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  4. Bundesratskandidat Markus Ritter: Zu Besuch im Haus des Bauernpräsidenten
Wird er der Nachfolger von Viola Amherd?

Hausbesuch bei Bundesratskandidat Markus Ritter

Ein Bauer, der für Bern pflügt – und nun Bundesrat werden möchte. Doch Markus Ritter weiss: Ohne seine Frau Heidi Ritter wäre das nicht möglich. «Wir sind Seelenverwandte.»

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<p>Zu Hause in der Krans oberhalb <br /> von Altstätten SG: «An diesem <br /> Tisch haben wir <br /> in 30 Minuten ­entschieden, dass ich kandidiere.»</p>

Zu Hause in der Krans oberhalb von Altstätten SG: «An diesem Tisch haben wir in 30 Minuten entschieden, dass ich kandidiere.»

Fabienne Bühler

Auf diesem Hof sind die Rollen klar verteilt. Markus Ritter (57) kümmert sich ums Politische, Heidi Ritter (55) um den Rest. «Und das da ist der König», sagt Ritter und zeigt auf Kater Tigi, der gerade um die Beine seines Frauchens streicht. «Werde ich in den Bundesrat gewählt, freut er sich sicher. Er schläft nämlich in meinem Bett, wenn ich weg bin.» Markus Ritter hat immer einen Spruch bereit. Und nun ist er auch bereit für den Bundesrat. Der Mitte-Nationalrat will Nachfolger der abtretenden Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) werden.

<p>Der zwölfjährige Tigi ist der heim­liche Herrscher des Hofs. «Wenn er wenigstens mal eine Maus <br /> fangen würde», <br /> findet Markus Ritter. </p>

Der zwölfjährige Tigi ist der heimliche Herrscher des Hofs. «Wenn er wenigstens mal eine Maus fangen würde», findet Markus Ritter. 

Fabienne Bühler

Seit 30 Jahren wohnen die Ritters im 400-jährigen Bauernhaus mit den grau schimmernden Schindeln oberhalb von Altstätten SG. «Heim und Stall stehen unter Einzelobjektschutz.» Ritter erzählt gern von seinem Leben hier oben mit Sicht aufs Rheintal. Und oft. In diesen Tagen geben sich zig Journalistinnen und Reporter die denkmalgeschützte Klinke in die Hand.

Drinnen am Küchentisch hat Ritter mit seiner Frau und den Söhnen Adrian (27) und Daniel (24) Ende Januar über seine Kandidatur diskutiert. Tochter Patricia (29) gelernte Bankkauffrau, war in Bern, wo sie lebt und arbeitet. Nach 30 Minuten wars entschieden – Ritter will Bundesrat werden! «Mir war wichtig, dass Heidi zustimmt», sagt er. «Und ich habe ein gutes Gewissen, weil sie hier eingebunden ist, auf dem Hof und im Haus ihre Aufgaben hat.»
Heidi Ritter nickt. «Er ist ja jetzt schon oft weg, für mich ändert sich wenig.» Um die 100 Nächte im Jahr ist der Parlamentarier und Präsident des Schweizer Bauernverbands nicht zu Hause. «Wenn er es will, unterstütze ich ihn», sagt seine Frau.

<p>Als Ritter 2012 Bauernpräsident wurde – beim «Sack-Jass» mit der ganzen Familie: Adrian, Heidi, Patricia, Markus und Daniel (v. l.).</p>

Als Ritter 2012 Bauernpräsident wurde – beim «Sack-Jass» mit der ganzen Familie: Adrian, Heidi, Patricia, Markus und Daniel (v. l.).

Marcel Nöcker

Mit Mistgabel und Machtinstinkt

Zu Beginn seiner Ehe standen für Biobauer Markus Ritter Haus und Hof im Vordergrund– nach und nach gewann die Politik an Terrain. 20 Jahre sass er im Altstätter Stadtrat. Acht Jahre war er Präsident des St. Galler Bauernverbands. Seit 2011 sitzt er im Nationalrat, und seit zwölf Jahren amtet er als höchster Bauer des Landes. Für die Landwirte gewann er Schlacht um Schlacht. 2021 versenkte er eine Agrarreform, er bodigte die Pestizid-, die Trinkwasser- und die Massentierhaltungsinitiative, und vergangenen Sommer verhinderte er eine neue Vorschrift für mehr Ökoflächen auf den Äckern. 2020 schloss er eine Allianz mit den grossen Wirtschaftsverbänden, von den Linken als Geld-und-Gülle-Allianz verspottet.

«Weil er gut überzeugen kann, hat er vielfach auch Erfolg mit seinen Geschäften und Anträgen», sagt SVP-Nationalrat Thomas Burgherr (62) der mit ihm in der Wirtschaftskommission sitzt. Grünen-Nationalrat Kilian Baumann (44) der ihm als Präsident der Kleinbauern-Vereinigung oft gegenübersteht und als sein ewiger Gegner gilt, sagt: «Seine Hartnäckigkeit ist sicher etwas, das ihn auszeichnet.»

<p>In Ritters Büro türmen sich <br /> die Aktenberge vor dem <br /> Mühlstein der alten <br /> Mostpresse. «Eigentlich wollte ich noch aufräumen.»</p>

In Ritters Büro türmen sich die Aktenberge vor dem Mühlstein der alten Mostpresse. «Eigentlich wollte ich noch aufräumen.»

Fabienne Bühler

Tradition und Taktik

Für den Bundesratswahlkampf hat Ritter eine renommierte PR-Agentur engagiert. Ihr Auftrag: weniger Stallgeruch, mehr Staatsmann. «Ich war immer der Typ für dunkle Hemden», sagt er und lacht. «Die haben mir geraten, lieber hell zu tragen und eine in der Farbe ruhige Krawatte zu nehmen.» Seine Frau habe sich stets um seine Kleidung gekümmert – alle Hemden für ihren Mann gebügelt und gepackt. «Die Leute schauen eben schon, was er trägt», sagt Heidi Ritter.

Die Mitte-Partei tat sich schwer, geeignete Kandidierende zu finden. Noch-Parteipräsident Gerhard Pfister (62) wollte ebenso wenig antreten wie Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (46). Die Top-Anwärter Martin Candinas (44), Isabelle Chassot (59), Benedikt Würth (57), und Andrea Gmür (60) sagten ab. Woran liegt das? «Zwei Monate bis zur Wahl sind extrem sportlich. Um so eine wichtige Funktion zu übernehmen, muss man Zeit haben, um Aufgaben abzugeben und das ganze Leben neu zu organisieren.» Ob er enttäuscht ist von Viola Amherds kurzfristigem Rücktritt? «Das war ihre Entscheidung, ich weiss nicht, was sie dazu bewogen hat», sagt Ritter. «Aber ich habe den Rücktritt von meinem Amt beim Bauernverband vier Jahre im Voraus bekannt gegeben. Das ist natürlich schon etwas anderes.» Dann fügt er hinzu: «Wenn man Bundesrat wird, sollte man es schon für mindestens acht Jahre machen. Das wäre zumindest mein Anspruch.»

Neben ihm kandidiert der landesweit noch unbekannte Zuger Regierungsrat Martin Pfister (61). «Ich kenne ihn nicht näher, aber er wirkt sympathisch», sagt Markus Ritter. «Wenn er meine Hilfe unter der Bundeshauskuppel braucht, werde ich ihn unterstützen. In der Mitte gehen wir miteinander und nicht gegeneinander.»
Was dem Konkurrenten helfen könnte, falls das Verteidigungsdepartement wie erwartet frei wird: Pfister war Kommandant eines Rettungsbataillons der Armee und bis 2012 Chef der Katastrophenhilfe in der Territorialdivision 3. Ritter dagegen blieb Gefreiter, er musste mit 22 Jahren den Hof übernehmen. «Dafür habe ich über 30 Jahre Führungserfahrung im politischen Bereich.» Und dann ergänzt er: «Ich bin bereit, die Herausforderung zügig anzupacken. Als Landwirt bin ich es gewohnt, fast jeden Tag zu arbeiten. Eine gute Grundlage.»


Wie schätzt Ritter seine Chancen ein? «Die sind sicher intakt. Ich kenne das Bundeshaus, ich kenne die Leute dort.» Ob es klappt oder nicht – eins ist er sich sicher: «Am Tag der Wahl, am 12. März, trinke ich abends mit Heidi ein Glas sehr guten Rotwein.»
 

<p>Heidi und Markus Ritter arbeiten Hand in Hand. <br /> Auf dem Hof und <br /> in der Politik gibt es viel zu tun.</p>

Heidi und Markus Ritter arbeiten Hand in Hand. Auf dem Hof und in der Politik gibt es viel zu tun.

Fabienne Bühler

Schuften, säen, siegen

Markus Ritter stammt aus einfachen Verhältnissen. Es gab fliessendes Wasser im Elternhaus, aber kein Badezimmer, die Wanne stand im Schopf, das WC war ein Plumpsklo. Er wuchs nur 600 Meter von seiner Zukünftigen auf. «Ich habe quasi über den Miststock rüber geheiratet.» Bauernhumor. Heidi Haltiner arbeitete als Hotelfachfrau im Zürcher «Baur au Lac» und im Davoser «Steigenberger». Nach der Trachtenhochzeit wechselte sie in die Landwirtschaft. «Wir sind Seelenverwandte», sagt ihr Mann. «Wir teilen die gleichen Werte, sind von der Landwirtschaft geprägt und aus dem gleichen Holz geschnitzt. Das verbindet.» Dann kommt er regelrecht ins Schwärmen: «Heidi ist die beste Frau der Welt. Ohne sie hätte ich das alles nicht erreicht. Sie ist das Fundament – für mich und die ganze Familie. Ich liebe sie wirklich sehr.»

<p>Die Trachtenhochzeit fand vor<br /> 30 Jahren in Altstätten statt.</p>

Die Trachtenhochzeit fand vor 30 Jahren in Altstätten statt.

Privat

Seit zwei Jahren führen ihre beiden Söhne den Hof mit 30 Hektaren, im vergangenen Jahr haben sie den Stall neu aufgebaut. «Das zeigt, dass wir nicht alles falsch gemacht haben.» Die 43 Kühe werden von einem Roboter gemolken. Die Eltern helfen weiterhin, wo sie können – auch ohne Lohn. «Andere Bundesräte gehen joggen oder fahren Velo. Man muss etwas machen, um fit zu bleiben.» Ihm bereite es Freude, im Stall anzupacken oder Hochstammobstbäume zu schneiden. «Das ist wahnsinnig befriedigend.»

Von Viehzucht und Volksvertretung

Markus Ritter könnte bald ganz oben landen. Doch für ihn bleibt die Landwirtschaft der Boden, auf dem alles wächst. «Wir helfen einander, wenn Not ist, beim Heuen, bei der Obsternte oder wenn ein Kalb kommt», sagt er. «Das macht man das ganze Leben lang so. Das sind für mich auch Werte, die ich mit ins Bundeshaus nehme.»

 

<p>Den Hof haben die Söhne übernommen. «Aber ich packe <br /> noch gern mit an – das ist gut für <br /> meine Fitness.»</p>

Den Hof haben die Söhne übernommen. «Aber ich packenoch gern mit an – das ist gut für meine Fitness.»

Fabienne Bühler
Silvana Degonda
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Von Silvana Degonda am 16. Februar 2025 - 06:00 Uhr