Die Passanten auf dem Hollywood Boulevard gucken zweimal hin: Kennt man diese Frau? «Du siehst aus wie Margot Robbie!» bekommt Jennifer Bosshard (29) zu hören. Oder wie Cara Delevingne! Oder Denise Richards in jüngeren Jahren. Die «Gesichter und Geschichten»-Moderatorin ist gleichzeitig amüsiert und geehrt, wem sie alles aus dem Gesicht geschnitten sein soll. Mit einem kleinen «G&G»-Team weilt sie derzeit im Epizentrum der Traumfabrik, um von der Oscar-Verleihung zu berichten.
Sie war schon öfters in Florida, wo sie durch ihre kubanische Grossmutter Verwandte hat, aber an der Westküste war sie noch nie. «Ich bin überwältigt», sagt die Baslerin. «Es ist ein Sehnsuchtsort, den sich Kreative und Träumer teilen. Ich spüre diese Energie, aber man realisiert auch, dass es eine andere Seite der Medaille gibt. Es gibt viel Elend, das hier wortwörtlich am Boden liegt. Das macht einen schon betroffen.»
Sie spricht damit die Obdachlosen an, deren Zelte in den Seitenstrassen des Hollywood Boulevard nicht zu übersehen sind. Im Dolby Theatre sollen die Oscars derweil nach dem Will-Smith-Debakel vom letzten Jahr wieder im alten Glanz erstrahlen. Jennifer Bosshard und die Videojournalisten Florian Landolt (32) und Lara Marty (31) berichten diese Woche aus Hollywood und schalten sich in der Nacht vom 12. auf den 13. März in die Livesendung von «G&G».
Was alles schiefgehen kann, hat das Team schon kurz nach der Landung in der derzeit unüblich winterlichen Stadt erfahren: «Wir hatten eine wilde Mischung aus Jetlag, schlechtem Internet und kaputter Heizung», erzählt sie beim Kaffee zwischen zwei Drehs. «Dazu waren wir bis Mitternacht am Arbeiten und mussten am Morgen früh raus. Das zehrt. Aber wir habens durchgestanden, ohne einmal zu streiten – ein Gütesiegel für unser Team.»
Filmfan und TV-Zapper
Jennifer Bosshard interessiert sich für Filme, seit sie denken kann. Schon als Kind ging sie oft mit den Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern ins Kino. Wenn sie jetzt mit ihrem Mann Pascal Schürpf (33) Fussballprofi beim FC Luzern, mal an einem freien Abend zu Hause einen Film sehen möchte, ist der Wille zum Kompromiss gefragt: «Er mag diese typischen Action-Baller-Filme, mit denen man mich jagen kann. Ich ziehe Filme vor, die nicht voraussehbar sind, das Genre ist mir sonst egal.» Die seit Sommer 2021 verheirateten Heimweh-Basler mit Wohnsitz Zug sind zudem endlose TV-Zapper: «Bis wir endlich etwas gefunden haben, das beide schauen wollen, lohnt es sich oft nicht mehr, etwas anzufangen.»
Bosshards aktueller Favorit ist «Everything Everywhere All at Once». Sie glaubt, dass der Oscar-Frontrunner auch gewinnen wird: «Es ist ein raffinierter Film, der unterhält und trotzdem Tiefe hat. Es könnte aber eine Überraschung mit ‹Im Westen nichts Neues› geben», meint sie. «Es wäre schon sehr cool, wenn die Deutschen den Preis für den besten Film holen. Besonders, da wir den Titel in der Schweiz mit beanspruchen könnten: Regisseur Edward Berger hat Schweizer Nationalität und wuchs in Deutschland auf.»
Highlights zum 30. Geburtstag
Am Sonntag wird Jennifer Bosshard im Presseraum zu den Ersten gehören, die die Gewinner und Gewinnerinnen zu Gesicht bekommen. Besonders würde sie sich auf Cate Blanchett («Tár») freuen, eine ihrer Lieblingsschauspielerinnen, die sie schon als Praktikantin bei «G&G» zur #MeToo- und #TimesUp-Bewegung interviewen durfte. Oder Viola Davis und Brad Pitt, den sie letztes Jahr zum Gespräch traf: «Er ist für mich der Inbegriff eines Filmstars. Wir hatten einen coolen Austausch, und er hat sich auch viel Zeit für die Fans genommen. Er scheint ein Grundinteresse an Menschen zu haben. So hat er auch mein Herz erobert, aber schneller geschlagen hat es deswegen nicht», versichert sie lachend. «Dafür ist er mir definitiv zu alt.»
Auch für Jennifer Bosshard steht eine neue Dekade an: Im Mai feiert sie ihren 30. Geburtstag mit einer 70er-Jahre-Discoparty. Familie, Freunde, Büro-Gspänli – alle sind eingeladen. Ein Geburtstagsgeschenk hat sie schon bekommen: Die dienstälteste Moderatorin von «G&G» wurde zur Produzentin befördert und ist nun auch hinter der Kamera für ganze Sendungen verantwortlich. «Ich kann sie proaktiv mitgestalten», freut sie sich über ihre neuen Aufgaben. «Auf diesen Schritt habe ich von Anfang an hingearbeitet.»
Nichts ist für immer
Dass man mit 30 eine Krise haben soll, hat sie früher nie verstanden, aber jetzt macht sie sich doch auch ein paar Gedanken zur Vergänglichkeit: «Sie gehört zum Leben», wird sie nachdenklich. «Ich habe viele Stationen übersprungen, und meine Zwanziger waren eine aufregende Zeit.» Nach dem Geschichts- und Deutschstudium geht es für die in Maisprach BL aufgewachsene Journalistin nämlich Schlag auf Schlag: Ein paar Artikel bei der «BaZ», ein Praktikum bei der «Annabelle», und schon arbeitet sie bei «Gesichter und Geschichten» in der Redaktion. Dort muntert sie die Chefin bald auf, sich für die Nachfolge von Annina Frey zu bewerben. An ihrem 25. Geburtstag moderiert Jennifer Bosshard bereits ihre erste Sendung. «Ich bin oft ins kalte Wasser gesprungen. Es wäre daher schön, wenn in meiner neuen Dekade etwas Klarheit, Struktur und Gelassenheit dazukommen würden. Und da man als junge Journalistin nicht immer ernst genommen wird, kann das Alter eigentlich nur helfen.»
Die Academy Awards hingegen altern eher unvorteilhaft: Bei ihrer Strassenumfrage in Hollywood findet Bosshard kaum jemanden, der die 95. Verleihung sehen will: «Das hat mich erstaunt. In der Schweiz scheint man noch interessierter, vielleicht, weil alles so weit weg ist. Aber selbst die grössten Institutionen müssen irgendwann einsehen: Nichts ist für immer.» Noch ist ein Oscar für Filmschaffende aber das höchste aller Gefühle. Jennifer Bosshard erfreut sich derweil an der «G&G»-Nominierung für den Prix Walo: «Wir haben jedoch taffe Konkurrenz von David Constantin, dem grandiosen Autor von ‹Tschugger›», sagt sie und malt sich wenig Chancen aus. «Aber wie ich diese Woche vom Schweizer Produzenten Marc Mounier (2022 nominiert für den Kurzfilm-Oscar / Red.) gelernt habe: Selbst die Nominierung ist schon grosse Ehre und nicht zu unterschätzen.»