Maja Neuenschwander, 41, Leichtathletin, Lehrerin
«Als Mädchen inspirierten mich Sportlerinnen: Langstreckenläuferinnen Joan Benoit, Franziska Rochat-Moser oder Paula Radcliffe. Diese Frauen gaben mir Mut und Zuversicht, meinen Weg konsequent zu verfolgen und meine sportlichen Ziele zu erreichen. Das Umfeld, in dem ich mich wie alle anderen Athletinnen bewege, ist allerdings stark männerdominiert. Je nach Bereich ist nur jede zehnte bis jede vierte Position im Umfeld einer Athletin von Frauen besetzt. Häufig coachen Trainer Athletinnen, definieren Funktionäre die Rahmenbedingungen einer Sportart. Hier braucht es gesamtgesellschaftliche Veränderungen. Das ist ein Grund für mein Engagement an der Frauensession.
Mein grösstes Anliegen? Die Chancengleichheit im Erwerbsleben wie etwa die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich sehe das beim Sport: Tritt eine Athletin zurück und hat einen Familienwunsch, bleibt sie in den seltensten Fällen in der Sportwelt als Trainerin oder Funktionärin aktiv. Das Arbeitsumfeld gestaltet sich nicht mehr zeitgemäss, zudem sind die Kitas in der Schweiz teuer. Aus diesem Grund reduzieren vor allem die Frauen ihr Arbeitspensum, um die Ansprüche von Familie und Beruf zu vereinbaren. Als Gemeinderätin in Rubigen bin ich übrigens für die Finanzen zuständig. Ich politisiere parteilos. Heute faszinieren mich Politikerinnen genauso wie Sportlerinnen. Mit Michelle Obama oder Angela Merkel würde ich gern ein Glas Wein trinken.»
Gabi Schürch-Wyss, 48, Bäuerin
«Für mich ist die Frauensession eine einmalige Chance, mich zu vernetzen. Das ist für uns Frauen wichtig, weil wir nicht diese gegebenen Netzwerke haben wie Männer etwa das Militär. In meinem Alltag als Bäuerin fühle ich mich nicht benachteiligt: Mein Mann und ich führen unseren Hof zusammen und teilen uns das Einkommen 50:50. Wir diskutieren auf Augenhöhe und entscheiden alles zusammen. Doch ich weiss aus meiner Arbeit als Vizepräsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, dass dies alles andere als selbstverständlich ist. Genau dafür kämpfen wir an der Frauensession: für die Besserstellung der Bäuerinnen.
Heute arbeiten etwa 70 Prozent der Frauen unentgeltlich auf dem Betrieb mit, der meistens ihrem Mann gehört. Ohne Lohn haben sie weder Pensionskasse noch Zugang zur Mutterschaftsversicherung. Wird die Frau krank oder hat einen Unfall, kann der Familie die fehlende soziale Absicherung zum Verhängnis werden. Wir fordern zudem, dass Bäuerinnen nach einer Scheidung bessergestellt sind als heute. Ein politisches Amt auszuüben, habe ich mir überlegt, doch die Arbeit im Verband ist so spannend und wichtig, dass ich mich dagegen entschied. Mit welcher Frau ich gern mal ein Gläsli trinken würde? Verteidigungsministerin Viola Amherd! Ich hab sie erst auf dem Frauenrütli getroffen: so authentisch und sympathisch! Mich beeindruckt, wie sie in einer Männerdomäne so erfolgreich ist.»
Morena Diaz, 28, Autorin, Lehrerin, Influencerin
«Das Sexualstrafrecht ist mir ein grosses Anliegen, weil ich aus eigener Erfahrung spreche. An der Frauensession möchte ich die Chance nutzen, etwas bei diesem Thema zu bewirken. Unser Parlament ist sehr männerlastig. Alle wissen, dass sexualisierte Gewalt ein Problem in der Schweiz ist, aber keiner macht etwas dagegen. Früher fand ich immer, der richtig Ansatz beim Sex sei: Nein heisst Nein. Mir war wichtig, dass man ein Nein akzeptiert. Doch als ich an jenem Abend im Dezember 2018 einem Freund von mir mehrfach ‹Nein› sagte, hat er das nicht akzeptiert. Heute sage ich: Nur Ja heisst Ja. Wir alle sollten einzig sexuelle Erfahrungen machen, die wir wirklich wollen, denen wir wirklich zustimmen. Viele sagen, das macht das Sexual- leben kaputt, da braucht es ja einen Vertrag … Aber ich sehe das nicht so. Es ist doch schön, wenn man vorher darüber reden kann, was man will und was nicht. Das sollte doch die Basis von jeder Beziehung sein, auch wenn es um das Sexualleben geht.
Als mein Peiniger im April vom Gericht verurteilt wurde, war ich schwanger. Ich sagte zu mir: Ich muss für meine Tochter stark sein, kämpfe für eine gerechtere Zukunft. Mein Mami war mir als Kind mein grösstes Vorbild, nach der Scheidung meiner Eltern bin ich bei ihr aufgewachsen. Politisch grossen Respekt habe ich vor Tamara Funiciello. Trotz starkem Gegenwind macht sie weiter. Ein politisches Amt würde mich schon interessieren – doch jetzt grad bin ich voll im Mami-Fieber.»
Eva Lea Empting, 28, Maschinenbauingenieurin
«Im Studium an der ETH Zürich und auch später im Job war ich stets eine von wenigen Frauen. Deshalb bin ich sensibilisiert, was die Frauenförderung angeht – und engagiere mich seit Längerem für mehr Frauen im MINT-Bereich, sprich in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. An der Frauensession fordert die Kommission für Digitalisierung, dass wir den Frauenanteil in MINT- Berufen bis 2030 auf 50 Prozent steigern.
Die Digitalisierung ist unsere Zukunft, deshalb wollte ich an der Session in dieser Kommission mitarbeiten. In allen technischen Berufsfeldern fehlt der weibliche Blick. Es gibt nur wenige Frauen wie Sheryl Sandberg, Co-Geschäftsführerin von Facebook. Das spürt man nur schon bei den Algorithmen für die Forschung. Ich erlebte das als Projektleiterin bei Bosch Sensortec, wo wir eine neue Generation von Smart Glasses entwickelten – Brillen, die Whatsapp-Nachrichten, eingehende Anrufe oder Navigation direkt auf die Retina projizieren. Der Algorithmus wurde zum einen praktisch nur mit männlichen Daten gefüttert, weil es kaum weibliche Entwicklerinnen gab. Und das Gerät konnte meine Handbewegung nicht erkennen – nur weil ich lackierte Fingernägel hatte. Es braucht also verbindliche Standards, damit Algorithmen nicht sexistisch und nicht diskriminierend sind.
Als ehemalige Balletttänzerin weiss ich, wie wichtig Disziplin ist, um vorwärtszukommen. Ich war bei den Jungfreisinnigen aktiv, doch zurzeit konzentriere ich mich voll auf meine Karriere.»
Layla Ibrahim-Staubli, 47, Cateringunternehmerin
«Ich kam vor sieben Jahren als Flüchtling von Syrien in die Schweiz. In Aleppo arbeitete ich im Unispital als Humangeografin. Hier habe ich mein Leben neu aufgebaut. Ich gründete ein Cateringunternehmen, arbeite im Unispital Zürich und an der Migros-Klubschule. In meinem Land habe ich mich als Kurdin immer schon politisch interessiert. Mit der Frauensession kann ich auch hier eine Tür aufstossen, um meine politischen Visionen für die Schweiz zu teilen. In unserer Kommission setzen wir uns für das Stimmrecht aller Einwohnerinnen ein. Als politisch wache Migrantin, die sich in der Schweiz zu Hause fühlt, will ich mitreden können. Ich möchte mithelfen, das Stereotyp der faulen Flüchtlinge aus der Welt zu schaffen. Die Schweizer sprechen viel über uns Flüchtlinge, doch unsere Sicht, unseren Schmerz kennen viele nicht. Deshalb ist es so wichtig, das Migrantinnen in der Politik repräsentiert sind.
Mein grosses Vorbild ist die kurdische Aktivistin Leyla Qasim. Die Soziologin engagierte sich gegen das Regime von Saddam Hussein – und wurde hingerichtet. Als Frau erlebe ich in der Schweiz, im Unterschied zu meiner syrischen Heimat, keine Benachteiligungen. Dort werden Frauen permanent von Männern kontrolliert: Sie dürfen nicht laut lachen, nicht gleich dasitzen, nicht so lange aufbleiben wie sie. Viele Frauen führen einen verzweifelten Kampf für mehr Rechte innerhalb ihrer Familie.»