Männer weinen nicht? Blödsinn. Florian Ast, 43, und Gerry Friedle, 48, jedenfalls blödeln beim Böötlifahren auf dem Bielersee, bis sie feuchte Augen haben.
«Tränen sind nichts Schlechtes.» Für Florian Ast schon gar nicht. Nicht nur, weil sein Song «Träne» bis heute die meistverkaufte Schweizer Single ist. Dem Duett von 2002 mit Francine Jordi, 41, verdankt er auch seine Freundschaft mit Gerry alias DJ Ötzi.
Der österreichische Superstar (über 16 Mio. verkaufte Tonträger!) fragte damals, ob er das Lied auf Hochdeutsch covern dürfe. Das führte dazu, dass Ast für Ötzis CD «Hotel Engel» Songs schrieb und produzierte.
Aus dieser Zusammenarbeit wurde eine enge Freundschaft. «Wir sehen einander, sooft es geht», erzählt Florian. «Dazwischen facetimen wir.» Dabei vergesse er dann auch mal, dass er nicht nur seinen Kumpel, sondern auch sein Lied «Anton aus Tirol» auf dem Handydisplay hat. «Mein Coiffeur hat mir kürzlich fast ein Ohr abgeschnitten, als Ötzi auf meinem Bildschirm erschien», erzählt er lachend.
Ein Windstoss bläst über den See, das Boot gerät bedrohlich ins Wanken. Gerry hält seinen Freund am Arm fest. «Auf ihn kann ich mich in jeder Situation verlassen», sagt Florian. «Ich erzähle ihm alles. Sonst bin ich eher introvertiert.» So war ihm Gerry auch während der letzten Jahre eine Stütze.
Die Zeit, in der er als Musiker gar nicht mehr richtig wahrgenommen wurde, sondern mit Schlagzeilen wie «zweites Kind – von einer neuen Frau» für Furore sorgte, hat ihn mitgenommen. «Da wurde ein Bild von mir gezeichnet, in dem ich mich überhaupt nicht wiedererkenne. Ich bin kein Weiberheld. Manchmal schreibt das Leben eben Geschichten, auf die man lieber verzichtet hätte.»
Das weiss keiner so gut wie Gerry Friedle. Bei Pflege- und den Grosseltern aufgewachsen, riss er als Jugendlicher von zu Hause aus, war gar eine Weile obdachlos. Er überstand Epilepsie, Depressionen, einen Hörsturz. DJ Ötzi wurde trotzdem einer der erfolgreichsten Musiker des deutschsprachigen Raumes.
Doch das Schicksal schlug erneut zu: Diagnose Hodenkrebs. «Da habe ich schon gehadert, mich gefragt: Warum immer ich?» Heute ist er froh, musste er «durch diese Scheisse durch». Was er erlitt, habe ihn dankbar gemacht. «Ich stehe mehr im Leben als je zuvor.» Genau das müsse Florian auch wieder lernen. «Sei bei dir selbst. Geh deinen eigenen Weg. Dann bist du stark.»
Der erste Schritt ist getan. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau, der Liebelei mit Francine Jordi und der Trennung von der Mutter seines Sohnes, 4, verläuft Florian Asts Privatleben in ruhigeren Bahnen. «Ich behalte es jetzt gern für mich», sagt Ast, der noch eine zweijährige Tochter hat. Das Vatersein hat ihn verändert: «Wer Kinder hat, sieht die Welt mit anderen Augen.»
Jetzt rudert das Duo zurück an Land. Es ist Zeit, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Die Selbstzweifel hinter sich zu lassen. Zu dem zurückzukehren, was man kann. Immerhin war Florian Ast der jüngste Schweizer Musiker, der je Platin erhielt. Jede seiner Platten wurde mindestens mit Gold veredelt.
Nach vier Jahren gibt es nun endlich wieder musikalische News. Auf ein Album müssen die Fans zwar bis nächstes Jahr warten, einen Vorgeschmack liefert die Single «Sanggaue». «Toll. Eine typische Florian-Ast-Nummer», schwärmt DJ Ötzi. Und: «Die würde auch in Deutsch land funktionieren.» Ast ist skeptisch. «Für Gerry schreibe ich gern deutsche Songs. Für mich selbst bleibe ich vorerst lieber beim Dialekt.»
Einen Fuss in der Tür für eine Karriere ausserhalb der Schweiz hat er. Und die Unterstützung von einem, der weiss, wie man Grenzen sprengt. In 20 Ländern war DJ Ötzi in den Charts, in Grossbritannien und Australien gar an der Spitze. Sein Best-of-Album zum 20-Jahr-Jubiläum war neun Wochen in der Schweizer Hitparade.
Erfolg ist toll», sagt Gerry Friedle. «Aber es gibt sehr viel Wichtigeres.» Seine Familie ist sein Leben. Seit 2001 ist er mit der Musikmanagerin Sonja Kien, 46, verheiratet, Tochter Lisa-Marie ist 16. Und Florian, der gehört auch zur Familie, irgendwie. «Meine Frauen lieben ihn, diesen sensiblen, herzensguten Jungen. Und ich auch!»
Männer weinen nicht. Zumindest nicht heute, an diesem durchzogenen Tag am Bielersee. Der befürchtete Sturm ist ausgeblieben. Aber diese Freundschaft wird auch dem nächsten Tief standhalten.