Wie viele Stubentiger derzeit im fünfstöckigen Heim von Familie Caprez unterwegs sind, weiss Pablo, 23, nicht genau. «Fünf oder so. Plus die Babys.» Seine Mutter Jeanne, 54, züchtet die reinrassigen Maine Coons und verkauft sie. Man ist es im Hause Caprez im Zürcher Seefeld daher gewohnt, auf den Boden zu schauen, wenn man aus einer Tür kommt. Für den Fall, dass dort eine Katze liegt.
Generell ist ständig was los in der Familien-WG, denn auch Pablos Geschwister Aljoscha, 26, Vasco, 24, Gion, 21, und Anna-Lou, 19, wohnen noch zu Hause mit den Eltern Jeanne, hauptberuflich Lehrerin, und Marc, 54, Kommunikationsleiter des Schul- und Sportdepartements der Stadt Zürich. Pablo teilt sich zwar auch noch eine WG mit drei Freunden ganz in der Nähe, ist aber trotzdem oft und gern daheim. So auch während des Drehs des Kinofilms «Soul of a beast», der in Zürich entstand. «Wir drehten oft nachts. Ich kam dann frühmorgens nach Hause und trank in der Küche ein Bier, um wieder im normalen Leben anzukommen, während die anderen frühstückten», erzählt er lachend.
Achtmal war «Soul of a beast» für den diesjährigen Schweizer Filmpreis nominiert. Drei Trophäen holte die Geschichte um einen minderjährigen Vater ab. Was Pablo durch den Kopf ging, als am 25. März bei der Verkündung des besten Hauptdarstellers sein Name fiel? «Scheisse, ich hätte eine Rede vorbereiten sollen!» Während man es den meisten nicht abnimmt, dass sie nie mit einem Sieg gerechnet hätten, ist das in Pablos Fall nachvollziehbar. Immerhin schnappte er den «Quartz» den beiden zurzeit erfolgreichsten Schauspielern des Landes, Joel Basman und Sven Schelker, vor der Nase weg. Und das mit seinem ersten Kinofilm. Als Laie. Pablo Caprez hat keine Schauspielausbildung, er studiert Wirtschaft. Die Dankesrede beim Sieg hat er trotzdem irgendwie hingekriegt.
Pablo war zwölf, als er erstmals für einen Kurzfilm gecastet wurde, zwei Jahre später spielte er in einer «Tatort»- Folge mit, dann im Schweizer TV- Film «Upload». Auch für die Rolle in «Soul of a beast» (jetzt im Kino), in dem er an der Seite von Ella Rumpf und Luna Wedler spielt, wurde er angefragt. «Als ich Ella am Casting traf, fragte ich sie, was sie sonst noch so mache im Leben. Ich kam gar nicht auf die Idee, dass jemand dort Schauspielprofi sein könnte», erzählt Pablo grinsend.
Für ihn selbst kommt eine entsprechende Ausbildung momentan nicht infrage. «Ich glaube, ich gehe dadurch unverkrampfter an meine Rollen heran. Zudem glauben ja all die Leute am Set an mich, dann kann ich das auch.»
Für seine Rolle als junger alleinerziehender Vater habe er mehr oder weniger täglich aus seiner Komfortzone herauskommen müssen, so Pablo. «Ich wusste schon beim Aufwachen, dass ich wieder mit etwas Neuem konfrontiert werden würde, das nicht immer einfach war.» Dazu gehörten zum Beispiel Sex- oder Drogenszenen («sich in einen Rausch hineinzudenken, ist gar nicht so einfach»). Aber Pablo musste für den Dreh auch skaten, Motorrad- und Autofahren lernen. «Plötzlich war ich ständig mit einem Skateboard unterm Arm unterwegs. Das fanden meine Freunde schon schräg.»
Schauspieltipps holte sich Pablo bei Ella und Luna – die er übrigens seit seiner Kindheit kennt. Die Eltern fragte er hingegen auch mal nach Ratschlägen zur Bewältigung von Stress und zum Umgang mit Druck. «Meine Familie hat mich immer bei allem unterstützt, was ich mache, dafür bin ich sehr dankbar», sagt Pablo. So war er während der Dreharbeiten auch vom heimischen Ämtliplan entbunden, den es jeweils von Mama Jeanne morgens im Familienchat gibt. Wer zuerst wach ist, wählt zuerst. Wer ausschläft, kassiert dann meist den Küchenputzdienst. Kochen ist hingegen beliebt im Hause Caprez – alle tun es gern und gut, Mama sei Dank. «Ich habe drauf geachtet, dass alle meine Kinder kochen lernen», sagt Jeanne Caprez. Gewaschen wird übrigens auch selbst – also nichts mit Hotel Mama, auch wenn man noch zu Hause wohnt. Pablo betreibt gemeinsam mit einem Freund online einen Koch-Channel, der zum Catering- Service ausgebaut wurde. «Als zweites Standbein.»
Thema Nummer eins bei Caprez’ sind aber weder das Kochen noch die Schauspielerei, sondern Fussball. Pablo trainiert dreimal pro Woche Junioren auf dem Fussballplatz Lengg, neben der Familien-WG und derjenigen mit seinen Freunden sein drittes Zuhause. Marc Caprez, der bis 2017 das Zürcher Fifa Museum leitete, ist Präsident des FC Seefeld. Sehr am Herzen liegt ihnen die Partnerschaft mit einem Fussballklub in Uganda, dem sie zum Beispiel nicht mehr benötigte Fussballschuhe schicken. Und wenn ein Mitglied der Familie Caprez auf Reisen ist, ist es Ehrensache, dass man ein Fussballtrikot von der Destination mitbringt. Die entsprechende Sammlung beansprucht mittlerweile einen eigenen Schrank.
Für Pablo ist jetzt erst mal Büffeln angesagt. Zwar kann er sich schon vorstellen, irgendwann hauptberuflich Schauspieler zu sein. «Aber ich möchte irgendwann eine eigene Grossfamilie. Und da macht ein Wirtschaftsstudium definitiv mehr Sinn.»