Er will es wissen – wieder einmal und immer noch. Auch mit 38 Jahren gehört Roger Federer an den US Open zum absoluten Favoritenkreis. Montagnacht steigt der Schweizer mit der Partie gegen Sumit Nagal ins Turnier ein – auf der Jagd nach seinem 21. Grand-Slam-Titel.
Die Lust am Tennis hat den Maestro noch immer nicht losgelassen. Was ihn motiviert, ist unterschiedlicher Natur, erzählt Federer im Interview mit dem «New Yorker». «Manchmal können Rekorde die Motivation sein, ein andermal ist die Motivation, die junge Generation zu schlagen, manchmal liegt es auch daran, mir selbst zu zeigen, dass ich es noch einmal kann», erklärt er.
Letzten Endes gibt es aber einen primären Grund, weshalb er auch mit fast 40 Jahren noch trainiert wie ein junger Wilder. «Ich liebe es einfach von ganzem Herzen, Tennis zu spielen.»
Ein Ende seiner Karriere scheint für den Maestro nicht in Sicht. «Es ist toll, weiterzuspielen – und wirklich die ganze Zitrone auszupressen. Ich will den Platz nicht verlassen mit dem Gefühl, dass ich länger hätte bleiben sollen.»
Dass er auch in seinem Alter noch zur absoluten Weltspitze gehört, liegt unter anderem daran, dass er mit anderen Sportarten abgeschlossen hat. «Ich habe mit Ping Pong, Squash und dem Skifahren grösstenteils aufgehört. Plötzlich dachte ich, dass ich das tun sollte, um mich nicht zu verletzen und meine Karriere irgendwann deswegen beenden zu müssen.»
Auch wenn er die Aufgabe anderer Sportarten als «unglücklich» betitelt, hat er Alternativen gefunden, die ihm grossen Spass machen. «Du organisierst dein Leben anders, und plötzlich kommen da auch noch Kinder dazu», erzählt Federer. «Dann gibst du das andere auf und realisierst: Ich kann auch etwas anderes machen, das unglaublich viel Spass bringt. Anstatt zum Squash zu gehen, gehst du dann halt in den Park und spielst Versteckis oder Fangen.» Das Leben, das man lebe, werde dadurch ein komplett anderes.
Daran, was nach der Karriere kommt, will der Maestro noch nicht gross denken. «Es wird anders, ganz bestimmt», ist er sich aber sicher. Angst davor hat er nicht: «Ich habe das Gefühl, dass ich wirklich gute Freundschaften habe aufrechterhalten können während meiner Karriere. Ich denke, diese werden mich in ein normaleres und strukturierteres Leben begleiten.»
Dass er einmal selber Matches kommentiert oder gar Spieler coacht, schliesst Federer eher aus. Dass er anderen Ratschläge geben wird, ist für ihn aber klar – genauso wie der Ort seines Zuhauses. «Ich weiss, dass ich in der Schweiz wohnen werde – daheim, dort, wo all meine Freunde sind. Ich liebe mein Land so sehr!»
Die neuerliche Teilnahme an einem Grand-Slam-Turnier lässt Erinnerungen ans letzte aufkommen. Federer stand Mitte Juli gegen Novak Djokovic, 32, im Finale in London. Mit dem Serben lieferte er sich ein Duell auf allerhöchstem Niveau – zog aber gegen ihn letzten Endes den Kürzeren. Eine Niederlage, die ihm noch lange zu schaffen machte. «Es war ein toller Match, ich spielte wirklich gut, habe mehr Punkte gewonnen. Den Match dann trotzdem so zu verlieren, hat mich wirklich geärgert.» Er habe sich wirklich gefühlt, als ob er «es hätte richten können und müssen», sagt Federer. «Aber so läufts halt manchmal.»
Von den Strapazen des fünfstündigen Matches erholt hat sich der Baselbieter gemeinsam mit seiner Frau Mirka, 41, und den Zwillingen Myla und Charlene, 10, sowie Leo und Lenny, 5. Gemeinsam gings ins Appenzellerland zum Campen, gleich am Tag nach dem Finale. «Ich bin am Dienstagmorgen wahnsinnig müde und ausgelaugt aufgewacht.» Das hatte nicht nur mit dem Match zu tun. «Ich habe noch nie zuvor in einem Camper geschlafen», gesteht Federer.
Dennoch hatte er an den Familienferien grosse Freude. «Wir hatten so viel Spass! Ich bin sehr glücklich, dass wir das gemacht haben.» Doch eines hat er sich vorgenommen: «Wir haben gesagt, dass wir das nächste Mal, wenn wir campen gehen, besser nicht nach einem 5-Stunden-Kampf gegen Novak Djokovic losfahren», erzählt Federer lachend.
Seiner Teilnahme an den US Open in Flushing Meadows sieht King Roger derweil entspannt entgegen. «Ich liebe es, in New York zu spielen», schwärmt Federer. Er freut sich sehr auf seinen Einsatz. Denn es sind Herausforderungen wie diese, die ihn antreiben. «Diese Schmetterlinge zu spüren, bevor du auf den Platz gehst: Das ist ein berauschendes Gefühl!»
Der Start ins Turnier ist – wenn auch über vier Sätze – geglückt: Federer bezwang in Runde 1 den Inder Sumit Nagal.