Als Erstes fällt die Ernsthaftigkeit auf. Und die Disziplin. Meriame Terchoun, 26, ist ein Profi und voll konzentriert auf die Frauenfussball-Europameisterschaft in England. Sie freut sich riesig darauf, denn ihre Geschichte hat sie gelehrt, nichts für selbstverständlich zu nehmen. Mit 24 Jahren hatte sie bereits drei Kreuzbandrisse auskurieren müssen, das Karriereende schon fast eingeplant.
Drei Monate für 600 Franken
Doch dann kam sie zurück zu ihrem Heimklub FCZ, schoss sich an die zweite Position der Torschützenliste der Liga (zusammen mit ihrer Klub- und Natikollegin Fabienne Humm), wurde mit dem FCZ Meister und Cupsieger und ist nun Teil des Kaders der Frauenfussball-Nati. «Ich hatte vor zwei Jahren eine Krise mit Verletzungen und totaler Erschöpfung. Doch jetzt bin ich wieder voll motiviert und stolz, dass ich teilnehmen darf.» Meriame fühlt sich privilegiert, und deshalb will sie reden: über Frauen im Fussball, über Fussball als schönstes aller Spiele, über Ungerechtigkeiten, über Teamgeist. «Wer eine Stimme hat, soll sie nutzen.»
«Es fehlen noch die Haargummis! Ohne die überlebst du so ein Turnier nicht.» Terchoun schaut konzentriert auf die Auslegeordnung ihres Gepäcks. Sie ist in Gedanken schon im Hotelzimmer im englischen Leeds. Die orangen Fussballschuhe Grösse 38 legt sie besonders sorgfältig hin. 600 Franken sind die zwei Paar wert. Für dieses Geld müsste Meriame drei Monate für den FCZ kicken. Kann das wirklich sein? «Was meinst du denn? Solange von den Klubs nicht mehr in den Frauenfussball investiert wird und nicht eigene Strukturen geschaffen werden, so lange wird sich die Situation nicht verbessern.»
Jetzt spricht sie auch als Gewerkschafterin: Sie arbeitet zu 60 Prozent bei der Schweizerischen Vereinigung der Fussballspielerinnen und -spieler SAFP. Dass der Sponsor Credit Suisse in der Nati neu die gleich hohen Prämien an die Frauen ausschüttet wie an die Männer, freut sie. «Wir spielen attraktiven Fussball, ohne Brimborium. Uns eint die Freude am Spiel.»
«Es kommt darauf an, wie man verliert»
«Nagellack muss auch ins Necessaire! Der ist wichtig.» Um etwas auszudrücken? Meriame blickt jetzt streng – und verständnislos: «Nein, einfach weil wir Frauen sind.» Das Team der Nati sei ein Vorbild für die Gesellschaft: «Wir sind alle verschieden, multikulti, niemand interessiert sich für die sexuelle Orientierung, wir haben einen grossartigen Teamgeist und liefern keine Skandale.» Und, das sagt sie sehr ernst: «Wir sind alle mega stolz, für die Schweiz anzutreten. Die Hymne zu singen, ist für uns selbstverständlich.»
Die zwei Niederlagen in den Vorbereitungsspielen seien hart. «Aber es kommt immer darauf an, wie man verliert. Wir finden immer besser zusammen und sind ein wirkliches Team, jede will für die andere arbeiten. Egoistisch zu sein, ist reine Energieverschwendung.»
Die Aufgabe, die wartet, ist eine schwierige: Die Schweiz – Rang 20 in der Weltrangliste – muss in den EM-Gruppenspielen gegen Schweden (2) und Holland (4) antreten. «Ein ultraschweres Los. Das Spiel gegen Portugal (Rang 30) müssen wir gewinnen.»
«Eine Bank, die pusht»
Meriame sass in den Testspielen auf der Ersatzbank. «Der Trainer sagte mir, er habe nicht gedacht, dass ich nach meinen Verletzungen zurückkomme.» Aber sie sei bereit. Und was die Bank angeht: «Es gibt wenig, was das Team derart befeuert wie eine Bank, die pusht.» Meriame lobt den Staff, die gute Betreuung und wie luxuriös es sich anfühlt, dass sie seit der Pandemie Einzelzimmer hätten. «Wir schauen zusammen Filme, essen gemeinsam, aber können uns zurückziehen. Das ist so wertvoll.»
Die Familie fiebert mit
«Der Lautsprecher muss auch mit!» French Rap wird daraus erschallen, Queen, Alicia Keys, Jennifer Lopez und viele mehr. Zu Hause werden ihre Mutter, der Vater, der selber Fussballer war, und ihr Bruder mitfiebern. Das wünscht sie sich auch von der Schweiz: «Schaut die Spiele, jubelt, freut euch an der EM!» Meriame wird sich aus allem ausschalten, Medien konsumiert sie nicht. Sie ist voll konzentriert. Ein Profi eben