«Es hat mir wehgetan und mir aufgezeigt, wo meine Grenzen sind»: So machte Tamy Glauser, 34, Ende Juli publik, dass sie nun doch nicht in den Nationalrat will. Zuvor war sie als heisse Anwärterin auf einen Sitz in Bern gehandelt worden. Die Grünen Zürich hatten das Topmodel im Mai offiziell nominiert.
Jetzt, gute zwei Wochen nach dem überraschenden Rückzug, fand Glauser den Mut, über die Nationalrats-Schlappe zu sprechen. Kein einfaches Unterfangen: Der Hass, mit dem sich die Bernerin konfrontiert sah, machte ihr schwer zu schaffen.
Ihr Ziel sei es gewesen, mit ihrer Kandidatur für den Nationalrat etwas Gutes für die Schweiz zu bewirken, erzählt Glauser in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». «Aber wie soll ich etwas Gutes bewirken, wenn es mir selber nicht gut geht?», fragt sie sich.
Für ihre Kandidatur musste die Partnerin von Dominique Rinderknecht, 30, viel Hass einstecken. «Man kann meine Haltungen kritisieren, was ich mache – wer es nötig hat, sogar, wie ich aussehe», sagt sie. «Mich als dumm hinstellen, das war mir zu viel.» Irgendwann habe sie keine Plattform mehr gehabt, um sich zu rechtfertigen, fährt Glauser fort. «Irgendwann war es egal, was ich sagte.»
Die Anfeindungen traten vor allem auf, nachdem Glauser bei Instagram einen Shitstorm ausgelöst hatte. In einem Kommentar schrieb sie, dass Blut von Veganern Krebszellen töten könne. Diese Aussage kommt der überzeugten Veganerin teuer zu stehen – und sie ist mitunter ein Grund für Glausers Nationalrats-Rückzug. In ihrer Erklärung von Ende Juli merkte sie an, dass sie mit den heftigen Reaktionen, die der Post auslöste, nicht gerechnet habe. «Es hat mir wehgetan und mir aufgezeigt, wo meine Grenzen liegen.»
Dass es jemals so weit kommen würde, ahnte Ende September 2018 noch niemand. Der «Tages-Anzeiger» betitelt den Beginn von Glausers Polit-Ausflug als «Märchen». Bei einer Award-Show im Berner Kursaal trifft sie auf die grüne Nationalrätin Sibel Arslan. Die beiden kommen ins Gespräch. Dieses wird mit einer Aufforderung Arslans beendet. «Mädchen, du musst in die Politik.»
Doch es kommt alles anders. Nach dem Veganer-Kommentar wird Glauser angefeindet. Sie sei «dumm wie Brot», «Dich verhau ich», «So was will ein Model sein?», kriegt sie auf offener Strasse zu hören.
Den Hass kann Glauser auch jetzt – aus ein wenig Distanz – nicht nachvollziehen. «Ich habe mich für die falsche Formulierung entschuldigt. Man hätte auch über die Vor- und Nachteile veganer Ernährung diskutieren können.»
Dass sie im Mittelpunkt des Interesses steht und damit auch häufig auf Kritik stösst, daran hat sich die Bernerin indes gewöhnt. Auch wenn sie es nicht versteht. «Ich habe mich schon oft gefragt, was es ist», sagt sie. «Meine Person löst oft viel aus. Die Menschen fühlen sich von meiner blossen Präsenz angegriffen. Als würde ich ihnen einen Spiegel vor Augen halten.»
Mit dem vorläufigen Aus ihrer Politikkarriere schliesst Glauser nicht aus, dass sie nicht doch irgendwann in Zukunft in Bern walten wird. Für die Rechte der LGBTI-Gemeinschaft und die Umweltanliegen werde sie weiter kämpfen, gab das Model gleichzeitig mit dem Rückzug ihrer Kandidatur bekannt. «Und wer weiss, vielleicht gibt es in vier oder acht Jahren sogar eine reifere und stärkere Nationalratskandidatin Tamy Glauser.»