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Fussball-EM 2021 – Kolumne von Sarah Akanji

«Go, Manu! Ganz viel Glück»

Die Schweiz ist im Achtelfinal klar der Underdog. Doch genau in solchen Spielen trumpft sie oft auf, sagt Sarah Akanji. Worauf es jetzt ankommt und was sie ihrem Bruder Manuel vor dem Match schreibt.

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Sarah Akanji, Schweizer Fussballerin, SP Politikerin, schreibt SI Kolumne während Fussball EM, 8. Juni 2021,Winterthur

Hofft, dass sie bald wieder für die Schweizer Nati jubeln kann: FC-Winterthur-Kapitänin Sarah Akanji.

Fabienne Bühler

Gefühlsmässig haben wir an dieser Europameisterschaft bereits die ganze Palette miterlebt. Spannung, Nervosität und Zittern im ersten Spiel gegen Wales. Ratlosigkeit, gefolgt von Frust und Enttäuschung in der zweiten Partie gegen die Fussballnation Italien. Euphorie, Nervenkitzel und Feierlaune im letzten Gruppenspiel gegen die Türkei. Daraufhin Freudentaumel und Glücksgefühle am Montagabend, als dank den Siegen von Belgien und Dänemark die Sache klar war: Die Schweiz hat sich für den Achtelfinal qualifiziert!

Worüber sich dieses Jahr garantiert keine:r beklagen kann, ist fehlendes Entertainment während der EM. Dieses Mitfühlen, Aufwühlen, die Spannung und das Drama sind genau das, was Fussball-Länderturniere immer wieder ausmachen. Während der EM erlebe ich eine Schweiz, die am Sonntagabend nicht mehr «Tatort» schaut, sondern hoffnungsvoll und euphorisch das letzte Gruppenspiel der Schweiz mitverfolgt. Die nach Wochenendschluss am Montagabend doch nochmals ein, zwei Bier öffnet oder die Prosecco-Korken knallen lässt, um auf die Qualifikation für den Achtelfinal anzustossen. Die ich dieses Jahr sogar begeistert hupend auf der Strasse vor meinem Fenster erschallen hörte.

Die Euro 2020 fasziniert einmal mehr, und wir sind erst in der Hälfte des Turniers angelangt. Was für das Schweizer Nationalteam als Nächstes folgt, ist ein sehr, sehr starker Gegner. Der wahrscheinlich beste seit Turnierbeginn. Wir treffen auf ein Nationalteam mit Weltklassespielern, das die Favoritenrolle einnehmen wird. Die Schweiz wird der Underdog sein, was aber nicht unbedingt eine schlechte Ausgangslage ist. Die Schweizer Nationalmannschaft überrascht nämlich genau in den Spielen, in welchen sie die Aussenseiterin ist. Wir erinnern uns ans starke Unentschieden gegen Spanien im letzten Jahr, bei welchem fast die gleiche Mannschaft antrat, die heute an der EM im Kader vertreten ist. Oder ans WM-Spiel 2018 gegen den Fussballgiganten Brasilien, in welchem sie sich 1:1 unentschieden trennten. Die Schweiz ist immer wieder für eine Überraschung gut und hat sich schon des Öfteren gegen überlegene Gegner mit Cleverness und schnellem Umschaltspiel bewiesen.

Manuel, mein Bruder, wird einmal mehr eine Nachricht vor diesem wichtigen Spiel von mir bekommen: «Go, Manu! Ganz viel Glück und Freude beim Spiel! Glaubt an euch, dann schafft ihr das bestimmt, denn ihr seid nicht nur klasse Spieler, sondern auch ein grossartiges Team! Wir stehen hinter euch.» Ich zweifle auf keinen Fall an der spielerischen Qualität und dem Siegeswillen der Spieler. Dennoch wartet hier definitiv kein einfaches Spiel auf sie.

 

«Worüber sich dieses Jahr garantiert keine:r beklagen kann, ist fehlendes Entertainment während der EM»

Sarah Akanji

Die grosse Frage, die bleibt und die uns gespannt auf Anfang Woche warten lässt, ist: Kann die Schweiz dem Druck standhalten? Schafft sie es, sich mental so vorzubereiten, dass sie selbstbewusst, mutig und sicher in die Partie startet? Kann sie all ihre Qualitäten hervorholen und während 90 Minuten dagegenhalten, ja vielleicht sogar teilweise dominieren und ein Tor erzielen? Ich wünsche es mir.

Mein Wunsch ist nicht unrealistisch. Wir haben auf allen Positionen Spieler, die im vergangenen Jahr wahnsinnige Leistungen in ihren Klubs gezeigt haben. Die gekämpft, gezaubert, hart gearbeitet und sich entwickelt haben. Die ein Weiterkommen verdient hätten. Doch die Qualifikation gelingt nur, wenn sich die Stärken der Einzelspieler kombinieren lassen und sie als Einheit auftreten. Können sie das? Definitiv. Schaffen sie das? Wir alle hoffen es.

Das Gute an der neuen Ausgangslage ist: Die Schweiz kann nur gewinnen. Entweder sie schafft es entgegen allen Erwartungen, sich in den Viertelfinal zu kämpfen, und beschert der Fussballschweiz einen feierlichen Abend. Oder sie zeigt Biss und ein spannendes Spiel, welches sie mit Würde verliert, indem sie sich von ihrer besten Seite zeigt und sich gegen einen überlegenen Gegner geschlagen geben muss.

Um zu erfahren, in welche Richtung es geht, müssen wir uns übers Wochenende noch gedulden. Was hingegen jetzt schon klar ist: Die Prosecco-Flaschen stehen in den Kühlschränken bereit.

Von Sarah Akanji am 25. Juni 2021 - 11:46 Uhr