Das war 1879 im Speisesaal des Hotels Kulm. Wir haben zudem das älteste Elektrizitätswerk der Schweiz. Sie sehen: Auch wir gehörten stets zu den Pionieren. Irgendwie passt das gut zusammen!
Sie lancieren den Förderpreis New Generation #JazzLab. Gibt es nicht schon genug Nachwuchspreise, oder was machen Sie anders?
Es gibt nie genug Förderung! Und es ist auch nie genug dafür getan! Man muss stets dranbleiben. Die Idee für das JazzLab hatte übrigens unser neue Hauptpartner Jaguar. Zuerst war ich skeptisch – genau wegen Ihrer Suggestivfrage. Und dann kam eine unglaubliche Energie auf, dieses neue Tool an den Start zu bringen. Es ist unsere Aufgabe, unser Wissen und unsere Plattform der Zukunft zur Verfügung zu stellen. Und Talente zu fördern. Das hält uns und auch St. Moritz jung. So bleiben wir am Puls!
Nach welchen Kriterien haben Sie das diesjährige Programm zusammengestellt?
Nichts ist schlimmer als durchschnittlicher Einheitsbrei. Die Vielfalt macht ein gutes Festival aus. Ich überlege mir immer: Was würde mir Spass und Freude machen? Mich bereichern? Wenn ich am Ende das Programm ansehe und finde, doch, dem wäre so: Dann ist es ein gutes Programm!
Was sind Ihre persönlichen Festival-Highlights?
Neben diesem Interview? Das Frühmorgenkonzert am Lej da Staz von Urgestein Dave Grusin, der ja sonst an Hollywood-Filmpremieren und Grammy Awards geehrt wird, zusammen mit dem nicht minder legendären Gitarren-Genie Lee Ritenour. Dann bin ich sehr gespannt auf die Entwicklungen des New Generation #JazzLab, und ich freue mich innigst auf das Comeback eines der weltweit erfolgreichsten Schweizer Musikers – Andreas Vollenweider.
Das Festival findet an zehn verschiedenen Locations statt. Wie bewältigen Sie den logistischen Aufwand?
Ein grandioses, agiles und mobiles Team in leisen E-Jaguars und E-Bikes schafft diesen Spagat. Zudem ist St. Moritz klein und verfügt über eine perfekte Infrastruktur auf engstem Raum. Und viele tolle Hoteliers, die Improvisation gewohnt sind, helfen uns dabei.
Warum wird der Dracula Club dieses Jahr nicht bespielt?
Es ist noch zu früh: Graf Dracula ist noch im Sommerschlaf. Vor jedem Biss bei jedem Opfer einen Corona-Test zu machen, ist ihm zu mühsam.
Wie wird das Festival da Jazz dieses Jahr finanziell über die Runden kommen?
Dank unseren langjährigen treuen Partnern, unseren Freunden, den öffentlichen Beiträgen und das Wichtigste: unserem Publikum.
Wird die Gemeinde St. Moritz im Notfall eine Defizitgarantie sprechen?
Das müssen Sie den Gemeindepräsidenten fragen.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Ich gehe nun erst mal in den Lej da Staz. Baden.
Vor 16 Jahren fing alles an mit einem Konzert im Weinkeller von Hotel Kronenhof. Initiiert vom Kulturmacher Christian Jott Jenny. Zwei Jahre später gewährte Rolf Sachs dem jungen Event im «Dracula Club» Asyl. 2008 ist mit 13 Konzerten und der Zusammenarbeit mit dem Hotel Kulm das Festival da Jazz geboren. Seither reisen Weltstars an und spielen in einzigartiger Nähe zum Publikum an den schönsten Orten des Engadins – in diesem Jahr u.a. der deutsche Trompeter Till Brönner und Funk-Star Keziah Jones.
8. Juli bis 1. August 2021, festivaldajazz.ch